GATS-Liberalisierungsverhandlungen  

erstellt am
13. 02. 03

 Industrie: GATS schafft Beschäftigung und Wachstum
IV-GS Fritz: Liberalisierung von Dienstleistungsmärkten notwendig für höheres Wachstum und Beschäftigung
Wien (pdi) - Die Industriellenvereinigung (IV) spricht sich gegen ein Stopp der gegenwärtigen GATS-Liberalisierungsverhandlungen - wie von der Stopp-GATS-Initiative gefordert - aus. Nach Meinung der Industrie ist der Dienstleistungsbereich, der rund 60 % zur weltweiten Wertschöpfung beiträgt und 65% zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt ein großer Hoffnungsbereich. "Eine weitere graduelle Liberalisierung in diesem Sektor sorgt für massive Wohlstandseffekte in Form von höherem Wachstum und mehr Beschäftigung", betonte IV-Generalsekretär Dkfm. Lorenz Fritz.

Natürlich gebe es bestimmte Leistungen, wie z.B. die innere und äußere Sicherheit, die der Staat nicht aus der Hand geben dürfe. Nicht klar ist den Vertretern der Industrie jedoch, warum sich alle davor fürchten, dass Leistungen wie beispielsweise der Betrieb einer Autobuslinie oder die Abwasserentsorgung in private Hände gegeben bzw. in Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und Privaten abgewickelt werden. Der IV-Generalsekretär erinnerte an die für jede Bürgerin und jeden Bürger nachvollziehbare Verbesserung durch die Telekom-Liberalisierung in Österreich: "Die Zeit des Viertel-Telefonanschlusses ist noch nicht lange vorbei - ohne die Marktliberalisierung wäre der hohe Servicegrad des Telekomsektors in Österreich so nicht denkbar. Es ist also ein Irrglaube, dass der Staat als Dienstleistungserbringer besser ist als ein Privater. Die Herausforderungen und Chancen liegen darin, den Liberalisierungsprozess so zu gestalten, dass möglichst viele Menschen von den Vorteilen profitieren können. Public-Private-Partnership Modelle eignen sich sehr gut dafür", so Fritz.

Darüber hinaus sieht die Industrie ein enormes Potenzial für Österreichs Wirtschaft im Dienstleistungshandel. "Österreichische Unternehmen können Dienstleistungen im Ausland, beispielsweise die Stromversorgung, in den benachbarten zukünftigen EU-Mitgliedsländern anbieten und somit im Inland hochwertige Arbeitsplätze sichern und neue schaffen", erläuterte Fritz.

Die Industriellenvereinigung weist auch die immer wieder kolportierte Fehlinformation "das GATS führe zum Ausverkauf der öffentlichen Dienstleistungen" zurück. "Nicht das GATS, sondern jeder Mitgliedstaat entscheidet welche Dienstleistungsbereiche für Private geöffnet werden sollen und welche nicht", betonte der IV-Generalsekretär.

 

 GATS bedroht Arbeitsplätze und Mitbestimmung
Verzetnitsch und Haberzettl präsentieren Forderungen
Wien (ögb) - Den sofortigen Stopp der GATS-Verhandlungen, die Veröffentlichung der Liberalisierungsforderungen an Österreich und die EU und ein Ende der Geheimverhandlungen durch Wirtschaftsminister Bartenstein und EU-Kommissar Lamy forderten ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Wilhelm Haberzettl, Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner, am Mittwoch (12. 02.) im Rahmen einer GATS-Informationsveranstaltung für BetriebsrätInnen.

Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), das derzeit von der Welthandelsorganisation WTO unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird, bedroht die Lebensqualität der Menschen, heimische Arbeitsplätze und die Mitbestimmung in den Betrieben. Als Auftakt einer Reihe von Aktionen in allen Bundesländern und in den Betrieben hat der ÖGB heute, Mittwoch, eine Kick Off Veranstaltung zum Thema GATS in Wien durchgeführt. Die rund 160 anwesenden Betriebsrätinnen und Betriebsräte wurden dabei über die möglichen Folgen des GATS in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Verkehr und Wasser informiert. Der ÖGB und seine Gewerkschaften sehen ihr Engagement gegen das GATS als Auftrag ihrer Mitglieder an. Im Rahmen der ÖGB-Urabstimmung 2001 haben 94,6 Prozent der Mitglieder für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Dienste und für den Stopp des unwiderruflichen Ausverkaufs öffentlichen Eigentums (z. B. Betriebe, Strom, Wasser, Wälder) gestimmt.

"Der WTO geht es nur darum, die Unternehmen beim Geschäftemachen zu unterstützen, das ist ihre Eigendefinition," sagte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. "Uns geht um den Stopp der laufenden GATS-Verhandlungen. Die Lebensbedingungen der Menschen müssen verbessert werden, statt dass Konzerne damit Profite machen. Es geht uns aber auch darum, dass auf WTO- und GATS-Ebene ILO-Kernarbeitsnormen wie das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Versammlungsrecht der Gewerkschaften, Verbot der Zwangsarbeit und Verbot der Kinderarbeit verankert werden." Das GATS werde in völlig undemokratischer Weise verhandelt, es bedrohe Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Grundversorgung der Menschen auf vielfältige Weise und vertrete nur die Interessen großer Konzerne, führte Verzetnitsch die Kritikpunkte des ÖGB an.

Wilhelm Haberzettl, Vorsitzender der Gewerkschaft der Eisenbahner, kritisierte die Rolle von Wirtschaftsminister Bartenstein in den GATS-Verhandlungen: "Als Arbeitsminister hätte er die Aufgabe, die Arbeitsplätze und auch die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die durch das GATS bedroht sind, zu schützen. Statt dessen setzt Bartenstein in Österreich eins zu eins die Intentionen der WTO, ausschließlich großen Konzernen in die Hände zu spielen, um und verharmlost die negativen Folgen. Gerade im Verkehrsbereich sehen wir, wie verheerend sich Liberalisierungen auswirken können."

Der ÖGB fordert den sofortigen Stopp der laufenden GATS-Verhandlungen und die Evaluierung der Auswirkungen der bisher im Rahmen der WTO erfolgten Liberalisierungsschritte. Außerdem muss im Rahmen der WTO sicher gestellt werden, dass mit elementaren öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitswesen, Wasser, kommunale Dienstleistungen, öffentlichem Wohnbau oder Verkehr auch in Zukunft kein Handel getrieben wird. Von Wirtschaftsminister Bartenstein verlangt der ÖGB die umgehende Veröffentlichung der Liberalisierungsabsichten der österreichischen Bundesregierung und der EU und die Veröffentlichung der Liberalisierungsforderungen anderer WTO-Staaten an die EU bzw. an Österreich. Verzetnitsch fordert außerdem, dass der Wirtschaftsminister nicht ohne Auftrag des österreichischen Nationalrates verhandeln dürfe.

Der ÖGB gehört einem breiten Bündnis in Österreich an, das sich für den Stopp der GATS-Verhandlungen einsetzt. Er ist gemeinsam mit ATTAC, Greenpeace, ÖH und der Armutskonferenz Träger einer Kampagne, der sich schon über 50 Organisationen als Unterstützer angeschlossen haben, darunter auch zahlreiche Fachgewerkschaften.

 

 BMWA: Fehlinformationen über GATS werden fortgesetzt
Keine Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen - Signal an die Entwicklungsländer
Wien (bmwa) - Die Fehlinformations- und Verunsicherungspolitik des ÖGB und verschiedener NGOs wurde mit der heutigen Veranstaltung fortgesetzt. Tatsache ist, dass der Entwurf für eine Angebotsliste der EU die öffentlichen Dienstleistungen ausnimmt. Dieser Entwurf wurde bereits dem Parlament, den Sozialpartnern und Interessensvertretungen sowie allen betroffenen Ministerien übermittelt und wird in den nächsten Wochen intensiv diskutiert. Ziel dabei ist es, gemeinsam eine österreichische Position zu erarbeiten.

Das BMWA betont neuerlich, dass das GATS weder die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Dienste beeinträchtigt, noch in irgendeiner Weise öffentliches Eigentum in Frage stellt. Auch in liberalisierten Bereichen behalten die Mitgliedstaaten ihre volle Regelungsbefugnis. Ständige Verweise auf Privatisierungen im sozialdemokratisch regierten Großbritannien ändern nichts an der Tatsache, dass das GATS keinen Einfluss auf die Entscheidung eines Mitgliedstaates nimmt, ob eine Leistung öffentlich oder privat erbracht wird.

 

 Mitterlehner: GATS-Verhandlungsstopp würde Österreichs Wirtschaft schaden
Privatisierungen sind nicht Gegenstand von GATS
Wien (pwk) - Die Wirtschaftskammer Österreich spricht sich gegen einen von der Gewerkschaft geforderten Verhandlungsstopp des GATS aus. "Die österreichische Dienstleistungswirtschaft ist international wettbewerbsfähig, wie dies auch eine positive österreichische Dienstleistungsbilanz belegt. Vom Volumen her macht der Dienstleistungsexport rund die Hälfte des Warenexports aus. Österreich belegt damit den ausgezeichneten 13. Rang im weltweiten Dienstleistungshandel. Ein genereller Ausstieg aus den Verhandlungen würde bedeuten, dass sich Österreich der Chance entledigt offensive Exportinteressen besser wahrnehmen zu können," weist WKÖ-Generalsekretärstellvertreter Reinhold Mitterlehner hin. "Der Export ist gerade in Zeiten gebremster Inlandsnachfrage Österreichs Konjunktur-, Wohlstands- und Beschäftigungsmotor Nummer eins." Klar sei, dass jeder Liberalisierungsschritt sorgfältig geprüft und vorbereitet werden muss. Die WKÖ achte bei der Begutachtung der EU-Angebotsliste sehr wohl auf die Wahrung der österreichischen Interessen.

Wie oft fälschlicherweise von Globalisierungsgegnern behauptet, seien Privatisierungen nicht Gegenstand des GATS-Vertrages, stellt Mitterlehner klar. "Liberalisierungen bedingen nicht automatisch Privatisierungen. Privatisierung heißt, dass Eigentum der öffentlichen Hand an Private veräußert wird. Die Privatisierungsentscheidung ist weiterhin ausschließlich Angelegenheit jedes Nationalstaates."

GATS ist ein Liberalisierungsabkommen für den internationalen Dienstleistungshandel. Es umfasst alle Sektoren der Wirtschaft, die auch alle Verhandlungsgegenstand sind. Der öffentliche Dienstleistungsbereich ist nur ein Teil davon und in der aktuellen Verhandlungsrunde von der EU und damit auch von Österreich ausgeklammert.

"Das GATS-Abkommen ist auch nur sehr bedingt mit dem GATT-Abkommen vergleichbar, da es wesentlich flexibler ist", so Mitterlehner weiter. "Jedes WTO-Mitglied kann frei über die Liberalisierungstiefe und über die zu liberalisierenden Sektoren wählen. Darüber hinaus kann es sich Beschränkungen bei der Inländerbehandlung individuell ausverhandeln."
     
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