Ökopunktesystem für Lkw in Österreich  

erstellt am
12. 02. 03

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Ökopunktesystems für Lastkraftwagen
Straßburg (eu-int)
- Der italienische Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Luciano Emilio CAVERI, Fraktion der Liberalen und Demokratischen Partei Europas, berichtete am Dienstag (11. 02.) über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Ökopunktesystems für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich für das Jahr 2004 (Verfahren: Mitentscheidung 1. Lesung).

Erklärung der Kommission:
Laut Kommissarin Loyola de PALACIO kann das Ökopunktesystem langfristig die Probleme nicht lösen. Zwar seien einige Verbesserungen vorgenommen worden, z. B. im Bereich des Punktesystems, der Verschmutzung oder der Ausnahmeregelungen, jedoch könne dies nur ein Übergang und nicht die endgültige Lösung darstellen.

Berichterstatter:
Für Luciano Emilio CAVERI (LIBE, I) handelt es sich um eine europäische Frage, auch wenn hauptsächlich italienische und österreichische Abgeordnete an der Debatte teilnehmen. Der vorliegende Fall Österreichs sei die Konsequenz einer europäischen Transportpolitik, die von Grund auf geändert werden müsse. Es bedürfe einer ausgewogenen Lösung zwischen Freihandel und Binnenmarkt auf der einen Seite und Umweltschutz, Sicherheit der Menschen und Nachhaltigkeit auf der anderen Seite. Die Probleme Österreichs könnten auch auf andere Bergregionen übertragen werden. Der Transportverkehr sei unaufhaltsam gestiegen und werde nach der Erweiterung weiter steigen. Das historische System der Ökopunkte laufe demnächst aus und der Rat habe hierfür eine Lösung gefunden, die die Kommission als virtuelle Lösung bezeichnet, d. h. nicht real von der Zahlensituation her. Die Kommission fordere eine Rechtsgrundlage für die Zukunft und insbesondere ein bindendes Transportprotokoll, durch das die Verkehrsströme in der Alpenregion in den Griff bekommen werden.

Der Verkehrsausschuss habe nun eine ausgewogene Lösung gefunden. Diese Lösung gehe über die Logik der Ökopunkte hinaus und gelte bis 2006. Man schlage eine Modulationslösung mit einer Kontingentierung für die Jahre 2004 bis 2006 vor. Diese werde 2005 und 2006 zu Euro-2-, 3- und 4-Lkws führen. Sensible Alpenregionen müssten geschützt werden, nicht nur in Österreich. Die Lösung sei ein Ausgangspunkt, der auf weitere Zonen ausgeweitet werden müsse.


Vertreter der Fraktionen:
Karla PEIJS (EVP-ED, NL) meinte, das alte System solle nicht fortgesetzt werden; es sei diskriminierend. Es dürfe keine Kontingentierung geben. Der neue Vorschlag versuche einen Ausgleich der Interessen. Die Anliegen der Österreicher seien verständlich; deswegen dürften die am stärksten verschmutzenden Lkw nicht durch die Alpen fahren. Neue, sauberere Lkw sollten begünstigt werden. Österreich solle mehr Züge auf die Schiene setzen und am Brenner-Basis-Tunnel arbeiten.

Giovanni FAVA (SPE, I) kritisierte, die Haltung des Rates sei formalistisch und unverständlich. Von Italien und Österreich werde sie nicht akzeptiert. Ausnahmeregelungen für Portugal und Griechenland seien nicht nachvollziehbar. Man verlängere ein Übergangssystem; dies sei keine natürliche Lösung. Es fehle eine natürliche Lösung, wie sie z. B. ein neuer Brenner-Tunnel oder die Intermodalität bringen könne.

Herman VERMEER (LIBE, NL) setzte sich dafür ein, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen; aber das österreichische Modell empfinde er als diskriminierend. Einer Verlängerung des Regelwerks bis 2006 könne er nicht zustimmen. Schließlich gebe es neben den österreichischen Alpen auch noch andere sensible Regionen, wie z. B. die Pyrenäen, die dann auch einem besonderen System unterworfen werden müssten. Er verlangte, schadstoffarme Fahrzeuge sowie Tunnelbau und Eisenbahn zu fördern und nur problematische Zonen mit Regeln zu versehen.

Erik MEIJER (KVEL/NGL, NL) bezog sich auf die Schweiz, wo der Durchgangsverkehr für den Aufbau des Bahnnetzes zahlt. Österreich habe durch seinen EU-Beitritt eine Durchfahrtsregel, der das Land unter Druck zugestimmt habe. Man müsse den neuen Regeln misstrauen. "Wenn man unter dem Brenner keinen Tunnel baut, wird auf gar keinen Fall eine Lösung erreicht."

Raina Mercedes ECHERER (GRÜNE/EFA, A) wandte sich gegen die Betrachtung, dass Österreich und die Ökopunkte als "sture Interessenvertretung" betrachtet werden. Entgegen Hermann Vermeer hält sie den gesamte Alpenraum für eine Problemzone, für den eine europäische Lösung gefunden werden muss. Bislang bestünden noch keine spezifischen Maßnahmen für sensible Regionen. Darum wolle man den Verkehrs- und Gesundheitsproblemen gerecht werden und Belastungsgrenzen bestimmen. Auch wolle man Vorschläge für alle sensiblen Zonen schaffen.

Daniela RASCHHOFER (FL, A) war der Auffassung, durch den Bericht Caveri werde das Ökopunktesystem ausgehöhlt. Änderungsantrag 18 sei zu unterstützen. Auch Österreich gehe es um eine nachhaltige Lösung und nicht um die ewige Verlängerung des Ökopunktesystems.

Weitere deutschsprechende Abgeordnete:
Reinhard RACK (EVP-ED, A) erinnerte daran, dass der Beitritt Österreichs von einer Transitregelung abhängig gemacht wurde. Man wolle nicht ewig eine Sonderregelung, sondern eine nachhaltige Verkehrspolitik, bei der auch auf die Anrainer Rücksicht genommen wird. Die geplante Wegekostenrichtlinie solle ja auch die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur gebührenpflichtig machen. Es dürfe keine Lücke zwischen dem jetzigen und dem zukünftigen System geben.

Hannes SWOBODA (SPE, A) widersprach der Einschätzung Caveris, dass der Bericht ausgewogen sei. Nicht nur als Österreicher wolle er eine dauerhafte Verkehrslösung; es gehe nicht nur um den Transitverkehr, auch wenn durch diesen eine besondere Belastung entstehe.

Auf der Brenner-Achse gebe es 36 Millionen Tonnen freie Frachtkapazität auf der Bahn - an fehlenden Bahnkapazitäten liege es also nicht. "Es kann doch nicht sein, dass nur die Schweiz die Möglichkeit hat, eine Maut zu erheben und das Geld in den Tunnelausbau zu stecken", sagte Swoboda. Die Schweiz werde von den Kollegen schon wieder aus dem Bericht herausgestrichen, denn sie habe eine "zu radikale" Umweltpolitik. Eventuell sei Österreich der Vorreiter für eine neue Verkehrspolitik.

Hans KRONBERGER (FL, A) wies darauf hin, dass die nachhaltige Schadstoffreduzierung, die im Protokoll von 1992 zwischen der EG und Österreich vorgesehen sei, bis heute nicht erreicht worden sei. Stattdessen habe sowohl der Transit als auch die Schadstoffbelastung zugenommen. Es müsse nun eine Übergangslösung gefunden werden, wobei er eine Transitnachfolgelösung befürworte. Der Bericht von Caveri werde eine dramatische Emissionssteigerung durch den Transitverkehr zur Folge haben. Er stelle eine Verschlechterung gegenüber den Vorschlägen von Kommission und Rat dar. Das EP habe die Aufgabe, Bürgerinteressen wahrzunehmen. Wenn es dies nicht tue, so werde die Bevölkerung versuchen, ihre Rechte durch Straßenblockaden zu erreichen.

Georg JARZEMBOWSKI (EVP-ED, D) erklärte, er verstehe seine österreichischen Kollegen nicht. Der Bericht Caveri sehe eine vernünftige Übergangslösung für drei Jahre vor. Darüber hinausgehende "Sonderwürste" Österreichs seien nicht zu rechtfertigen. Er lehnte die Vorschläge der Kommission und des Rates ab, nicht nur für österreichische Bergregionen, sondern für Gesamtösterreich eine Sonderregelung vorzusehen. Mit dem Bericht von Caveri komme man den Interessen der österreichischen Bevölkerung weitgehend entgegen. Er stelle einen guten Kompromiss zwischen den Interessen von 360 Millionen Unionsbürgern und weniger als zehn Millionen österreichischen Bürgern dar.

Markus FERBER (EVP-ED, D) akzeptiert Österreichs Anspruch auf Verlängerung der Ausnahmeregeln. Er erwarte für den Bericht eine große Mehrheit im Parlament. Jedoch sei der Umgangs- und Verlagerungsverkehr nicht hinnehmbar. Nur 11 % des Verkehrs sei in Österreich ökopunktepflichtig. "Es geht Österreich um die Stärkung der eigenen Fuhrunternehmen über die Ökopunkteregelung. Interessenvertretung einer Region ist aber nicht die Aufgabe der Europäischen Union", schloss der Abgeordnete.

Marialiese FLEMMING (EVP-ED, A) kritisierte, dass Äpfel zum Schälen nach Italien und wieder zurück transportiert würden und so viele Leerfahrten stattfänden. Die Transitfahrten durch Österreich hätten um 50 % zugenommen. Die Menschen entlang den Transitstrecken seien verzweifelt. Das Ökopunktesystem sei ja schon ein Kompromiss gewesen. Der Caveri-Bericht sei das "erschütternde Ergebnis eines beinharten Lobbyismus", wie sie ihn vorher noch nie erlebt habe. Sie könne die Namen mehrerer Kollegen nennen, die in bilateralen Gesprächen Verständnis für die Position Österreichs hätten, aber fürchteten: "Was sollen wir denn tun, unsere Frächter bringen uns doch um!"

Elisabeth JEGGLE (EVP-ED, D) erklärte, es handele sich um eine Verlängerung einer Ausnahmeregelung. Diese sei an die Bedingung geknüpft gewesen, die Infrastruktur voranzubringen. Es müsse klar sein, dass die Ausnahmeregelung spätestens 2006 ausläuft. Das geltende System müsse geändert werden. Das Ökopunktesystem dürfe nur im Alpenraum gelten. Lkw der Klasse 3 und 4 sollten vollkommen ausgenommen werden.

Vertreter der Kommission:
Kommissarin Loyola de PALACIO fand, dass alle Interessen legitim seien, sich aber teilweise widersprechen. Am 31.12.2003 läuft die Regelung für Österreich aus. Es gelte daher, baldmöglichst eine Übergangsregelung zu finden. Die anderen Mitgliedstaaten wollen Österreich auch bei Fragen der Freizügigkeit im europäischen Raum unterstützen. Die Kommission begrüße daher eine Ausnahmeregelung für höchstens drei Jahre. Damit solle nicht die Beibehaltung des Systems erreicht werden. "Ich möchte den Übergang vom Ökopunktesystem zu einem gemeinsamen System für alle Staaten der EU." Sie begrüßte die Kompromissvorschläge des Berichterstatters: Transitverbot für die Lkws, die stark verschmutzen, Befreiung vom Punktesystem für saubere Lkws und Einführung eines Jahressystems mit einer Gesamtdauer von maximal drei Jahren. Problematisch seien dahingegen die Vorschläge, die die Anwendung nur auf die österreichischen Alpen bezögen sowie Vorschläge, die den Ausschluss bestimmter Pässe aus dem Regelungssystem zur Grundlage hätten. Auch die Anzahl der Ökopunkte für einzelne Länder, die Kontingentierung und die Wiederaufnahme der "108 %" hielt sie für problematisch. Sechs Änderungsanträge seien akzeptabel: 1, 5, 11, 12 sowie der erste Satz von 15 und 18. Weiterreichende Lösungen würden sich mit dem Bau des Brennertunnels und der Intermodalität von Schiene und Straße ergeben. "Die Kommission wird den EP-Bericht berücksichtigen und hofft auf eine Lösung zwischen den Institutionen."
 
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