Paris (esa) - Die Europäische Weltraumorganisation stellt den ersten Vorsitzenden beim "International
Living With a Star Programme" (ILWS), eine neue Initiative von Raumfahrtagenturen aus aller Welt, die klären
soll, wie Schwankungen der Sonnenaktivität auf kurze und lange Sicht die Umwelt auf der Erde und den anderen
Planeten beeinflussen. Dabei wird sich das ILWS besonders mit den Aspekten des Sonne-Erde-Systems befassen, die
sich auf die Menschheit und die Gesellschaft auswirken können. An diesem einzigartigen Gemeinschaftsvorhaben
sind Europa, die Vereinigten Staaten, Rußland, Japan und Kanada beteiligt.
Die Sonne ist ein variabler Stern. Die von ihr ausgesandte Strahlungsmenge ändert sich ständig, vor allem
bei Wellenlängen, die wir nicht sehen können, wie z.B. im Ultraviolettbereich. Von ihr geht auch ein
stürmischer Teilchen-"Wind" aus, der sogenannte Sonnenwind, der das Magnetfeld der Erde verwirbelt.
Plötzliche Änderungen im Sonnenwind können zum Ausfall von Nachrichtensatelliten und zu Unterbrechungen
in der Stromversorgung auf der Erde führen und den Gesundheitszustand von Flugpassagieren in großen
Höhen beeinträchtigen. Langsame Veränderungen der Sonnenstrahlung oder selbst des Sonnenwinds könnten
überdies zu Klimaänderungen beitragen. Eine genauere Kenntnis dieser Phänomene ist daher auf unterschiedliche
und manchmal unerwartete Weise von Bedeutung.
Das ILWS sieht ab 2003 den Start unterschiedlicher Missionen über einen rund zehnjährigen Zeitraum vor.
Durch Bündelung der Daten der bisher größten Flotte von Raumfahrzeugen wird das ILWS erstmals einen
Gesamtüberblick über die Wechselwirkungen zwischen Sonne und Erde vermitteln und damit ein umfassendes
Verständnis dieser Vorgänge ermöglichen. Es wird sich auch mit den Auswirkungen der Sonne auf andere
Planeten befassen.
Ausgangspunkt des Programms bilden die laufenden Missionen "SOHO" und "Cluster" der ESA. Noch
in diesem Jahr soll in Zusammenarbeit mit China eine Weltraummission namens "Double Star" gestartet werden,
die die Mission "Cluster" ergänzen soll. In etwa zehn Jahren dürfte die geplante ESA-Mission
"Solar Orbiter" im Mittelpunkt des Interesses stehen, die der Sonne näher kommen soll, als bei allen
bisherigen Missionen der Fall war. In der Zwischenzeit wird die ESA bei Missionen anderer Agenturen zu einer optimalen
Datenausbeute beitragen; so verhandelt sie gegenwärtig über die Bereitstellung von Bodenstationen für
die japanische Mission "Solar-B" (Start 2005) und zieht eine Beteiligung an den NASA-Missionen "STEREO"
(Start 2005) und "Solar Dynamics Orbiter" (Start 2007) in Betracht.
Auch werden ESA-Missionen zu erdähnlichen Planeten - "Mars Express" (Start 2003), Venus Express"
(Start 2005) und "BepiColombo" zum Merkur (Start 2011/2012) - Instrumente mitführen, die der Untersuchung
der Wechselwirkungen des Sonnenwinds mit den betreffenden Planeten dienen.
Hermann Opgenoorth, der neu ernannte Leiter der ESA-Abteilung Sonnen- und solar-terrestrische Missionen, wird in
den ersten zwei Jahren den Vorsitz im ILWS-Lenkungsausschuß führen. "Der Erforschung der Sonne
und ihres Einflusses auf die Erde kommt ohne Zweifel große Bedeutung zu", meint er, "aber diese
Aufgabe kann keine Raumfahrtagentur allein bewältigen."
Anmerkungen für die Redaktionen:
Das neue ILWS-Programm baut auf einem früheren internationalen Gemeinschaftsvorhaben zwischen Europa, Japan,
Rußland und den USA auf, das zur Erforschung der Sonne und ihres Einflusses auf die Erde bestimmt war. Der
Beitrag der ESA zu diesem "Internationalen Programm zur Physik der solar-terrestrischen Wechselbeziehungen"
(ISTP) bestand unter anderem in den Missionen "SOHO" und "Cluster". Bei dem ILWS ist auch die
kanadische Raumfahrtagentur CSA mit von der Partie.
Das neue Programm wurde auf einem Treffen zwischen Vertretern der beteiligten Raumfahrtagenturen vom 4. bis 6.
September 2002 in Washington offiziell in Gang gesetzt. Es soll von einem internationalen Lenkungsausschuß
aus Vertretern dieser Agenturen - die Nationale Luft- und Raumfahrtorganisation der USA (NASA), die Europäische
Weltraumorganisation (ESA), das japanische Institut für Weltraumwissenschaft und Astronautik (ISAS), die Russische
Luft- und Raumfahrtagentur (Rosaviacosmos) und die kanadische Raumfahrtagentur CSA - überwacht werden.
Sondervorhaben sollen von einer ILWS-Arbeitsgruppe koordiniert werden, an deren erster Sitzung, die am 14. und
15. April im französischen Nizza stattfindet, mehr als zwanzig Raumfahrteinrichtungen teilnehmen wollen. Zu
den Beiträgen dieser Einrichtungen gehören Missionen, Nutzlasten, Untersysteme, Start- und Bahnverfolgungsdienste,
Höhenforschungsraketen und ?ballons sowie der ungehinderte Zugang zu Datenquellen. |