Enquete »GATS-Chance oder Risiko?«  

erstellt am
03. 03. 03

Bartenstein: GATS bietet Chancen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum
Wien (bmwa) - Der Entwurf der Europäischen Kommission über mögliche Marktöffnungen im Dienstleistungsbereich im Rahmen des GATS (General Agreement on Trade in Service), der derzeit intensiv diskutiert wird, gehe in die richtige Richtung. Das GATS biete sowohl für Industriestaaten als auch für Entwicklungsländer Chancen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und stelle somit eine win-win Situation dar. Das Abkommen würde bei stärkerer Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, die mehr Sicherheit und faire Chancen für österreichische Unternehmen beim Export bringen, betonte Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein anlässlich der Enquete "GATS-Chance oder Risiko?", an der Vertreter der Parlamentsklubs, der Sozialpartner, betroffener Bundesministerien sowie von Nichtregierungsorganisationen teilnehmen.

Bei der Enquete referierten der stv. Generaldirektor der WTO, Rufus YERXA, über den aktuellen Stand der Dienstleistungsverhandlungen in Genf, der Generaldirektor der GD Handel der Europäischen Kommission (EK), Peter M.Carl, erläutert die Position der EU in diesen Verhandlungen.

Das GATS - Abkommen, das vom österreichischen Parlament in einer Vierparteieneinigung beschlossen wurde, ist seit 1995 in Kraft und sieht schon seit damals Liberalisierungsverpflichtungen für Österreich in zahlreichen Sektoren, wie etwa Geschäftsdienstleistungen, Telekommunikation, Baudienstleistungen, Finanzdienstleistungen oder auch im primären und sekundären Bildungssektor, vor. Auch in nicht liberalisierten Bereichen, wie etwa den Universitäten, bestehen schon heute öffentliche und private Anbieter nebeneinander. Öffentliche Dienstleistungen waren und bleiben jedoch von einer GATS - Liberalisierung ausgeschlossen.

Die Verhandlungen über weitere Liberalisierungen des Handels mit Dienstleistungen im Rahmen des GATS sind in letzter Zeit verstärkt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt und sehen sich wachsender Kritik ausgesetzt. Das GATS wird vielfach für Missstände verantwortlich gemacht, seien es fehlgeschlagene Privatisierungen oder unabhängig vom GATS erfolgte Deregulierungen sowie der Rückzug der öffentlichen Hand von bestimmten Bereichen, die eindeutig außerhalb seines Regelungsrahmens liegen.

Derzeit wird EU-intern ein erster Entwurf für ein Angebot von den EU-Mitgliedstaaten beraten. Im Rahmen dieser Begutachtungsphase haben die EU-Mitgliedstaaten die Gelegenheit, ihre Wünsche und Vorstellungen in die innergemeinschaftliche Diskussion einzubringen. Nach Abschluss dieses Prozesses ist geplant, das EU-Angebot fristgerecht (31.3.2003) in der WTO vorzulegen.

Nicht nur der Handel mit Gütern, sondern zunehmend auch der internationale Handel mit Dienstleistungen sei eine wichtige Quelle für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass dadurch weltweit mit einem Wohlstandsgewinn von rund 130 Milliarden Euro zu rechnen sei. Davon würden besonders auch die Entwicklungsländer profitieren. Wer für "fair trade" mit den Entwicklungsländern sei könne daher nicht gegen das GATS sein, betonte Bartenstein.

Aber auch für Österreich sieht der Wirtschaftsminister Vorteile durch das GATS durch die Schaffung klarer Rahmenbedingungen für ausländische Dienstleistungsanbieter und bessere Voraussetzungen für durch Rechtssicherheit für österreichische Dienstleistungsanbieter am internationalen Markt.

Für Österreich und für die österreichische Volkswirtschaft ist der Dienstleistungssektor von größter wirtschaftlicher Bedeutung. 65 % des BIP wird durch den Dienstleistungssektor erbracht. 33 % entfallen auf die Industrieproduktion und 2 % auf die Landwirtschaft. Mit einem Anteil von 2,1 % an den weltweiten Dienstleistungsexporten liegt Österreich in der Rangliste der Dienstleistungsexporteure an 13. Stelle. Wertmäßig beliefen sich die österreichischen Dienstleistungsexporte 2001 auf ca. 37 Mrd. Euro. Davon entfielen beispielsweise 31,1 % auf den Reiseverkehr (Tourismus), 15,1 % auf Transportdienstleistungen, 5 % auf Finanzdienstleistungen (Banken, Versicherungen) und 2 % auf Baudienstleistungen. 25 % sind statistisch nicht differenzierbar. Zum Vergleich: Bei den Warenexporten liegt Österreich an 24. Stelle.

Österreich profitiert überproportional vom Außenhandel: Jeder dritte Arbeitsplatz wird durch Exporte gesichert, 36,5 % des BIP werden im Außenhandel erwirtschaftet.

Internationale Rahmenbedingungen seien für die Wirtschaft in dem ständig wachsenden Dienstleistungsmarkt von großer Bedeutung. Dadurch könne Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in den internationalen Handelsbeziehungen gerade für kleine Staaten und Unternehmen gesichert werden, sagte Bartenstein.

Wasserressourcen bleiben in österreichischer Hand
Die von den GATS - Gegnern erhobene Behauptung, dass das GATS den Ausverkauf unseres Wassers in Ausland bringe, sei völlig falsch, betonte der Minister. Österreich habe mit und ohne GATS die völlige Verfügungsgewalt über seine Wasserressourcen. Das Handelsabkommen beziehe sich nur auf Dienstleistungen rund um das Wasser wie z.B. Kanalisation, Wasserleitungen usw. Jedem Land stehe es außerdem auch weiterhin vollkommen frei, derartige Dienstleistungen für den öffentlichen Handel freizugeben oder nicht.

Der Bereich der Wasserentsorgung gehört zu den Umweltdienstleistungen; hier hat sich Österreich bereits 1994 weitgehend verpflichtet, weshalb weitere Liberalisierungsangebote aus jetziger Sicht nicht erforderlich erscheinen. Der Bereich der Wasserversorgung soll hingegen weiter in nationaler Hand bleiben; hier enthält der EU - Entwurf auch keine Angebote.

Bartenstein strich weiter hervor, dass die EU in den Bereichen Gesundheit, Bildung und audiovisueller Sektor keine Liberalisierung vorschlage und auch der Sektor öffentlicher Dienstleistungen zur Gänze ausgenommen sei. Damit sei klar, dass die Befürchtungen und Verunsicherungen der GATS-Gegner jeder sachlichen Grundlage entbehren, betonte der Minister.

Der innerösterreichische Meinungsbildungsprozess zum GATS werde nun wie bisher unter Einbeziehung der Sozialpartner und aller betroffener Ressorts fortgesetzt. Das Parlament werde weiterhin alle Unterlagen, seien es Berichte über die Sitzungen in Brüssel, oder die entsprechenden Verhandlungsunterlagen, zur Verfügung gestellt bekommen.

Die GATS-Verhandlungen seien Teil der in Doha beschlossenen WTO-Verhandlungsrunde ("Doha-Entwicklungsrunde"). Daher sollten die Interessen der Entwicklungsländer im EU - Angebot besonders Berücksichtigung finden, was durch den derzeitigen Entwurf gewährleistet schiene. Es sei zu erwarten, dass mit rechtzeitiger Vorlage der Angebote durch alle WTO-Mitglieder in den verschiedenen Verhandlungsbereichen die Verhandlungen an Dynamik gewinnen werde.

 

 Hoscher: Breitere Information über GATS erforderlich
Wien (sk) - Für einen deutlich breitere Informationsfluss in Bezug auf die GATS-Verhandlungen seitens der Bundesregierung sprach sich SPÖ-Abgeordneter Dietmar Hoscher Freitag (28. 02.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst aus. "Es geht nicht an, dass derartige Gespräche ohne breite öffentliche Diskussion ablaufen", betonte der Ökonom. Zwar sei derzeit offenbar in wesentlichen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Kultur, Wasser- und Energieversorgung sowie öffentlicher Verkehr keine zwingende Öffnung vorgesehen, dennoch müsse darauf besonderes Augenmerk gerichtet werden, zumal es vorerst um Verhandlungspapiere gehe, die Verhandlungsergebnisse aber gänzlich anders aussehen könnten. "Der gesamte GATS-Prozess muss daher laufend öffentlich begleitet und diskutiert werden", hielt Hoscher fest. "Wenn etwa im Hearing des Europäischen Parlaments im November 2002 festgestellt wurde, dass Wasser keine Ware und daher der Zugang zu Wasser als Rohstoff nicht in Debatte sei, wohl aber die entsprechenden Verteilungsdienstleistungen, so trägt dies nicht unmittelbar zur Beruhigung bei".

Große Probleme sieht Hoscher derzeit im Bereich der Dienstleistungsliberalisierung in Hinblick auf das sogenannte Kapitel "mode 4". Angesichts der dramatisch angespannten Arbeitsmarktlage in Österreich würde die mit "mode 4" verbundene weitere Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Billigarbeitskräfte wirtschafts- und sozialpolitisch fahrlässig sein. Vor allem unter dem Titel "Schulung" könnten derartige Arbeitskräfte bis zu einem Jahr in Österreich tätig werden und zum Lohndumping beitragen. "Unter dem Begriff "Schulung" lässt sich praktisch jede Tätigkeit einordnen", warnte der Wirtschaftsexperte.

"Die Bundesregierung hat im Interesse Österreichs dafür Sorge zu tragen, dass eine Ausweitung der Liberalisierung im Bereich "mode 4" abgelehnt wird und die Bereiche der Daseinsvorsorge, der Universaldienste sowie im öffentlichen und gesellschaftspolitischen Interesse liegende Aufgabenerfüllungen der öffentlichen Hand geschützt bleiben", schloss Hoscher.

 

 Verzetnitsch zu GATS: "Forderungen des ÖGB nicht erfüllt"
Weiter keine transparenten Verhandlungen
Wien (ögb) - "Die Forderungen des ÖGB zu den GATS-Verhandlungen wurden nicht erfüllt. Viele Fragen blieben unbeantwortet", stellt ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch im Anschluss an die GATS-Enquete am Freitag (28. 02.) fest. Diese vom Wirtschaftsministerium einberufene Veranstaltung, bei der Minister Martin Bartenstein durch Abwesenheit glänzte, behandelte wichtige Zukunftsaspekte für Österreich. "Wir beharren weiter auf unseren Forderungen und verlangen mehr Transparenz über den Verhandlungsablauf. Bevor liberalisiert wird, müssen die Auswirkungen evaluiert werden und das österreichische Angebot offen gelegt werden", so der ÖGB-Präsident.

"Die Auswirkungen auf die Arbeitsmarktliberalisierung blieben ebenso unbeantwortet wie soziale Dimensionen", so Verzetnitsch. Die Arbeitslosigkeit ist gegenwärtig das große Problem. Eine Öffnung des Arbeitsmarktes ist gerade bei kurzfristigen Entsendungen besonders problematisch. Die ArbeitnehmerInnen halten sich nur kurz auf. Dass sie entsprechend entlohnt und gleichbehandelt werden wie österreichische ArbeitnehmerInnen, ist in der Praxis fast nicht kontrollierbar. Die Praxis zeigt, dass gerade bei Entsendung im Rahmen der Dienstleistungserbringung schwerwiegende Missbräuche fast schon die Regel sind.

"Auf der Enquete wurde nicht beantwortet, was bei GATS in den nächsten Monaten politischer Wille ist", so Verzetnitsch abschließend.

Die Forderungen des ÖGB im Detail:

  • Stopp der laufenden GATS-Verhandlungen und eine Evaluierung der Auswirkungen bisher im Rahmen der WTO erfolgten Liberalisierungsschritte auf die ArbeitnehmerInnen.
  • Arbeitsmarkt: Keine weitere Liberalisierung im Bereich des Arbeitsmarktes und keine Abgabe von Gestaltungsspielraum.
  • Soziale Dimension: Verankerung der ILO-Kernarbeitsnormen (Verbot der Zwangsarbeit, Verbot der Kinderarbeit, Recht auf Vereinigungsfreiheit und Versammlungsrecht der Gewerkschaften) in den WTO-Abkommen inklusive eines Streitbeilegungsverfahrens.
  • Eindeutige Ausnahme für öffentliche Dienstleitungen: Sicherstellung im GATS-Abkommen, dass auch in der Zukunft elementare öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitswesen, Wasser, Sozialversicherungsbereich, kommunale Dienstleistungen, öffentlicher Wohnbau oder öffentlicher Verkehr ausgenommen sind.
  • Veröffentlichung der Liberalisierungsabsichten der österreichischen Bundesregierung und Beschluss durch das österreichische Parlament bevor die Liste nach Genf übermittelt wird.
     
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