Untersuchungsausschuss als Minderheitsrecht nach wie vor umstritten
Wien (PK) - Die Frage, ob auch eine Minderheit von Abgeordneten die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses
erzwingen können soll, war am Mittwoch (26. 02.) eines der zentralen Themen einer
Diskussion im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates über eine Geschäftsordnungsreform. Während
sich SPÖ und Grüne dezidiert dafür aussprachen, blieb die ÖVP bei ihrer ablehnenden Haltung.
Abgeordnete Maria Fekter bekräftigte, die Regierungsfraktionen hätten "kein gesteigertes Interesse",
die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu einem Minderheitsrecht zu machen, und erklärte, die Meinung
der ÖVP werde sich nicht so rasch ändern. Auch die von der SPÖ vorgeschlagene Öffentlichkeit
von Ausschussberatungen stieß bei ÖVP und FPÖ auf Skepsis. Alle vier Parteien zeigten sich aber
über eine Weiterentwicklung der Geschäftsordnung gesprächsbereit und verwiesen auf die Wichtigkeit
von parlamentarischen Minderheitsrechten und der Transparenz parlamentarischer Prozesse.
Grundlage für die Diskussion im Ausschuss bildeten die von der SPÖ bzw. den Grünen eingebrachten
Anträge 3/A, 15/A, 22/A, 30/A, 31/A und 32/A. Geht es nach den beiden Parteien, soll künftig nicht nur
dann ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, wenn es der Nationalrat mehrheitlich beschließt, sondern
auch, wenn ein Drittel der Abgeordneten (Vorschlag SPÖ) bzw. zwanzig oder alle Abgeordneten eines Klubs (Vorschlag
Grüne) dies verlangen. Weiters spricht sich die SPÖ für die grundsätzliche Öffentlichkeit
von Ausschussberatungen und für eine Änderung der Modalitäten für die Fragestunde aus - diese
soll, indem auf die vorherige schriftliche Einbringung von mündlichen Anfragen verzichtet wird, lebendiger
und spontaner werden.
Um das politische Engagement Jugendlicher zu fördern, will ihnen die SPÖ künftig ab dem 16. Lebensjahr
gestatten, an den Nationalrat gerichtete Bürgerinitiativen zu unterzeichnen. Zudem soll sich der Ausschuss
für Petitionen und Bürgerinitiativen in Hinkunft auch mit den Berichten der Volksanwaltschaft befassen,
wobei die Volksanwaltschaft das Recht erhalten soll, zusätzlich zu den Jahresberichten Einzelberichte über
besondere Wahrnehmungen vorzulegen.
Den Grünen ist es ein wichtiges Anliegen, dass dem Nationalrat zugewiesene Volksbegehren nach Wahlen und der
damit verbundenen Beendigung der Gesetzgebungsperiode nicht verfallen, sondern vom neuen Nationalrat weiter behandelt
werden.
Eingeleitet wurde die Diskussion im Ausschuss von Zweitem Nationalratspräsidenten Heinz Fischer (S),
der darauf hinwies, dass sämtliche acht Novellierungen der Geschäftsordnung seit 1970 einen gemeinsamen
Nenner gehabt hätten, nämlich die Stärkung von Minderheitsrechten und den Ausbau von Kontrollrechten.
Dieser Weg müsse fortgeführt werden. Es wäre, sagte Fischer, "eigenartig und eigentlich kein
Ruhmesblatt", wenn man diesen Weg unter der jetzigen politischen Konstellation nicht fortsetzen würde,
gerade auch, weil die FPÖ in ihrer Oppositionszeit stets den Ausbau von Kontroll- und Minderheitsrechten gefordert
habe.
Zur Frage der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen merkte Fischer an, es müsse sichergestellt werden,
dass dieses Instrument weiterhin ein Kontrollinstrument bleibe, wie es auch in der Vergangenheit immer wieder Untersuchungsausschüsse
zur Kontrolle der Regierung gegeben habe. Jene, die an der Macht seien, müssten zulassen, dass umstrittene
Bereiche untersucht würden. Es bleibe schließlich ohnehin der Mehrheit des Nationalrates vorbehalten,
welche Konsequenzen aus einem Untersuchungsergebnis gezogen würden. Fischer erinnerte zudem daran, dass es
im Dezember 1999 bereits eine Einigung zwischen allen vier Parteien darüber gegeben habe, die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zu einem Minderheitsrecht zu machen.
Seitens der ÖVP hielt Ausschussvorsitzender Helmut Kukacka fest, es liege im Interesse des Parlaments
und aller Parteien, darauf zu achten, dass die bestehenden Kontrollrechte auch in Zukunft gewahrt bleiben und der
Parlamentarismus weiterhin einer entsprechenden Transparenz unterliege. Trotz gewisser grundsätzlicher Interessenunterschiede
zwischen den Regierungs- und den Oppositionsfraktionen zeigte er sich auch zuversichtlich, dass man in der Frage
der Weiterentwicklung der Geschäftsordnung zu einer Einigung kommt. Über etliche der Vorschläge,
die vorliegen, könne man, so Kukacka, diskutieren.
Kukackas Fraktionskollegin Abgeordnete Maria Fekter gab zu bedenken, dass in der Vergangenheit nicht nur die Kontroll-
und Minderheitsrechte im Nationalrat gestärkt worden seien, sondern zur Steigerung der Effizienz der Verhandlungen
auch Redezeitbeschränkungen eingeführt wurden. Ein wichtiges Anliegen für sie ist es, bei allen
Reformen der Geschäftsordnung stets auch auf die Außenwirkung zu achten. Vorstellen kann sich Fekter,
dass Volksbegehren künftig nicht mehr mit dem Ende einer Gesetzgebungsperiode verfallen, obwohl sie das Prinzip,
dass Gesetzesvorschläge und andere Vorlagen nach Wahlen neu eingebracht werden müssen, grundsätzlich
begrüßt.
Abgeordneter Dieter Brosz (G) machte geltend, dass es zwischen Geschäftsordnungsregelungen und
der politischen Praxis oft große Unterschiede gebe. So sei mit dem Recht auf Vertagung von Anträgen
in Ausschüssen seiner Auffassung nach sicher nie intendiert gewesen, Anträge der Opposition generell
"in der Schublade verschwinden zu lassen", um darüber nicht im Plenum diskutieren zu müssen.
Genauso sei die immer wiederkehrende Praxis, in letzter Minute umfangreiche Abänderungsanträge vorzulegen,
nicht unbedingt eine Frage von Geschäftsordnungsbestimmungen, sonder eine Frage des politischen Stils.
Generell plädierte Brosz für eine unvoreingenommene Herangehensweise an eine Geschäftsordnungsreform,
die Frage Regierung oder Opposition sei schließlich nicht etwas, auf das man sich auf alle Zeit verlassen
könne. Überdenken sollte man seiner Meinung nach auch die bestehende "Sitzungskultur", da die
derzeitige Praxis - wenige, dafür extrem lange Plenarsitzungen - zwangsläufig einen oft leeren Sitzungssaal
zur Folge habe. Was die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsrecht betrifft, versicherte Brosz,
niemand wolle einen unbeschränkten Zugang und "17 Untersuchungsausschüsse nebeneinander".
Sowohl Abgeordneter Heribert Donnerbauer als auch Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer (beide
V) wandten sich gegen eine generelle Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen. Donnerbauer sieht darin
die Gefahr, dass keine offenen Diskussionen und ernsthaften Verhandlungen mehr stattfinden, sondern nur noch fixe
Standpunkte ausgetauscht werden. Die eigentlichen Entscheidungen würden sich weg von parlamentarischen Gremien
weiter nach vorne verlagern in kleinere Kreise. Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer unterstrich, der Nationalrat solle
nicht "zu einer reinen Selbstdarstellungsanstalt" verkommen.
Abgeordnete Mares Rossmann (F) hält es, wie sie sagte, für erforderlich, von Zeit zu Zeit
die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu überprüfen, obwohl sie derzeit keine gravierenden Mängel
erkennen kann. Wie die Vertreter der ÖVP ist auch sie skeptisch in Bezug auf eine grundsätzliche Öffnung
der Ausschussberatungen für die Öffentlichkeit, da heikle Diskussionen ihrer Auffassung nach dann erst
recht hinter verschlossenen Türen geführt würden. Es sei der FPÖ aber immer ein Anliegen gewesen,
den Parlamentarismus möglichst transparent zu gestalten, betonte sie.
Wichtig ist es für Rossmann, dass Volksbegehren künftig auch nach Wahlen vom Nationalrat weiter behandelt
werden. Sie kann sich beispielsweise eine Regelung vorstellen, wonach die Proponenten eines Volksbegehrens eine
weitere Behandlung im neuen Nationalrat beantragen können. Bei der Fragestunde gilt es ihr zufolge, mehr auf
die Öffentlichkeit zu achten - viele Themen, die dort angesprochen würden, blieben für den Bürger
oft unverständlich. Allgemein hielt Rossmann fest, man müsse bei einer Reform der Geschäftsordnung
über die derzeitigen Kräfteverhältnisse hinaus denken.
Abgeordneter Johannes Jarolim (S) plädierte hingegen für eine grundsätzliche Öffentlichkeit
von Ausschussberatungen. Je öffentlicher die Diskussion, umso besser und kultivierter werde sie, argumentierte
er.
Nach dieser Generaldebatte wurden die Beratungen über die vorliegenden Anträge vertagt. Über den
weiteren Fahrplan der Beratungen werden die Fraktionsführenden eine gemeinsame Besprechung abhalten. |