SP und Grüne fordern Unterstützung Deutschlands und Frankreichs
Wien (pk) - Der Nationalrat leitete seine Plenarsitzung am Mittwoch (26. 02.)
mit einer Aktuellen Stunde ein, für die die Volkspartei das Thema "Österreich und die Europäische
Union - Herausforderung durch die Irak-Krise" gewählt hatte.
Abgeordneter Dr. SPINDELEGGER (V) ging zunächst auf die Befürchtungen der Bevölkerung
wegen drohender Auswirkungen eines Irak-Krieges auf Österreich ein und hielt dann die Grundsätze der
Volkspartei zum Thema Irak in fünf Punkten fest: Erstens gehe es um eine friedliche, politische Lösung
der Krise auf der Grundlage der UN-Resolution 1441. Der außenpolitische Sprecher der ÖVP sprach zweitens
die Gefahren an, die von Bagdad ausgehen. Der irakische Diktator verfüge über Massenvernichtungswaffen
und Raketen mit einer Reichweite von mehr als 100 Kilometern; überdies habe er bereits Giftgas zum Einsatz
gebracht. Daher sei es notwendig, dass die Waffen gefunden und unter Aufsicht vernichtet werden. Drittens sprach
sich der Abgeordnete dafür aus, dass die Vereinten Nationen die Drehscheibe für eine friedliche Lösung
des Irak-Konflikts bleiben müssten. Die Bemühungen des UN-Sicherheitsrates seien vollinhaltlich zu unterstützen.
Auch die USA haben sich an die Grundsätze der Vereinten Nationen zu halten, sagte Spindelegger, wobei er jedem
billigen Anti-Amerikanismus eine Absage erteilte. Die Irak-Krise zeige deutlich, dass Europa notwendiger denn je
eine gemeinsame Außenpolitik brauche. Europa müsse auf der Weltbühne mit einer Stimme sprechen
und seine Interessen mit entsprechendem Gewicht vertreten. Fünftens stellte Spindelegger klar, dass sich Österreich
an einem Krieg nicht beteiligen, sondern sich den Grundsätzen der Vereinten Nationen entsprechend verhalten
werde.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL sah in einer militärischen Auseinandersetzung eine dramatische
Gefahr für die Weltwirtschaft und warnte vor dem großen Risikopotential, das ein Irak-Krieg hätte.
Daher setze sich Österreich für den Frieden ein, wobei es der Bundeskanzler begrüßte, dass
es in dieser Frage keine Unterschiede zwischen den Fraktionen des Nationalrates gebe. Krieg dürfe nur das
letzte Mittel in einer Kette politischer Bemühungen sein, stellte Schüssel fest und erinnerte daran,
dass die Idee der Wiederzulassung von Waffeninspektoren im Irak in einem Wiener Treffen zwischen Kofi Annan und
dem Präsidenten der Arabischen Liga vor einem Jahr geboren wurde. Durch die Wiederaufnahme der Inspektionen
konnten Fortschritte erzielt werden, berichtete der Bundeskanzler, der aber gleichzeitig feststellte, dass das
irakische Regime eine umfassende Kooperation vermissen lasse. Es ist, so der Bundeskanzler, nicht tolerabel, dass
UN-Resolutionen vom Irak seit vielen Jahren nicht umgesetzt werden.
Hinsichtlich der österreichischen Politik verwies der Bundeskanzler auf den Beschluss des Nationalen Sicherheitsrates,
der unter anderem eine UN-Resolution als Voraussetzung für eine militärische Aktion bezeichnete, eine
Beteiligung österreichischer Soldaten an Kampfhandlungen ausschloss sowie verstärkte Anstrengungen zur
Überwachung und zum Schutz des österreichischen Luftraumes vorsah.
Abschließend unterstrich der Bundeskanzler den Appell Kofi Annans, dem Frieden eine Chance zu geben und bekannte
sich dazu, die Maßstäbe, die man an Saddam Hussein anlegt, künftig auch für andere Diktatoren
geltend zu machen. Die Idee eines militärischen Präventivschlags dürfe nicht zur Doktrin werden.
Es gehe darum, sich hinter der Autorität der Vereinten Nationen zu vereinigen, den Waffeninspektoren eine
Chance zu geben, Saddam Hussein aber keine Gelegenheit zu bieten, aus dem Streit der Europäer untereinander
sowie dem zwischen Europa und Amerika Nutzen zu ziehen.
Abgeordneter MURAUER (V) betonte den Willen Österreichs, den Krieg zu vermeiden, weil er Instabilität,
katastrophale Konflikte, Millionen von Flüchtlingen, Hungersnöte und Terrorismus bringen sowie die Energieversorgung
und Arbeitsplätze in Österreich gefährden könnte. Die Handlungskompetenz müsse beim UN-Sicherheitsrat
bleiben, ein Grundsatz, der aber auch für Saddam Hussein gelten müsse. Der Außenministerin dankte
Murauer für ihre Bereitschaft, im Auftrag der griechischen Präsidentschaft Gespräche mit den Maghreb-Staaten
zu führen und Möglichkeiten für eine friedliche Lösung auszuloten. Verwundert zeigte sich der
Redner über Wortmeldungen, in denen der Bundesregierung einerseits vorgeworfen werde, sie sei nicht in der
Lage, den österreichischen Luftraum zu schützen, andererseits aber die Anschaffung von Abfangjägern
abgelehnt werde.
Auch Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) warnte vor den Auswirkungen eines Irak-Kriegs auf Österreich,
indem er die wirtschaftlichen Folgen und die zu erwartenden Flüchtlingsströme ansprach. Dazu komme die
drohende Instabilisierung des Nahen Ostens. "Wir wollen keinen Krieg!", lautet daher die Forderung der
Völker Europas, eine Forderung, die auch das österreichische Parlament ohne wenn und aber unterstützen
sollte. Es sei wichtig, eine einheitliche Position in Europa einzunehmen, sagte Gusenbauer und wies darauf hin,
dass Großbritannien für einen Waffeneinsatz im Irak eintrete, Deutschland und Frankreich aber einen
militärischen Einsatz verhindern wollen. Da es in dieser Frage nicht um diplomatische Nuancen gehe, sondern
um die Frage, ob man einen Krieg verhindern wolle oder nicht, sei es an der Zeit, dass sich die österreichische
Bundesregierung an die Seite Frankreichs und Deutschlands stelle, so Gusenbauer.
Einig wusste sich Abgeordneter Gusenbauer mit dem Bundeskanzler in der Ablehnung eines Präventivschlages zur
Herbeiführung eines Regimewechsels. Es drohe Chaos in der Staatengemeinschaft, wenn einzelne Staaten darüber
entscheiden könnten, in welchem anderen Staat mit Waffengewalt ein Regimewechsel herbeigeführt werden
soll. Auch wandte sich Gusenbauer dagegen, den Irak und Nordkorea unterschiedlich zu behandeln und trat für
gleiche Maßstäbe in der Weltpolitik ein.
Abgeordneter SCHEIBNER (F) stimmte mit seinen Vorrednern darin überein, dass alles unternommen
werden müsse, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Mit derselben Vehemenz wandte er sich gegen Regime,
die Menschenrechte verletzen, Massenvernichtungswaffen produzieren und den internationalen Terrorismus unterstützen.
Kriege dürfen aber erst geführt werden, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, außerdem
brauche es eindeutiger Beweise, bloße Behauptungen über die Existenz oder Nichtexistenz von Massenvernichtungswaffen
reichten nicht aus.
Als eine Frage der Glaubwürdigkeit bezeichnete es Scheibner, in ein Land Soldaten zu schicken, in ein anderes
aber Lebensmittel und Infrastrukturgüter, wenn man in beiden Fällen dasselbe, nämlich die Erfüllung
einer UN-Resolution bezwecke. Schließlich unterstrich Scheibner die Notwendigkeit, seitens Europas mit einer
Stimme zu sprechen und betonte die Aufgabe Österreichs, seine Souveränität zu Land, zu Wasser und
in der Luft zu schützen. |
Abgeordneter Mag. LUNACEK (G) erinnerte an die Demonstrationen von Millionen Menschen, die nein zum
drohenden Irak-Krieg sagen, da er über viele Menschen Leid und Not bringen würde. Lunacek zeigte Genugtuung
darüber, dass die friedlichen Demonstrationen dazu beigetragen haben, in der EU eine gemeinsame Position zu
schaffen, und drängte darauf, alle friedlichen Mittel auszuschöpfen. Auch die außenpolitische Sprecherin
der Grünen forderte von Saddam Hussein, die UN-Resolution 1441 umzusetzen. Sie sah die Zeit dafür noch
nicht abgelaufen und sprach sich dafür aus, dass die UN-Waffeninspektoren ihre Arbeit im Irak fortsetzen.
Was Lunacek vermisste, sei eine eindeutige Unterstützung der Position Deutschlands und Frankreichs durch die
österreichische Bundesregierung.
Außenministerin Dr. FERRERO-WALDNER berichtete, dass sie in der Irak-Krise von Anfang an nichts
unversucht gelassen habe, zu einer friedlichen Lösung des Problems beizutragen. Österreich habe auf Basis
der UN-Resolution 1441 eine eigenständige Position eingenommen und Kofi Annan in seiner Auffassung unterstützt,
dass die Handlungskompetenz beim Sicherheitsrat bleiben müsse. Das wesentliche Ziel ihrer Maghreb-Reise sei
eine gemeinsame Position von Arabern und Europäern gewesen, von der man sich mehr Gewicht gegenüber Saddam
Hussein erwarten könne. Man müsse Saddam Hussein klar machen, dass er es in der Hand habe, sein Volk
vor einem Krieg zu bewahren. Deshalb werde es einen Arabischen Gipfel und eine arabische Delegation zu Saddam Hussein
geben.
Abgeordneter DONABAUER (V) unterstützte die Haltung der Bundesregierung in der Irak-Frage. Sie
habe zeitgerecht gehandelt, Beratungen geführt, Entscheidungen getroffen und den Nationalen Sicherheitsrat
einberufen, der einen Beschluss gefasst habe. Die Ursache der Krise liege darin, dass Saddam Hussein seinen Abrüstungsverpflichtungen
nicht nachgekommen sei, erinnerte Donabauer und wies den Vorwurf gegenüber der Bundesregierung zurück,
sie setze sich zu wenig für eine friedliche Lösung des Konflikts ein. Die Bedrohung sei nur im europäischen
Gleichklang abzuwenden, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt und appellierte an die Sozialdemokraten, ihren
Einfluss in der Sozialistischen Internationale geltend zu machen, denn es sei der britische Premierminister Tony
Blair, der sich in der Frage eines Krieges an die Seite der USA stelle.
Abgeordneter Dr. EINEM (S) leitete seine Ausführungen mit der Feststellung ein, er habe Verständnis
für die USA, die sich am 11. September 2001 erstmals von außen angegriffen fühlten und nun anders
reagieren als die Europäer, denen diese Situation aus ihrer Geschichte bekannt sei. Dennoch müssten die
Europäer eine europäische Politik betreiben und ihre in diesem Fall anderen Interessen zur Geltung bringen.
Der Bundesregierung warf Einem vor, sich rasch noch an die Seite der USA stellen zu wollen, was deshalb besonders
bedauerlich sei, weil gerade das Engagement kleiner und mittlerer Staaten für die gemeinsame Außenpolitik
Europas wichtig sei. "Wir wollen eine Politik, die den Friedenswunsch der Menschen entspricht, eine europäische
Friedenspolitik, eine klare Orientierung und Position im Namen Österreichs", schloss Abgeordneter Einem.
Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) beklagte, dass die EU nicht in der Lage war, eine gemeinsame Linie
zu finden, und warf Frankreich und Deutschland vor, ihre eigenen Interessen, nicht aber jene der Union vertreten
zu haben. Aufgabe des EU-Konvents müsse es nun sein, Mechanismen auszuarbeiten, die es ermöglichen, Krisen
wie diese in Zukunft zu verhindern.
Abgeordneter Dr. PILZ (G) vermutete hinter den Kriegsdrohungen der USA nicht die Sorge wegen Massenvernichtungswaffen,
sondern vielmehr wirtschaftliche und globale Interessen. Er forderte die EU auf, als Gegengewicht zu den USA zu
agieren und auf eine rechtsstaatliche Lösung des Konflikts hinzuwirken. Der Internationale Strafgerichtshof
wäre nach Meinung des Redners das geeignete Mittel, mit Saddam Hussein umzugehen. |