Regierungsbildung  

erstellt am
22. 02. 03

Fischer: SPÖ war bereit, über Regierungsbildung zu verhandeln - die ÖVP nicht
Übereinstimmungen in vielen Bereichen - Zweifel, ob ÖVP-Vorstand über Stand der Gespräche informiert wurde
Wien (sk) - "Fakt ist, dass die SPÖ bereit war, mit der ÖVP in Regierungsverhandlungen zu treten, umgekehrt war die ÖVP nicht dazu bereit", betonte der stellvertretende SPÖ-Vorsitzende Heinz Fischer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer und der niederösterreichischen SPÖ-Vorsitzenden Heidemaria Onodi am Montag (24. 02.). Jetzt wolle die ÖVP die Schuld an diesen nicht zustande gekommenen Verhandlungen auf die SPÖ abwälzen. Die ÖVP habe per Unterschrift Positionen festschreiben wollen, noch bevor Verhandlungen begonnen haben, berichtete Fischer am Montag. In den Gesprächen zwischen Schüssel und Gusenbauer und Gehrer und Fischer seien viele Zielsetzungen definiert worden, die eine hervorragende Ausgangslage für Koalitionsverhandlungen gegeben hätten, ist Fischer überzeugt.

Der stv. SPÖ-Vorsitzende fragte sich, welchen Sinn es habe, wenn es die Chance gibt, in Regierungsverhandlungen einzutreten, zu sagen, "das war nichts", um einander dann zu desavouieren. "Ich beginne daran zu zweifeln, ob der ÖVP-Vorstand über den Stand der Gespräche überhaupt informiert wurde", so Fischer. Er wies darauf hin, dass es am 22. Jänner den SPÖ-Beschluss gegeben habe, in Regierungsverhandlungen mit der ÖVP zu treten, woraufhin vier Wochen lang "Funkstille" von Seiten der Volkspartei herrschte. Dann gab es am Sonntag nach dem Scheitern der Gespräche mit den Grünen eine telefonische Kontaktaufnahme und schließlich das Gespräch Gusenbauer - Schüssel am Dienstag. Am Mittwoch, einen Tag vor dem ÖVP-Vorstand - wurde dieses 28-seitige Papier mit 200 Vorschlägen von Gehrer an ihn, Fischer, überreicht. "Da soll man nicht sagen, sie wollten uns nicht unter Zeitdruck setzen", unterstrich Fischer.

"Wenn man wirklich gewollt hätte, mit uns in ernsthafte Gespräche zu treten, dann hätte man andere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme gefunden, und nicht jeden Tag außer den einen verstreichen lassen", unterstrich Fischer. In diesem Papier, das einem Regierungsprogramm der ÖVP gleichkomme, seien Punkte enthalten, die noch niemals zwischen der ÖVP und der SPÖ besprochen worden sind. So stand von der Fortsetzung des begonnenen Anschaffungsprozesses der Überwachungsflugzeuge geschrieben oder von der Änderung des Finanzausgleichs hin zu einem aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssel. "Eines macht Gusenbauer nicht, im Vorfeld von Verhandlungen ein Papier zu unterschreiben. Das kleine Einmaleins, was man tun darf und was nicht, das beherrschen wir auch", unterstrich Fischer.

Fischer wies auf die Punkte hin, über die in den Gesprächen zwischen Schüssel und Gusenbauer und Gehrer und Fischer weitgehende Einigung herrschte: So war man über ein Doppelbudget 2003 und 2004 einig, sowie darüber, eine konjunkturstimulierende Entlastung umzusetzen, weiters herrschte Einigkeit über die Abschaffung der Ambulanzgebühr wie auch über eine Gesundheits- und Pensionsreform auf Basis der Gespräche Gusenbauer/Schüssel. Man hat einen Pfad zu dem "überaus haarigen" Thema Studiengebühren gefunden, man war sich einig, bei einer Universitätsreform zuerst zu evaluieren, bevor man Änderungen angeht. Auch bei der Briefwahl habe es eine gewissen Annäherung gegeben, die Forschungsinitiative sei unbestritten gewesen, in der Frage der EU-Erweiterung gebe es keine Streitpunkte, auch über die Schaffung von ausreichenden Kinderbetreuungsplätze habe man sich verständigt und in der europäischen Sicherheitspolitik sei es ebenfalls zu einer Annäherung gekommen. Es habe insgesamt eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen gegeben, so Fischer.

"Ich finde es enttäuschend, von ÖVP-Seite zu sagen, Gusenbauer hätte eh alles akzeptiert, nur der Rest der Partei sei böse." Fischer wies darauf hin, dass es zwischen ihm und Gusenbauer ständig Kontakt gegeben habe, und dass zwischen ihnen jeder Millimeter abgestimmt gewesen sei. "Ich lade die ÖVP ein, zu erklären, warum sich alles zwischen Gehrer und mir und zwischen Gusenbauer und Schüssel besprochene, plötzlich in Luft aufgelöst hat." Es sei am Besten, wenn alle bei der Wahrheit bleiben: "Sie ist zumutbar", schloss Fischer.

 

 Gehrer: Linke Ideologen in SPÖ haben große Koalition verhindert
»Fischer soll zu seinem Handeln stehen«
Wien (övp-pk) - "Es gehört zur politischen Kultur, dass man Abläufe auch richtig darstellt und nicht die Realität uminterpretiert. SPÖ-Vizeparteivorsitzender Heinz Fischer wollte Maßnahmen, die zwischen den Parteichefs von SPÖ und ÖVP bereits akkordiert waren, durch vage Zielformulierungen ersetzen. Die Festschreibung konkreter Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele hingegen verweigerte er. Das wäre aber unabdingbar für eine tragfähige Partnerschaft gewesen", erklärte ÖVP- Bundesparteiobmann-Stv. BM Elisabeth Gehrer zu am Montag (24. 02.) den Ausführungen von Heinz Fischer am Sonntag. Somit sei eine Finalisierung zwischen den Parteichef-Stellvertretern von ÖVP und SPÖ nicht möglich gewesen. "Wie in einem Zeitungskommentar bereits festgestellt wurde, hat der Pragmatiker Alfred Gusenbauer vor den linken Ideologen seiner Partei offensichtlich kapitulieren müssen."

"Ausgangspunkt der Gespräche mit der SPÖ war eine rund 30-seitige Zusammenfassung der Ergebnisse aller vorangegangenen Sondierungsrunden. Dieses Papier wurde in langen Gesprächen zwischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und SPÖ-Parteivorsitzendem Alfred Gusenbauer in weiten Teilen akkordiert", erklärte Gehrer. So konnte beim Thema Frühpensionen zwischen Schüssel und Gusenbauer eine schrittweise Anhebung der Frühpensionen ab 2004 vereinbart werden, Fischer hingegen wollte sich hier auf keine konkrete Jahreszahl festlegen. "Statt einem Schritt vor zwei Schritte zurück - das ist keine Basis für eine stabile Koalitionsbrücke", betonte Gehrer.

Ebenso wenig hilfreich zur Bildung einer Vertrauensbasis seien die harten und angriffigen Aussagen von Klubobmann Josef Cap, Bürgermeister Michael Häupl und dem Kärntner Landesparteiobmann Peter Ambrozy der letzten Wochen gewesen. Dies sei bedauerlich, würde aber einmal mehr vor Augen führen, "dass in weiten Teilen der SPÖ der Wille zur Regierungsbeteiligung nicht vorhanden war".

Es sei ebenso unverständlich, dass Fischer von Zeitdruck rede, wo doch seit November Gespräche mit der SPÖ geführt wurden, sich aber die SPÖ erst Mitte Jänner zu vertiefenden Gesprächen durchringen konnte. "Es gehört für mich zur politischen Kultur, dass Abläufe richtig dargestellt werden und jeder für sein Handeln auch die Verantwortung übernimmt. All das vermisse ich bei den gestrigen Ausführungen von Heinz Fischer", schloss Gehrer.
     
 
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