Schönborn: »Kirche hat Zukunft«  

erstellt am
10. 03. 03

Wiener Erzbischof betont, dass es der Kirche mit der europäischen Initiative »Stadtmission« nicht um Wiedergewinnung von Einfluss, sondern um einen Dienst an den Menschen geht
Lissabon/Wien (kath.net/PEW) - Bei der bevorstehenden großen Stadtmission Ende Mai in Wien geht es um eine doppelte Bewegung, stellte Kardinal Christoph Schönborn in einem Interview mit der führenden Lissaboner Tageszeitung "Publico" fest: "Die Kirche macht im buchstäblichen und im übertragenen Sinn die Türen für die Menschen weit auf - und die Kirche geht hinaus zu den Menschen, dorthin, wo sich das Leben der Stadt abspielt, in den Kaufhäusern, den Parks, den U-Bahn-Stationen usw. Wir möchten mit den Menschen über 'Gott und die Welt' ins Gespräch kommen und ihnen die 'gute Nachricht' anbieten". Der Wiener Erzbischof hatte sich vor Wochenfrist auf Einladung von Kardinal-Patriarch Jose da Cruz Policarpo in der portugiesischen Hauptstadt aufgehalten, um den mit der Stadtmission verbundenen "Internationalen Kongress für eine neue Evangelisierung" vorzubereiten. Kongress und Mission sind eine gemeinsame Initiative der Erzbischöfe von Wien, Paris, Lissabon und Brüssel. Bei einem vielbesuchten Vortrag an der Katholischen Universität von Lissabon betonte Kardinal Schönborn, dass Kirche Zukunft hat.

"Wenn es heute Hoffnung gibt, heißt sie Kirche", sagte der Wiener Erzbischof in Lissabon. In einer Welt, die in ihrer Werthaltung desorientiert sei, biete die Kirche Zukunft, betonte Kardinal Schönborn. Davon sei er überzeugt, weil "Christus unsere Hoffnung ist". An die Katholiken appellierte der Kardinal, sich der Kirche nicht zu schämen.

Der Wiener Erzbischof verwies in Lissabon auf die Bedeutung der christlichen Wurzeln Europas. Europa sei nicht nur entlang der Handelsrouten des Kontinents gewachsen, sondern auch durch das Netz der Pilgerwege und der großen Wallfahrtszentren. Von diesen Wurzeln her könne Europa wieder Sinn gewinnen und entdecken, was unter heutigen Bedingungen seine Werte sind.

Im "Publico"-Interview unterstrich Kardinal Schönborn, dass es nicht das Ziel der Stadtmission sei, für die Kirche mehr Einfluss, Macht usw. zu gewinnen. Es gehe vielmehr um einen Dienst an den Menschen, die Antworten auf ihre Grundfragen suchen: Woher komme ich, wohin gehe ich, was ist der Sinn meines Lebens? Die Stadtmission solle den Menschen Mut machen, ihre unbewussten oder verdrängten religiösen Sehnsüchte wieder zu artikulieren.

Zugleich betonte der Wiener Erzbischof das "unterscheidend Christliche": Es bestehe "im Vertrauen auf die Sinnhaftigkeit der Welt und des Lebens, weil sie von Gott geschaffen und geliebt sind". Dieses Vertrauen habe Konsequenzen für das christliche Menschenbild: Weil der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist, hat er eine unverlierbare Würde. Das sei die eigentliche Wurzel der Menschenrechte, der Überzeugung von der Kostbarkeit jedes Menschen.

Im Hinblick auf die weltpolitische Lage wiederholte Kardinal Schönborn im "Publico"-Interview seine Überzeugung, dass "Schwarz und Weiß, Gut und Böse nicht fein säuberlich geschieden auf zwei Seiten zu verteilen ist". Das vergesse ein heute weit verbreiteter Antiamerikanismus, aber auch ein einseitiges Aufbauen von Feindbildern, wo Irak und Islam einfach mit Terror gleichgesetzt werden. In diesem verwirrenden Netz von Fragen habe die Stimme des Papstes und sein unmissverständliches "Nein zum Krieg" aufhorchen lassen: "Krieg ist nie unvermeidlich", er ist immer "eine Niederlage der Menschheit".

Angesichts eines aktuellen Pädophilie-Skandals, der in Portugal großes Aufsehen erregt hat, wurde Kardinal Schönborn von "Publico" auch auf österreichische Erfahrungen angesprochen. Der Wiener Erzbischof verwies darauf, dass die Pädophilie-Krise für die Kirche in Österreich eine schmerzliche Erfahrung war. Als Konsequenz seien in den Diözesen unabhängige Ombudsstellen eingerichtet worden, an die sich alle Betroffenen wenden können. "Jeder Pädophilie-Fall ist einer zu viel", betonte Schönborn. Daher lege die katholische Kirche in Österreich den Akzent sehr stark auch auf die Prävention.
     
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