Raffling: Krisenstrategie für den Kriegsfall - Vorsichtiger Optimismus für den Sommer
- Entflechtung der Ferienströme als dringendes Problem
Wien (pwk) - Die Osterweiterung bringt für den österreichischen Tourismus enorme Wachstumspotentiale.
Erwartet werden rund 300.000 zusätzliche Nächtigungen pro Jahr durch die neuen EU-Mitgliedsländer
ab Mitte 2004, stellte der Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, Dr. Michael
Raffling, am Samstag (08. 03.) in einen gemeinsam mit ÖW-Geschäftsführer
Arthur Oberascher abgehaltenen Pressegespräch auf der ITB in Berlin fest.
Bei den Gästen aus Tschechien, Polen, Ungarn und Slowenien gibt es starke Steigerungsraten von jährlich
bis zu 15 %. Schon derzeit bringen es die Tschechen, Polen und Ungarn auf jeweils über 800.000 Nächtigungen.
Als konkretes Beispiel für positive Perspektiven nannte Raffling den Höhenkurort Semmering. Gäste
aus Ungarn haben derzeit einen Nächtigungsanteil von acht Prozent. 1937 dagegen betrug dieser Anteil am Semmering
37 %. "Hier kann an alte Traditionen angeknüpft werden, hier liegt für den österreichischen
Tourismus noch enormes Potenzial". Auch für den touristischen Arbeitsmarkt erwartet sich die Tourismuswirtschaft
Impulse durch die Erweiterung.
Zum Thema Kriegsgefahr meinte Raffling, dass der österreichische Tourismus besonders aus den nahen Märkten
wenig Auswirkungen befürchten muss. Die derzeit etwas geringere Konsumneigung sei eher konjunkturell bedingt.
Allerdings rechnen die Reisebüros vor allem beim Outgoing in den Raum Nahost mit starken Rückgängen
(der österreichische Reisebürosektor ist zu etwa 83 % Outgoing und 17 % Incoming). Die Wirtschaftskammer
hat deshalb mit den wichtigsten Unternehmern dieses Bereiches eine Krisenstrategie ausgearbeitet.
Für die kommende Sommersaison ist die österreichische Tourismuswirtschaft vorsichtig optimistisch. Ein
fünfprozentiges Umsatzwachstum wie im Winter werde sicherlich nicht zu erreichen sein, "aber zwischen
2 und 3 % sind möglich", so Raffling. Als größter Unsicherheitsfaktor gilt dabei vor allem
der Hauptherkunftsmarkt Deutschland, insbesonders wegen der anhaltenden Konjunkturflaute und der schlechten Stimmung
wegen dem drohenden Irak-Krieg. Andererseits fallen auch Fernreisen weg, wodurch sich Ausgleichseffekte ergeben
könnten.
Positiv für den Sommer sind die starken Investitionen der Betriebe in Schlechtwetter- und Alternativangebote.
"Auch eine mehrtägige Regenperiode kann die Freude der Gäste nicht mehr trüben. In den Werbeaussagen
wird man sich für den Sommer bemühen, die Mystik unserer Berge und Landschaften wieder stärker ins
Blickfeld zu rücken."
Raffling bedauerte, dass man sich auf internationaler Ebene mit der Entflechtung der Ferienzeiten
und damit mit der Ordnung der Freizeit noch zu wenig auseinandergesetzt habe. Mehrere Versuche der österreichischen
Tourismuswirtschaft, eine europaweit koordinierte Betriebs- und Ferienzeitregelung zu verhandeln, sind gescheitert.
Angesichts der bevorstehenden Kollision der deutschen Sommerferientermine müsse diese Problematik dringend
analysiert werden. Bereits jetzt erreiche der Anteil deutscher Urlaubernächtigungen in manchen Regionen Werte
zwischen 60 und 95 Prozent.
"Wenn nun ganz offensichtlich die 16 deutschen Kultusminister bei Ferienzeitregelungen immer nur das pädagogische
Argument im Vordergrund sehen, so wird man mit ihnen eine breit angelegte Diskussion in der Öffentlichkeit
führen müssen. Wenn die Familie in Stress gerät, leidet auch die Pädagogik", betonte Raffling.
Der zunehmenden Zeitsouveränität des Menschen müsse im Interesse des Arbeitszeit- und Freizeitverhältnisses
besser als bisher entsprochen werden. "Das Problem einseitig auf einen einzelnen Wirtschaftszweig, wie etwa
den Samstag-Samstag-Wochenrhythmus der Hotellerie abzuwälzen, bringt sicherlich keine umfassende Lösung."
"Wenn die Politik ständig den Ganzjahrestourismus urgiert, darf sie nicht umgekehrt mit gesetzlichen
Regulierungen die Saisonalität massiv verstärken. Die Folgen sind zunehmender Stress für Unternehmer
und Mitarbeiter sowie reduzierter wirtschaftlicher Erfolg für die Unternehmer."
"Nachdem die aktuelle deutsche Ferienzeitregelung bereits bis 2006 beschlossen ist, werden wir trotzdem, aufbauend
auf den Erfahrungen des kommenden Sommers, mit geeigneter Lobbyarbeit nicht locker lassen. Aus der Erfahrung könnten
auch Politiker klüger werden", schloss Raffling. |