Landwirtschaftsminister Pröll will kritische Haltung zu EU-Agrarreform beibehalten  

erstellt am
07. 03. 03

WTO-Vorschlag von Harbinson entschieden abgelehnt
Wien (aiz.info) - Der neue Landwirtschafts- und Umweltminister Josef Pröll setzt in der Agrarpolitik auf Kontinuität: Die kritische Haltung der österreichischen Landwirtschaftsvertretung zur EU-Agrarreform werde beibehalten. Insbesondere die Entkopplung der Förderungen von der Produktion lehne er ab, erklärt Pröll gegenüber dem AIZ. Entschieden weist er auch das von der WTO vorgelegte Verhandlungspapier zur Liberalisierung des Agrarhandels zurück. Ein besonderes Anliegen ist Pröll - im Hinblick auf die EU-Erweiterung - die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Als konkrete Entlastungsmaßnahme nennt er den verbilligten Agrardiesel.
Das zwischen ÖVP und FPÖ ausgehandelte Regierungsprogramm stößt im Bereich Landwirtschaft und Umwelt beim Neo-Minister auf Wohlwollen. "Ich habe das Ergebnis der Regierungsverhandlungen meiner Entscheidung, dieses Ministeramt zu übernehmen, zu Grunde gelegt. Das Regierungsprogramm bietet eine gute Basis für meine künftigen Aufgaben", stellt Pröll im AIZ-Gespräch fest.

Agrardiesel in der Steuerreform verankert
Besonders sei etwa hervorzuheben, dass der verbilligte Agrardiesel definitiv Bestandteil der zweiten Etappe der Steuerreform sein werde, dies sei ein wichtiger Fortschritt. Von der Größenordnung her werde die Verbilligung auf das Niveau von Heizöl extra leicht für die Bauern eine Entlastung von etwa EUR 50 bis 60 Mio. pro Jahr bringen.

Im Betriebsmittelbereich sei bereits in der abgelaufenen Periode im Agrarrechtsänderungsgesetz ein Anfang bei der Erhöhung der Wettbewerbschancen gemacht worden. "Ich werde mit dem Infrastrukturminister über weitere notwendige Maßnahmen im Landmaschinenbereich sprechen, um bei der Zulassung eine Chancengleichheit mit den EU-Landwirten sicherzustellen", kündigt Pröll an. Ein weiteres Ziel sei die europaweite Zulassung von Tierarzneimitteln.

Entkoppelung weiterhin abgelehnt
Zur aktuellen Diskussion über die EU-Agrarreform stellt der Minister fest, er werde "grundsätzlich nicht abgehen von jener Position, die die österreichische Landwirtschaftsvertretung bisher zur GAP-Reform eingenommen hat". Speziell in der Frage der Entkoppelung sehe er keinen Anlass, von der kritischen Haltung Österreichs abzurücken. "Ich weiß mich hier einig mit Ministerkollegen in anderen EU-Staaten. Wir werden dieses Thema in den nächsten Monaten offensiv auf europäischer Ebene behandeln", erläutert der Ressortchef. Gleiches gelte für die Bereiche Milchquoten, Modulation oder die Frage von geplanten Preissenkungen.

Über den weiteren Fahrplan zur Agrarreform werde beim nächsten Agrarministerrat in zwei Wochen gesprochen. "Es gibt Ministerkollegen, die meinen, man müsste im Juni die Reform fertig ausverhandelt haben, andere argumentieren, es sollten erst die WTO-Einflüsse abgewartet werden. Hier wird man sehen, wie sich die Mehrheiten innerhalb der Union bilden", so Pröll.

Als besonders schwierige Herausforderung für die europäische Landwirtschaft bezeichnet der Minister die WTO-Verhandlungen und verweist auf die verhärteten Fronten zwischen der EU einerseits und der USA sowie der Cairns-Gruppe auf der anderen Seite. "Das so genannte Kompromisspapier des WTO-Agrarausschuss-Vorsitzenden Stuart Harbinson kann jedenfalls in keiner Form unsere Zustimmung finden. Es ist so weit weg von den Vorstellungen einer bäuerlichen, flächendeckenden Landwirtschaft, dass wir hier derzeit keine Anknüpfungspunkte sehen", formuliert Pröll die österreichische Position. Das Harbinson-Papier sieht bekanntlich wesentlich schärfere Maßnahmen beim Abbau von Zöllen, Exportstützungen und Agrarförderungen vor, als es die EU angeboten hat.

EU-Erweiterung: Exportoffensive notwendig
Im Rahmen der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung nimmt für Pröll die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von bäuerlichen Betrieben einen hohen Stellenwert ein. Ebenso wichtig sei die Exportoffensive, um verstärkt österreichische Lebensmittel in den neuen EU-Mitgliedsstaaten absetzen zu können. Zu prüfen sei etwa die Frage der Ausdehnung des Systems der Garantiebesicherung bei Exporten auf den Agrarsektor. "Ich werde darüber auch demnächst mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein sprechen", so Pröll.

Kein Gegensatz zwischen Agrar- und Umweltanliegen
Zur Kritik von Umweltorganisationen an der Tatsache, dass die Agrar- und Umweltkompetenzen weiterhin in einem Ressort angesiedelt sind, meint Pröll: "Ich glaube, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit die beiden Bereiche Landwirtschaft und Umwelt eng verbindet. Es handelt sich dabei um eine ideale Ergänzung und keinesfalls um einen Gegensatz."

Für ihn bedeute die Übernahme dieses wichtigen Ressorts eine große Herausforderung, die er aber gerne angenommen habe, "weil ich glaube, dass ich hier etwas bewegen kann". Sein erklärtes Ziel sei es, die bäuerliche flächendeckende Landwirtschaft nachhaltig in Österreich abzusichern. Das bedeute auch, jene Betriebe, die offensiv neue Marktchancen nutzen wollen, gezielt zu unterstützen. Gleichzeitig seien die Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Lebensmittelqualität und -sicherheit fortzuführen. "Es geht hier um ein umfassendes offensives Konzept, das auf der ökosozialen Marktwirtschaft basiert", betont der neue Ressortchef.
     
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