Wien (sk) - "Der 4. März 1933 - heute vor genau 70 Jahren - ist ein Datum, das im kollektiven
Gedächtnis unseres Landes nicht vergessen werden sollte", sagte am Dienstag (04. 03.)
der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer. Im Folgenden eine Erklärung von Fischer, in der er auch
auf die rechtliche, politische und psychologische Reparatur der "Selbstausschaltung" des Nationalrats
eingeht und auf die Erkenntnis, "dass Demokratie ohne Parlamentarismus und Parlamentarismus ohne Demokratie
nicht möglich ist". Dies "konnte im Verlaufe der Zweiten Republik ebenso tief im Bewusstsein der
österreichischen Bevölkerung verankert werden, wie die Erkenntnis, dass die Demokratie ein kostbares
und unersetzliches Gut ist".
"Damals kam es nämlich durch die Regierung Dollfuß zur Ausschaltung des demokratisch gewählten
Nationalrates, die aufgrund der Umstände gelegentlich auch als "Selbstausschaltung" des Nationalrates
bezeichnet wird: Als nach einem hauchdünnen und umstrittenen Abstimmungsergebnis (81:80) bei einer wichtigen
Abstimmung alle 3 Präsidenten des Nationalrates, ohne die Konsequenzen dieses Schrittes im einzelnen zu bedenken,
zurücktraten, hätte es nun verschiedene Möglichkeiten gegeben, diese "Panne" zu reparieren;
aber Bundeskanzler Dollfuß sah eine Chance, das ungeliebte Parlament endgültig auszuschalten, und diese
Chance nutzt er, indem er Polizei ins Parlament schickte, um weitere Aktivitäten zur Wiederaufnahme der parlamentarischen
Arbeit zu unterbinden.
Rein rechtlich wurde die tragische Situation vom März 1933 15 Jahre später durch einen einstimmig beschlossenen
Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Schärf und Dr. Pittermann zum § 6 der Geschäftsordnung des
Nationalrates "repariert", der die Einführung eines "Alterspräsidenten" für
den Fall vorsah, dass die gewählten Präsidenten an der Ausübung ihres Amtes verhindert oder ihre
Ämter erledigt sind.
Politisch und psychologisch war aber mehr erforderlich, als "nur" eine Änderung der Geschäftsordnung:
Die Erkenntnis, dass Demokratie ohne Parlamentarismus und Parlamentarismus ohne Demokratie nicht möglich ist,
konnte im Verlaufe der Zweiten Republik ebenso tief im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung verankert
werden, wie die Erkenntnis, dass die Demokratie ein kostbares und unersetzliches Gut ist.
Darüber hinaus muss immer wieder am Konsens darüber gearbeitet werden, dass demokratische Spielregeln
nicht nur buchstabengetreu, sondern vor allem auch im Sinne des demokratisch-pluralistischen Gesamtkonzeptes unserer
Republik eingehalten werden müssen.
Daher war auch eine Erklärung der drei Nationalratspräsidenten Dr. Heinz Fischer, Dr. Robert Lichal und
Dr. Heide Schmidt vom 4. März 1993 - also vor genau 10 Jahren - wertvoll, in der "das Bemühen um
Zusammenarbeit im Präsidium des Nationalrates ebenso wie das Bemühen um Toleranz über alle politischen
Grenzen und Auffassungsunterschiede hinweg als eine der Konsequenzen, die man aus den Ereignissen vom 4. März
1933 ziehen muss", bezeichnet wurde.
In diesem Sinne sollte man den 4. März 1933 nicht nur als Datum in unserer Geschichte, sondern als zeitlose
Mahnung zu Demokratie und Toleranz betrachten." |