Vor 65 Jahren fand der so genannte »Anschluss« statt
Wien (pk) - "Gott schütze Österreich!" Mit diesen Worten verabschiedete sich
Bundeskanzler Kurt Schuschnigg von der österreichischen Bevölkerung, als er heute vor 65 Jahren der nationalsozialistischen
Gewalt zu weichen gezwungen war. Nationalratspräsident Andreas Khol gedachte heute dieser historischen Ereignisse.
Der Präsident erinnerte bei dieser Gelegenheit daran, dass es schon vor dem März 1938 Opfer des Nationalsozialismus
in Österreich zu beklagen gegeben habe, ja, dass die illegalen Nationalsozialisten durch terroristische Aktivitäten
nachhaltig zur Destabilisierung Österreichs beizutragen versucht haben. Nach der Ermordung von Engelbert Dollfuß
durch die Nationalsozialisten hat sich auch Bundeskanzler Schuschnigg nach Kräften gegen die nationalsozialistische
Bedrohung zu wehren bemüht und schließlich auch eine Volksabstimmung über die zukünftige Ausrichtung
Österreichs angesetzt, die für das nationalsozialistische Deutschland sicher negativ ausgegangen wäre,
weshalb Hitler auch zu Maßnahmen der Gewalt griff.
Durch diesen gewaltsamen "Anschluss" gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung kam, so Präsident
Khol weiter, unendliches Leid über Österreich. Hunderttausende Österreicher landeten in den Konzentrationslagern
und den Gefängnissen der Nationalsozialisten, wurden ihrer Freiheit, ihrer Habe und ihrer Würde beraubt.
Zu Opfern des Nationalsozialismus wurden aber auch die Soldaten, die im Krieg fielen oder verwundet wurden, und
zahlreiche Zivilisten, die in dem von Hitler entfesselten Weltenbrand auf mannigfache Art zu leiden hatten. Der
Verlust an Menschenleben und die Zerstörung von Gütern, die der Zweite Weltkrieg verursacht hat, stehen
in der Geschichte der Menschheit einzigartig da.
Bereits unmittelbar nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht wurde die politische, künstlerische und gesellschaftliche
Elite Österreichs verhaftet, bereits am 1. April 1938 ging der so genannte "Prominententransport"
nach Dachau ins dortige Konzentrationslager, viele weitere folgten bis zur Befreiung von der nationalsozialistischen
Tyrannei.
In den Konzentrationslagern, so Khol, entstand aber bereits die Zweite Republik in den Köpfen der Verfolgten.
Prominente Häftlinge wie die Christdemokraten Leopold Figl oder Felix Hurdes, aber auch ebenso verhaftete
prominente Sozialdemokraten legten damals schon den Grundstein für ein neues Österreich, der "Geist
der Lagerstraße" wurde seitdem zu einem geflügelten Wort.
Präsident Khol erinnerte weiters an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der sich auf vielfältigste
Weise äußerte. Zahlreiche politische Gruppen unterschiedlichster Couleur trugen ebenso wie der Widerstand
innerhalb der Wehrmacht zur Befreiung Österreichs bei, und auch der Widerstand auf der Straße zeigte,
dass die Inszenierung der Nationalsozialisten am Heldenplatz für die österreichische Bevölkerung
keineswegs repräsentativ gewesen war.
Der Untergang Österreichs, so Khol resümierend, sei dadurch möglich geworden, dass der Glaube an
dieses Österreich von der Gründung der Republik an nicht fest verankert, dass kein überparteilicher
Konsens vorhanden gewesen sei, dass in den Kategorien "gut und böse, Freund und Feind" gedacht worden
sei, anstatt im politischen Diskurs die Dinge danach zu beurteilen, ob sie richtig oder falsch seien. Österreich
habe, wenn auch auf schmerzvolle Weise, die richtigen Schlussfolgerungen aus den verfehlten Entwicklungen der Ersten
Republik gezogen, sodass sich Leopold Figls Wunsch - "Glaubt an dieses Österreich" - heute erfüllt
habe, schloss Khol. |