Wie Beschwerden in der Halswirbelsäule langfristig ausgeschaltet werden können
Zürich (pts) - Spezialisten aus den Bereichen Manuelle Medizin, Physiotherapie, Neurologie und
Neurochirurgie diskutierten am 27. Februar 2003 in der Schulthess Klinik Zürich zusammen mit Hausärzten
aus der ganzen Schweiz über die aktuellen Behandlungsmethoden bei Nackenproblemen. Das Fazit: Erweiterte Diagnosemöglichkeiten
bilden die Grundlage für eine konservative oder operative Therapie. Durch diese Fortschritte bieten sich bei
Nackenschmerzen, den sogenannten Zervikoradikulären Schmerz-Syndromen, gute Aussichten auf gebesserte Lebensqualität.
30% der Erwachsenen leiden unter Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Bei 50% der Betroffenen entwickeln
sich diese Schmerzen so, dass sie chronische Ausmasse annehmen. Oft nehmen die Probleme mit fortschreitendem Alter
weiter zu. Diese sehr störenden Schmerzsymptome betreffen aber oft auch jüngere Patienten. So präsentierte
Prof. Arnaldo Benini eine Studie über Bandscheibenproblemen, deren Teilnehmer ein Durchschnittsalter von nur
44 Jahren aufwiesen. Die Problemursachen können beim Bandapparat und/oder den knöchernen Strukturen (Trauma),
den Wirbelgelenken (chronisch rheumatische Polyarthritis) oder den Bandscheiben (Diskushernie, DDD) liegen.
Mit erweiterten Diagnosemöglichkeiten Ziele erreichen Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung
ist eine korrekte Diagnose. An der Schulthess Klinik kann das komplette diagnostische Instrumentarium von den jeweiligen
Spezialisten im Teamwork eingesetzt und kombiniert werden. Eine Globaluntersuchung beinhaltet z.B. auch Diagnose-Techniken
aus der Manuellen Medizin und wird bei Bedarf durch spezielle segmentale Untersuchungen, eine Abklärung des
Neurostatus (Reflexe, Kraft, Sensibilität) und eventuell therapeutische Infiltrationen unter Röntgenkontrolle
ergänzt. Bei Verdacht auf Diskushernie kann die ergänzende Diagnostik mit erweiterten Röntgentechniken,
MRI oder auch neurologische Abklärungen die Lokalisation unterstützen.
Konservative Behandlung bei 80% erfolgreich Konservativ e und minimalinvasive Behandlungen können in vielen
Fällen die Probleme lindern oder beseitigen und so eine Operation verschieben oder unnötig machen. Werden
die Chancen der konservativen Therapie richtig genutzt, können 80–90% aller Fälle auf dieser Stufe gelöst
werden. Nur etwa 10–20% aller Patienten benötigen eine operative Behandlung.
Die üblichen Schritte einer konservativen Therapie sind:
1. Behandlung mit Schmerzmitteln (Analgesie)
2. Entlastung (mit Halskragen oder Halsmanschette)
3. Physiotherapie
4. Rehabilitation
So können etwa physiotherapeutische Tests und Techniken in den verschiedensten Ausgangsstellungen abklären,
ob mittels Traktion oder manualtherapeutischer Behandlung eine Erleichterung erzielt werden kann. Weitere Untersuchungen
können auf Hautspannung, ein gereiztes vegetatives Nervensystem, Nervengleitprobleme und muskuläre Fehlstellungen
oder Defizite als Problemursache hinweisen. Mögliche erfolgversprechende Behandlungen wären dann Bindegewebsmassage,
gezielte Übungen oder eine Triggerpunktbehandlung.
Training gegen Beweglichkeitsverlust Mit fortschreitendem Alter vermindert sich die Beweglichkeit. Auch im Bereich
der Halswirbelsäule. «Ein gezieltes Training kann dem entgegenwirken», meint der Physiotherapeut
Raymond Denzler. «Eine fehlende Beweglichkeit bewirkt Sekundärschäden. Je nach Alter des Patienten
sollte ein spezifisches Bewegungsprogramm erarbeitet werden.» Spezialisierte Physiotherapeuten schätzen
für eine optimierte Behandlung auch die Faktoren Motivation, Angst und Zeit-Raster ab, um ein möglichst
gutes Behandlungs-Umfeld zu schaffen.
Bei richtiger Lokalisation gute Behandlungserfolge Die Aussichten einer operativen Lösung von Halswirbelsäulen-Beschwerden
sind recht gut. Vor allem Schmerzen im Nacken aber auch die in den Arm ausstrahlenden Schmerzen verbessern sich
me ist wesentlich. Entscheidend für ein gutes Resultat ist aber die korrekte Lokalisation der Ursache. Egal,
ob es sich bei der Operation um eine Dekompression, Stabilisation, Stellungskorrektur oder eine Kombination daraus
handelt. Umfangreiche Vorabklärungen und eine erweiterte Diagnosestellung tragen an der Schulthess Klinik
zu guten Ergebnissen bei.
Bandscheibenersatz als zukünftige Alternative Eine neue Methode zur Behandlung von Bandscheiben- und Einklemmungsproblemen
der Halswirbelsäule ist die Bandscheibenprothese. Diese hilft, Schmerzen auszuschalten und gleichzeitig eine
gewisse Beweglichkeit zu erhalten. Die Prothesen sind technisch so konzipiert, dass eine praktisch normale Bewegungsfreiheit
erreicht wird. In einer präliminären klinischen Studie konnte der Einsatz der künstlichen Bandscheiben
untersucht werden. Die multizentrisch, prospektiv, randomisiert und kontrolliert angelegte Untersuchung lieferte
positive Tendenzen, welche die weitere Forschung in diesem Bereich anspornen.
Der Studienteilnehmer PD Dr. François Porchet beurteilt die Zwischenergebnisse als ermutigend: «Bei
gleichem chirurgischem Zeitaufwand liefert die Bandscheibenprothese schon heute leicht bessere Ergebnisse bezüglich
Lebensqualität (SF-36 Erhebung) und verschiedene andere Faktoren wie Schmerzintensität oder Beweglichkeitseinschränkung.
Die Segmentbewegung bleibt erhalten, wodurch die erhöhte Belastung der Nachbarsegmente wie bei der heutigen
Operationstechnik entfällt. Durch den etwas schonenderen Eingriff (keine Knochenspanentnahme) verläuft
die Rehabilitationsphase meist schneller. Auch muss z.B. kein Halskragen getragen werden.»
Gute Langzeiterfahrungen und ermutigende Aussichten Auf die Frage, ob Bandscheiben-Prothesen nicht unnatürlich
seien, entgegnete PD Dr. Porchet: «Wenn ganz gezielt auf ein Segment eingewirkt werden kann, ist es möglich,
den Degenerationsprozess insbesondere bei Patienten um Mitte 40 aufzuhalten. Positiv und ermutigend in Bezug auf
eine Behandlung mit Prothese s ind vor allem auch die mittelfristigen Erfahrungen mit gebesserter Lebensqualität.»
Zur optimalen Lösung führen präzise Diagnose, minimalinvasive Behandlung und bei Bedarf die entsprechend
den Erfahrungen bestgeeignete Stabilisation oder der Einsatz einer künstlichen Bandscheibe. |