Paris (esa) - Erstmals haben von Envisat aufgenommene Bilder ihren Bestimmungsort über ein Satellitenrelais
erreicht: Sie wurden von dem geostationären ESA-Satelliten Artemis an das Datenverarbeitungszentrum im ESRIN
bei Rom weitergeleitet.
Zur Freude von ESA-Erdbeobachtungsdirektor José Achache "bedeutet die Weiterleitung von Bildern der
Erde und wissenschaftlichen Messungen über Artemis für die Erdbeobachtungsmission Envisat, daß
künftig mehr Daten erfaßt und heruntergeladen werden können und die Verteilung von Erdbeobachtungsdaten
an die Endnutzer viel schneller erfolgen wird. All dies sind sehr gute Nachrichten."
Für die ESA ist die Übertragung der Bilder also ein doppelter Grund zum Feiern; für den fortschrittlichen
Datenrelais- und Technologiesatelliten Artemis (Advanced Relay Technology Mission) stellt sie die Krönung
einer 18-monatigen Rettungsaktion dar, in deren Verlauf er auf seine geostationäre Einsatzbahn gehievt wurde,
nachdem er bei seinem Start im Juli 2001 auf einer viel zu niedrigen Umlaufbahn ausgesetzt worden war. Der herkömmliche
Treibstoff des Satelliten hätte für die Reststrecke nicht ausgereicht, weswegen die ESA-Ingenieure sein
bahnbrechendes Ionenantriebssystem verwenden mußten. Dank dieses Systems und eines innovativen Einsatzes
der chemischen Triebwerke konnten sie Artemis schließlich auf seiner vorgesehenen geostationären Bahn
bei 21,5 Grad Ost positionieren.
"Diese Rettungsaktion war eine gelungene Demonstration experimenteller Technologie", meint Claudio Mastracci,
der Direktor der ESA für Anwendungen. "Ich freue mich, daß Artemis nun allen Raumfahrtnutzern zur
Verfügung steht."
Gotthard Oppenhäuser, der Artemis-Missionsleiter der ESA, erläutert die Ziele der Mission: "Es sollen
im Orbit neue Technologien der Satellitenkommunikation qualifiziert und neue Kommunikationsdienste angeboten werden.
Über das Datenrelaissystem können die Nutzer bei voller Wahrung der Sicherheit ihre Daten in Echtzeit
erhalten."
Artemis führt Nutzlasten für den beweglichen Landfunkdienst, Navigationssysteme und Datenrelaisverbindungen
mit. Der Satellit arbeitet im S-Band (2 GHz), im Ka-Band (26 GHz) und auf optischen Frequenzen. Mit Envisat kommuniziert
er auf den Frequenzen des Ka-Bands.
Der Aufbau einer operationellen Datenrelaisverbindung im Ka-Band zwischen Artemis und Envisat ist eine Premiere
für Europa. Das System dient dem Nachweis der Weltraumtauglichkeit neuer Technologien und operationeller Verfahren
und der Demonstration der komplexen Software, die sowohl im Boden- als auch im Weltraumsegment des Satelliten Anwendung
findet. Ferner kann die Eignung von Datenrelaisnutzlasten begutachtet werden.
Nach Abschluß der Einsatzerprobung der Verbindung von Satellit zu Satellit wird Envisat ab Ende April etwa
die Hälfte seiner Daten über Artemis direkt an das Envisat-Datenverarbeitungszentrum im ESRIN senden.
Die übrigen Daten werden weiterhin an die Bodenstation und das Datenverarbeitungszentrum für Envisat
im schwedischen Kiruna übertragen, aber die zusätzliche Nutzung des Datenrelaissatelliten eröffnet
dem Envisat-Datennetz umfangreiche neue Möglichkeiten.
Die Bodenstation in Kiruna kann Envisat zehnmal am Tag während seiner rund 100-minütigen Erdumrundungen
für etwa zehn Minuten "sehen". Aufgrund seiner orbitalen Position über Envisat kann Artemis
dagegen bei fast allen vierzehn Umläufen des Satelliten pro Tag für längere Zeiträume mit ihm
in Kontakt bleiben.
Durch die Übertragung eines großen Teils der Daten von Envisat an Artemis zur Weiterleitung ins ESRIN
wird die Station Kiruna entlastet, wodurch dort eine Verkürzung der Verarbeitungszeit der Envisat-Daten auf
weniger als drei Stunden nach dem Empfang ermöglicht wird. Der Einsatz von Artemis hat für die ESA den
weiteren Vorteil, daß der Umfang der weltweit von Envisat - insbesondere mit seinem Verbesserten Radar mit
synthetischer Apertur (ASAR) - erfaßten Daten erweitert, die Flexibilität des Bodensegments der Mission
erhöht sowie eine Reservekapazität und somit eine größere Missionszuverlässigkeit für
den Fall geschaffen wird, daß Probleme mit den Bordaufzeichnungsgeräten auftreten.
"Artemis wird uns bei der Verbesserung unserer Dienste für die Envisat-Nutzer eine große Hilfe
sein", glaubt Henri Laur, der Envisat-Missionsleiter der ESA. "Sein Einsatz wird die Bereitstellung von
Envisat-Daten beschleunigen und bei der Datenverarbeitung entstehende Verzögerungen beseitigen."
Envisat feierte kürzlich seinen ersten Jahrestag im All. Der größte und leistungsstärkste
Erdbeobachtungssatellit, der je gebaut wurde, war am 28. Februar 2002 von Europas Raumflughafen in Französisch-Guayana
gestartet worden. Mit seinen zehn Instrumenten soll er ein umfassendes Bild der Ozeane, Landmassen, Atmosphäre
und Eiskappen der Erde vermitteln.
Von April an soll das optische Datenrelaissystem Artemis auch mit dem französischen Erdbeobachtungssatelliten
SPOT 4 verbinden. Ab 2005 wird das Automatische Transferfahrzeug den Datenrelaisdienst regelmäßig nutzen,
und voraussichtlich 2006 wird Columbus, das europäische Element der Internationalen Raumstation, für
knapp fünf Stunden pro Tag Datenrelaisverbindungen über Artemis herstellen. |