Die Schicksale des Hauses Berggasse 19  

erstellt am
26. 03. 03

»Freuds verschwundene Nachbarn« im Sigmund Freud-Museum
Wien (rk) - Das Haus Berggasse 19 mit den Nachbarn Sigmund Freuds und deren Schicksal im Nationalsozialismus ist das Thema der Ausstellung "Freuds verschwundene Nachbarn", die das Sigmund Freud-Museum vom 26. März bis 28. September 2003 (März bis Juni täglich von 9 bis 17 Uhr, Juli bis September täglich von 9 bis 18 Uhr, Eintritt 7 Euro, verschiedene Ermäßigungen) zeigt. Die Ausstellung veranschaulicht die Geschichte am Schicksal von Menschen, zeigt die Mechanismen des nationalsozialistischen Terrors, von der Entrechtung bis hin zur Deportation, ebenso auf wie die zögerliche Haltung der 2. Republik in Fragen der Restitution. Steht das Haus Berggasse 19 heute für Freud und die Entstehung der Psychoanalyse, so führt diese Ausstellung in ein Wiener Mietshaus, das in seiner Geschichte des Unrechts und der Unmenschlichkeit in dieser Ära paradigmatisch für viele andere steht. "Hinschauen heißt Verantwortung übernehmen" stellte Kulturstadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny bei der Pressepräsentation der Schau mit Dir. Dr. Inge Scholz-Strasser und dem Ausstellungsteam am Dienstag fest. Die Ausstellung mache das Unfassbare greifbar, dem Freud-Museum sei dafür wie generell für seine wichtige Arbeit zu danken. Die Stadt Wien werde sich auch in Zukunft ihren Beitrag zur Unterstützung dieser wertvollen Arbeit - 2006 wird Freuds 150. Geburtstag begangen - leisten. Weiters verwies Mailath darauf, dass die Fragen der Restitution von Kunst- und Kulturgütern in Wien 2004 abgeschlossen sein werde, eine Provenienzprüfung bezüglich Liegenschaften werde erstellt.

Am Beispiel der insgesamt acht betroffenen Wohnungen mit jüdischen Mietern von 14 Wohneinheiten im Haus - jede Wohnung eine Ausstellungseinheit - werden die Schwerpunkte "Sammelwohnungen", "Arisierung", Deportation, Emigration, Rückkehr aus dem Lager sowie die Entschädigungs- und Rückstellungspraxis der Zweiten Republik aufgezeigt. Die den einzelnen Wohnungen gewidmeten Vitrinen sind so angeordnet, dass sie die Lage im Haus nachvollziehbar machen, einen Eindruck des zunächst vorhandenen und später zerstörten sozialen Gefüges geben. Dokumente veranschaulichen die Stationen der Entrechtung vom Verlust des Mietrechtes über das Untersagen jeder unternehmerischer Tätigkeit bis hin zur Vermögensliquidierung und schließlich zur Deportation jener Bewohner, denen nicht - wie Freud und einigen anderen die Flucht ins Ausland gelang. Davor wurde, ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert, durch den Zwang zu "Sammelwohnungen" - jüdische Mieter mussten andere, bereits ihrer Wohnung verlustig gegangene Menschen aufnehmen - eine Art Ghettoisierung geschaffen, wovon auch das Haus Berggasse 19 extrem betroffen war. Schließlich veranschaulicht die Ausstellung auch die problematische österreichische Rückstellungspraxis - für die symbolische Entschädigung von entzogenen Mietrechten bedurfte es 50 Jahre, nachzuvollziehen auch am Beispiel der ehemaligen Fleischhauerei Siegmund Kornmehl im Freud-Haus.

Ergänzt wird die Schau durch Toninstallationen mit Gesprächspassagen mit Nachkommen der früheren Bewohner, mit Psychoanalytikern, Museumsbesuchern und jetzigen Haubewohnern.

Schüler führen Schüler
Ein begleitendes Projekt "Schüler führen Schüler" schlägt den Bogen zur jüngsten Generation. Im Mai, Juni und September begleiten Schüler des Erich Fried-Gymnasiums andere Schüler und auch Lehrer durch die Ausstellung, die sie aus ihrem Blickwinkel erläutern. Ergänzend dazu erscheint das Buch "Vor der Flucht" mit dem bis jetzt unveröffentlichten Text "Eine Kindheit in Wien" von Erich Fried.

Zur Ausstellung selbst gibt es eine Begleitpublikation, die von der Chefkuratorin Lydia Marinelli herausgegeben wurde, mit Beiträgen von ihr selbst, Felix de Mendelssohn, Oliver Rathkolb, Inge Scholz-Strasser, Heidemarie Uhl und Moshe Zuckermann.

Weitere Informationen:
Telefon: ++43 / (0)1 / 319 15 96
Internet:
http://www.freud-museum.at/
     
zurück