|
|
|
|
|
zurück
|
|
|
Beratungen über Bildungsvolksbegehren im Ausschuß abgeschlossen
Bildungspolitik bleibt Zankapfel zwischen Regierung und Opposition
Wien (pk) - Die Qualität der Schule sei unabhängig von deren Organisation und von den Klassenschülerhöchstzahlen.
Das hätten internationale Studien bewiesen. So lautete das Resümee der beiden Koalitionsfraktionen FPÖ
und ÖVP zum Bildungsvolksbegeheren (966 d.B.), nachdem die Spezialdebatten zu den Themen "Unterricht",
"Wissenschaft" und Erwachsenenbildung" im Unterausschuss des Unterrichtsausschusses abgeschlossen
worden waren.
In der Generaldebatte, bei der auch Bundesministerin Gehrer anwesend war, führten FPÖ und ÖVP ins
Treffen, dass auch die Evaluierung der Schulversuche auf der Sekundarstufe 1 gezeigt habe, dass in diesen keine
besseren Leistungen erzielt würden als im differenzierten Schulsystem. Es gebe somit keinen Anlass, das gesamte
System zu ändern. Jeder siebente Euro werde für die Bildung ausgegeben und die Regierung sei um einen
effizienten Mitteleinsatz und die Optimierung des Systems bemüht. Vehement trat Bundesministerin Gehrer gegen
eine, wie sie sagte, Verunsicherung von Eltern und SchülerInnen ein, denn über Schulgeld werde nicht
diskutiert und das werde es auch nicht geben.
Zu völlig anderen Schlussfolgerungen kamen SPÖ und Grüne, die im derzeitigen Bildungssystem große
Defizite orteten. Sie kritisierten den Umgang der Regierung mit dem Volksbegehren scharf und meinten, dass dies
sogar "schlimmer als ein Begräbnis dritter Klasse" sei (Erwin Niederwieser - S). Die Koalition nehme
die Sorgen der BetreiberInnen des Volksbegehrens nicht ernst, die Maßnahmen der Regierung seien nicht dazu
angetan, Lehrende und SchülerInnen zu motivieren und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Der Anteil der
Bildungsausgaben sei im Verhältnis zum BIP gesunken, das Schulsystem sei zu wenig durchlässig und zu
wenig schülerzentriert. Die Studiengebühren seien ein weiterer Mosaikstein zur sozialen Segregation im
Bildungsbereich.
FPÖ und ÖVP beschließen Ausschußfeststellung zum Volksbegehren
Im Unterrichtsausschuss selbst wurde eine umfassende Ausschussfeststellung mit den Stimmen von FPÖ
und ÖVP angenommen, die auf alle Punkte des Volksbegehrens eingeht.
Die Forderungen des "Bildungsoffensive- und Studiengebühren- Volksbegehrens", das von 173.594 Stimmberechtigten
unterstützt worden war, lauten:
1. Gegen Studiengebühren und für den unentgeltlichen Zugang zu Bildung und Schule! 2. Für ein sozial
gerechtes Schüler- und Studienbeihilfensystem! 3. Für ein leistungsorientiertes universitäres Dienstrecht,
das durchgehende Laufbahnen ermöglicht! 4. Gegen Kürzungen und für Reformen im Bildungsbereich!
4.1. Schaffung einer bundesgesetzlichen Regelung für neue Formen der Kooperation zwischen den verschiedenen
Schularten (vertikal und horizontal)! 4.2. Für das Recht auf schulische Berufsausbildung (Vollzeitberufsschule)!
4.3. Für die Senkung der Schülerhöchstzahlen auf 25!
Dazu stellt die FPÖ-ÖVP-Mehrheit des Unterrichtsausschusses fest, dass das differenzierte österreichische
Schulsystem im internationalen Vergleich hervorragend abschneide und diesbezügliche Schulversuche auf der
Sekundarstufe I trotz aufwändiger Anstrengungen keine besseren Leistungen der SchülerInnen gebracht hätten.
Die derzeit existierenden gesetzlichen Möglichkeiten, Kooperationen zwischen den Schularten durchzuführen,
würden für ausreichend erachtet. Auch gebe es in der Wissenschaft keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen
Klassengröße und Schülerleistungen. Ein Vergleich mit anderen OECD-Ländern beweise, dass Österreich
ein ausgezeichnetes Schüler-Lehrer-Betreuungsverhältnis vorweisen könne.
Laut Koalition ist das duale Ausbildungssystem unumstritten, da dieses einen wesentlichen Anteil an der niedrigen
Jugendarbeitslosigkeit in Österreich habe. Durch das im Jahr 2000 in Kraft getretene Lehrlingspaket seien
bürokratische Hemmnisse reduziert und das System der Lehrlingsausbildung flexibler und attraktiver gestaltet
worden. Die Einrichtung einer Vollzeitberufsschule stelle für die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen,
die keinen Lehr- oder Ausbildungsplatz finden konnten, keine Lösung dar, da diese eine betont praktische Ausbildung
anstrebten und bereits jetzt eine schulische Berufsausbildung in Form der berufsbildenden mittleren und höheren
Schulen existiere. Man schließe sich aber der Empfehlung der ExpertInnen an, bestehende Angebote zielgerichtet
bekannt zu machen. |
zurück
|
|
|
Vehement wird dem Vorwurf entgegengetreten, im Bildungsbereich gebe es Kürzungen und keine Reformen. Jeder
siebente Euro an staatlichen Ausgaben werde, so die Ausschussfeststellung, in Bildung investiert. Dazu kämen
zusätzliche 509 Mill. Euro für Forschungsinvestitionen, womit das Bildungsbudget im Jahr 2002 mit 8 Mrd.
€ den höchsten je erzielten Anteil an den Ausgaben des Bundes erreicht habe.
Der Forderung nach einem unentgeltlichen Hochschulzugang schloss sich die FPÖ-ÖVP-Mehrheit des Ausschusses
nicht an. Es gebe bereits ein sozial gerechtes Schüler- und Studienbeihilfensystem, so die Ausschussfeststellung.
Letzteres sei mit der Einführung der Studienbeiträge den neuen Anforderungen entsprechend reformiert
worden, womit sicher gestellt werden konnte, dass niemand aus finanziellen Gründen von einem Studium ausgeschlossen
wird. Die Zahl der aktiv Studierenden sei gleich geblieben, gleichzeitig stiegen die Studierendenzahlen an den
Fachhochschulen.
Die Forderung nach einem leistungsorientierten universitären Dienstrecht, das durchgehende Laufbahnen ermöglicht,
hätte man bereits durch das neue Universitätslehrerdienstrecht erfüllt. Die Durchgängigkeit
der Karriere sei ein Bestandteil dieses neuen Dienstrechts. Vor allem sei darin die wiederkehrende Evaluation der
Qualität der Leistungen von Lehrenden und Forschenden festgeschrieben. Die Umsetzung des neuen Dienstrechtes
sei ein wesentlicher Schritt zur Vollrechtsfähigkeit, da die Universitäten eigenverantwortlich und selbstbestimmt
ihre Personalentwicklung planen könnten.
Dem Unterausschuss waren auch ein Antrag der SPÖ betreffend Qualitätsoffensive an Schulen und in der
Erwachsenenbildung 399/AÄEÜ), der von FPÖ und ÖVP mehrheitlich abgelehnt wurde, sowie zahlreiche
Petitionen und Bürgerinitiativen zugewiesen, die ebenfalls die im Volksbegehren enthaltenen Forderungen thematisieren.
Die Anliegen darin betreffen Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen (10/PET, 14/BI, 15/BI), Sparvorhaben
im Bildungsbereich (19/PET, 11/BI, 16/BI) sowie Sicherung der Qualität im Bildungsbereich (12/BI, 17/BI).
Sie gelten mit dem Ausschussbericht als miterledigt.
Gehrer: Schulgeld steht nicht zur Debatte
In der Generaldebatte, die am Ende des Unterausschusses des Unterrichtsausschusses geführt wurde,
kamen noch einmal die Proponenten des Volksbegehrens, ExpertInnen der Fraktionen und die Abgeordneten zu Wort.
Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens, Bundesschulinspektor Reinhard Dumser, hielt zusammenfassend fest,
dass es den BetreiberInnen in keinster Weise um die Einführung der Gesamtschule gegangen sei, sondern um die
Verbesserung der Chancengleichheit in allen Regionen und das Miteinander von Gymnasien und Hauptschulen. Ihnen
sei die Durchlässigkeit des Systems wichtig, wobei die Kriterien dafür definiert werden müssten.
Was die Klassenschülerhöchstzahlen betreffe, so sei die Situation an Gymnasien und berufsbildenden höheren
Schulen als dramatisch zu bezeichnen, klagte Dumser.
Die InitiatorInnen des Volksbegehrens träten auch nicht für die Abschaffung der dualen Berufsausbildung
ein. Eine Vollzeitberufsschule solle aber jenen Jugendlichen helfen, die derzeit keine Chance auf dem Arbeitsmarkt
hätten. Finanziert werden sollte diese durch einen Ausbildungsfonds, in den jene Betriebe einzahlen, die wenig
Lehrlinge ausbilden. Strikt wandte er sich gegen die Studiengebühren und gab auch seiner Sorge Ausdruck, dass
es zu einer Einführung von Schulgeld kommen werde, was von Bundesministerin Gehrer als eine Verunsicherung
und Fehlinformation scharf zurückgewiesen wurde.
Univ.-Doz. Dr. Bernhard Rathmayr stellte die Frage nach den Zielen von Bildung, die er als "Lebens- und Überlebenshilfe"
definierte, und nannte dazu drei große Bereiche: existenzielles Lebenswissen, das Fragen der Beziehung und
des sozialen Lebens bis hin zur gesunden Ernährung umfasst; allgemeines Bürgerwissen, wozu Themen, wie
Politik, Ökonomie, Ökologie sowie große Zukunfts- und Weltprobleme zu zählen seien; und drittens
das beruflich-technische Qualifikationswissen. Rathmayr sprach sich eindringlich für die Integration dieser
drei Bildungsbereiche auf allen Ebenen aus, wozu auch geeignete Lernprozesse angeboten werden müssten. Geschehe
dies nicht, so würden die Menschen aufgrund ihrer Ohnmacht in Populismus und Vorurteile ausweichen, warnte
der Experte.
Mag. Dieter Grillmayer wies ebenfalls auf die Allgemeinbildung und Berufsvorbildung als wesentliche Komponenten
der schulischen Ausbildung hin. Vor allem müsse die Allgemeinbildung der persönlichen Lebensbereicherung
und staatsbürgerlichen Erziehung zu mündigen Bürgern dienen. Die PISA-Studie habe dem österreichischen
Schulsystem im Großen und Ganzen ein gutes Zeugnis ausgestellt, sowohl euphorische als auch abschätzige
Stellungnahmen seien daher aus seiner Sicht unangebracht. Grillmayer wies auf die Folgewirkung einer Senkung der
Klassenschülerhöchstzahlen auf die Teilungszahlen hin und betonte die Wichtigkeit einer inneren Schulreform.
In dieser Hinsicht sei man mit der geplanten Oberstufenreform auf dem richtigen Weg. |
zurück
|
|
|
Univ.-Prof. Dr. Bernhard Schilcher meinte, dass man die Qualität des österreichischen Schulsystems nicht
unter den Scheffel stellen solle, ziehe man auch das Ranking in internationalen Vergleichsstudien in Betracht.
Diese gäben auch "null Munition" für Schulideologie, denn das Entscheidende sei nicht die Organisation
und schon gar nicht die Ideologie, sondern der Unterricht selbst, und Heterogenität statt Homogenität.
Nicht Geld und Quantitäten spielten eine Rolle, sondern Grundeinstellungen. So habe zum Beispiel die teuerste
Schulform, die wir haben, im internationalen Vergleich am schlechtesten abgeschnitten. Man müsse Soft-Skills
entwickeln, so Schilcher, und nicht nur vom Geld reden. Es komme auch darauf an, wie sehr man bei SchülerInnen
das Interesse wecken könne, die Bedeutung des Elternhauses dürfe ebenfalls nicht unterschätzt werden.
Die ÖH-Vorsitzende Anita Weinberger-Prammer begründete ihre Unterstützung für das Volksbegehren
damit, dass die bestehenden und in letzter Zeit errichteten Hürden im Schul- und Hochschulsystem abgebaut
werden müssten. Der freie Bildungszugang sei ein Grundwert, sage sie und forderte insbesondere die Reduktion
der Klassenschülerhöchstzahlen, da der Gruppenunterricht, welcher pädagogisch wertvoller als der
Frontalunterricht sei, bei 36 SchülerInnen unmöglich gemacht werde. Weinberger-Prammer thematisierte
auch den hohen Druck im Schulalltag und wies auf die hohen Selbstmord- und Depressionsraten unter SchülerInnen
hin.
Als ÖH-Vorsitzende kritisierte sie scharf die Studiengebühren, die viele Studierende und SchülerInnen
vom Studium abhielten. Erstmals sei die Zahl der StudienanfängerInnen, vor allem jene der weiblichen, gesunken.
Das Gleiche gelte für die DissertantInnen, womit der potenzielle wissenschaftliche Nachwuchs reduziert werde.
Die Studiengebühren hätten zu einem Selektionsmechanismus geführt, der insbesondere sozial Schwache
und Berufstätige treffe.
Bildungspolitischer Konsens weiterhin nicht in Sicht
Den kritischen Stellungnahmen widersprach Bundesministerin Gehrer heftig und betonte den hohen Stellenwert,
den die Bundesregierung und die gesamte EU der Bildungspolitik beimesse. Die von den ExpertInnen artikulierten
Ziele einer Persönlichkeitsbildung, wobei spezielle Anlagen und Kompetenzen gefördert werden müssen,
unterstütze sie vollinhaltlich. Sie wies nochmals auf die hohen Bildungsausgaben hin sowie auf das Bemühen,
diese effizient einzusetzen. Gehrer erläuterte in weiterer Folge eingehend den Standpunkt der Regierung, wie
er auch in der Ausschussfeststellung dargelegt wird, und machte darauf aufmerksam, dass eine Senkung der Klassenschülerhöchstzahlen
auf 25 einen Mehraufwand von 40 Mrd. S erfordern würde, ohne dass dieser Mitteleinsatz einen besseren Ertrag
brächte. Das Schulsystem bedürfe keiner umfassenden organisatorischen Reform, sondern einer Weiterentwicklung,
wie man sie mit der AHS- Oberstufe und den Pädagogischen Akademien plane.
Strikt wandte sie sich gegen die falsche Information, an höheren Schulen seien Gebühren geplant. Die
Studienbeiträge wirken sich ihrer Ansicht nach auf die Ernsthaftigkeit hinsichtlich des Studiums aus und es
gebe weniger Beliebigkeit. Die Uni-Reform nannte sie eine Entwicklung zur Autonomie und Selbständigkeit, in
der Studierende als Partner gesehen würden.
Nicht so positiv wie die Regierungsparteien interpretierte Abgeordneter Dieter Brosz (G) die internationalen Studien.
Diese hätten einen Rückgang der Bildungsausgaben, gemessen am BIP, ergeben. Außerdem zeige die
Analyse deutlich, dass MigrantInnen wesentlich schlechter abschnitten als inländische SchülerInnen, die
Geschlechterproblematik noch immer groß sei, da Österreich bei den Leistungen der Mädchen von 31
OECD-Staaten an vorletzter Stelle liege, und die soziale Segregation voran schreite. Sein Klubkollege Kurt Grünewald
kritisierte scharf die Uni-Reform, mit der er die Wiedereinführung eines Kastenwesens befürchtet. Die
Studiengebühren seien kein pädagogisches Instrument der Studienbeschleunigung, sagte Grünewald.
Als Ziele von Bildung definierte Dieter Antoni (S) die persönliche Orientierung in einer komplizierter werdenden
Welt, die Entwicklung von Fähigkeiten, um am gesellschaftlichen und politischen Leben teilnehmen und mitgestalten
zu können, und schließlich die Qualifikation für den Arbeitsmarkt. Dafür bedürfe es eines
breiten Angebots mit hoher Qualität, das für alle zugänglich, flexibel, durchlässig, dynamisch,
demokratisch und solidarisch sei. Die Schule müsse motivieren und interessierte, selbstverantwortliche Menschen
erziehen. Der Staat habe als Garant für lebensbegleitendes Lernen die Grundlage dafür zu schaffen. Eine
permanente Kosten-Nutzen-Rechnung bringe nichts. "Erschüttert" über die Ausschussfeststellung,
die dokumentiere, wie man mit dem Volksbegehren umgehe, zeigte sich Erwin Niederwieser (S). Was da geschehe, sei
schlimmer als ein Begräbnis dritter Klasse, sagte er.
Abgeordneter Rüdiger Schender (F) ging in seiner Wortmeldung näher auf die Ausschussfeststellung ein
und fasste zusammen, dass Österreich über ein gutes, differenziertes, leistungsstarkes und flexibles
Bildungssystem verfüge. Weitergehende Reformen seien nicht zielführend und brächten keine besseren
Leistungen der SchülerInnen. Die internationalen Studien hätten gezeigt, dass Österreich nicht im
absoluten Spitzenfeld liege und dies müsse man durchaus kritisch analysieren. Wenn es nach ihm geht, so sollten
die weiteren Überlegungen in Richtung Ausbau moderner Lernmethoden sowie praxis- und lösungsorientierter
Unterricht gehen. Auch sollte man neue Modelle, wie Formen von Modulen, andenken, regte Schender an.
Abgeordnete Gertrude Brinek (V) räumte ein, dass das lebensbegleitende Lernen bisher vernachlässigt worden
sei. Bildungspolitik müsse sich an einer aufgeklärten Gesellschaft orientieren, die arbeitsteilig und
professionalisiert sei Die Schule habe auch Fähigkeiten zu vermitteln, die später nie mehr angeboten
würden, etwa die Kulturtechniken. Die Schule dürfe man aber nicht überfrachten, bemerkte Brinek.
Für sie sei es wichtig, die innere Schulreform voranzutreiben, denn die Hoffnungen, die man in äußere
Reformen gesetzt habe, hätten sich nicht erfüllt.
Am Ende der Beratungen wurde Abgeordneter Rüdiger Schender (F) einstimmig zum stellvertretenden Vorsitzenden
des Unterrichtsausschusses gewählt. Jutta Wochesländer (F) wurde neue Schriftführerin.
|
zurück
|
|
|