Referat des Nationalratspräsidenten bei Europakonferenz in Bozen
Wien/Bozen (pk) - Für die Verankerung der Rechte von Minderheiten, die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips
und der lokalen Selbstverwaltung und eine "Deregulierung" - die Rückführung von Kompetenzen
von Brüssel an Länder, Regionen und Gemeinden - sprach sich Nationalratspräsident Andreas Khol in
einem Referat aus, das er am Wochenende (29./30. 03.) im Rahmen der Europakonferenz
der Autonomen Region Trentino-Südtirol in Bozen gehalten hat.
Khol verwies in seinem Referat auf die neue italienische Verfassung mit dezentralisierten Regionen. Seine Heimat
Südtirol bezeichnete der Präsident als ein "Modell für gelebte Dezentralisierung, für
gelebte Autonomie, für die Kraft der Subsidiarität, Probleme zu lösen". Regionen und Gemeinden
müssten diesbezüglich in der EU ein Klagerecht erhalten, sagte Khol weiter, damit man ihren Bestand nicht
gefährde. Was aber noch fehle, sei eine "Deregulierung, die Rückführung von Kompetenzen, die
derzeit die Union wahrnimmt". Viele, sehr ins Detail gehende Regelungen würden Länder und Gemeinden
stark binden, und sollten - entsprechend dem Prinzip der Subsidiarität - nicht notwendiger Weise von der Oberautorität
wahrgenommen werden. Khol in diesem Zusammenhang wörtlich: "Ich bin überzeugt, dass es richtig ist,
dass wir den Föderalismus, den Minderheitenschutz, die Gemeindeautonomie vertreten. Wir müssen auch sicher
stellen, dass die staatlichen Parlamente weiterhin Sitz der Kompetenz-Kompetenz sind, also über die Verträge
entscheiden."
Österreich trete daher dafür ein, führte Nationalratspräsident Khol weiter aus, dass bereits
im Vorfeld darauf geachtet werde, ob ein bestimmtes Vorhaben der EU besondere Auswirkungen auf einzelne Regionen
haben könne; wenn erforderlich, sollten in solchen Fällen Ausnahmebestimmungen vorgesehen werden. Die
Regionen mit Gesetzgebungsrechten, also die Bundesländer und die autonomen Provinzen wie Südtirol, sollen
- wie im Konventsentwurf vorgesehen - ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof erhalten, wenn das Subsidiaritätsprinzip
nicht eingehalten wird. Dies würde auch die Autonomie Südtirols absichern.
In diesem Zusammenhang stellte Khol erneut klar, dass das Gruber-de-Gasperi-Abkommen zwischen Österreich und
Italien auch durch eine neue europäische Verfassung in keiner Weise gefährdet ist. "Pacta sunt servanda
- bestehende Verträge müssen eingehalten werden."
Der Verfassungsentwurf der EU, wie er jetzt vorliegt, unterstreicht den Grundsatz des Föderalismus und weist
den Regionen und Bundesländern wichtige Aufgaben zu. "Das ist Recht so, denn angesichts der globalen
Gefahren brauchen die Menschen die örtliche Beheimatung - und Heimat ist immer lokal", sagte Khol.
Hinsichtlich der Minderheiten betonte der Nationalratspräsident, dass diese besondere kollektive Rechte brauchten.
Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz seien nicht ausreichend. Er hoffe, sagte der Nationalratspräsident,
dass es gelingen werde, diesen Standpunkt auch Ländern wie Frankreich, Spanien und Großbritannien, die
in der Frage der Minderheiten einen anderen Standpunkt vertreten, nahe zu bringen.
Präsident Khol ist bei der Europakonferenz auch mit dem italienischen Außenminister Frattini zu einem
Gedankenaustausch zusammen getroffen. Dabei hat er das Thema Südtirol angesprochen. In der Frage war es zuletzt
zu Irritationen gekommen, weil Frattini die Auffassung vertreten hatte, durch die künftige europäische
Verfassung würden das Gruber-de-Gasperi-Abkommen und die Schutzmachtrolle Österreichs hinfällig
werden. |