EU-Referendum in Ungarn: Wachstumschance durch klares Ja  

erstellt am
14. 04. 03

EU-Beitritt treibt Wirtschaftsdynamik weiter an – Herausforderung Maastrichtkriterien
Wien (ba-ca) - Das ungarische Volk entschied am 12. April 2003 über den Beitritt zur Europäischen Union. Damit ist Ungarn nach Malta und Slowenien das dritte Land der großen Erweiterungsrunde im Mai 2004, das über den Beitritt zur EU abgestimmt hat. Ungarn hat sich mit einer überwältigenden Mehrheit für einen EU-Beitritt ausgesprochen.

"Die Wirtschaft Ungarns ist seit Jahren auf EU-Kurs. Durch das Ja der Ungarn holt jetzt die Politik die wirtschaftliche Realität ein", sagt Marianne Kager, Chefvolkswirtin der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA). "Davon profitiert die ungarische Wirtschaft ebenso wie der österreichische Außenhandel." Für Österreich ist Ungarn heute der wichtigste osteuropäische Handelspartner: Mit einem Volumen von 3,3 Milliarden Euro rangiert Ungarn hinter Deutschland, Italien, Schweiz, Großbritannien und Frankreich auf Platz 6 der österreichischen Exporte. Der Anteil der österreichischen Ausfuhren nach Ungarn ist seit 1989 von 2 Prozent auf 4,3 Prozent der gesamten österreichischen Exporte gestiegen.

Der EU-Beitritt im Mai 2004 stellt einen vorläufigen Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung dar, in der sich Ungarn zunehmend in die europäische Wirtschaft integriert hat. Ungarn hat seit der Wende stark von dem Ausbau und der Belebung des Außenhandels profitiert. Die gesamten Exporte Ungarns haben sich zwischen 1990 und 2002 fast verfünffacht, auf rund 36,5 Milliarden Euro. Der Anteil der Ausfuhren in die Europäische Union beträgt mittlerweile fast 75 Prozent (1990: 42,1 Prozent). Damit hat Ungarn die höchste Exportverflechtung mit der Union von allen EU-Beitrittskandidaten. Etwa 65 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen stammen aus den Mitgliedsländern der EU. Insgesamt betrugen die ausländischen Direktinvestitionen in Ungarn Ende 2002 etwa 27 Milliarden Euro. Umgerechnet auf die Bevölkerung sind das 2.700 Euro pro Kopf. Unter den Beitrittskandidaten liegt dieser Wert nur in der Tschechischen Republik, mit 3.800 Euro pro Einwohner, höher.

EU-Beitritt treibt Wirtschaftsdynamik weiter an Seit Mitte der 90er Jahre wächst die ungarische Wirtschaft mit durchschnittlich 4 Prozent mehr als doppelt so dynamisch wie jene der EU. Damit konnte das BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten auf mittlerweile 12.600 Euro gesteigert werden. Das entspricht immerhin bereits mehr als 50 Prozent des EU-Durchschnitts.

Nach dem Anstieg des BIP um 3,3 Prozent im Vorjahr erwarten die BA-CA Volkswirte für 2003 ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent. Im nächsten Jahr ist mit internationalem Rückenwind ein stärkerer Konjunkturaufschwung zu erwarten. "Während der private Konsum an Kraft verliert, wird die Investitionstätigkeit zum Motor der Entwicklung", prognostiziert

BA-CA Ungarn-Experte Walter Pudschedl. Zudem sollte auch die Exportnachfrage der Wirtschaft neuen Schwung verleihen, so dass der Anstieg des BIP 2004 auf etwa 4 Prozent zunimmt. Mittelfristig wird Ungarn damit wieder das Potenzialwachstum von 4 bis 4 ½ Prozent erreichen.

Die ungarische Wirtschaft wird von der Teilnahme am gemeinsamen Binnenmarkt und der anhaltend positiven Außenhandelsentwicklung weiter profitieren. Zudem sieht der "Nationale Entwicklungsplan", die Basis für die Verteilung von EU-Ressourcen des Struktur- und Kohäsionsfonds, zwischen 2004 und 2006 zusätzliche Investitionen von 1.200 Milliarden Forint (ca. 5 Milliarden Euro) vor. "Allein dadurch wird sich ein Wachstumsimpuls von mehr als einen halben Prozentpunkt pro Jahr ergeben", meint Ungarn-Experte Pudschedl.

Noch weit nach Maastricht
Auf dem Weg in den Euro hat Ungarn allerdings nach Einschätzung der BA-CA Experten noch einiges zu erledigen. "Die Inflationsentwicklung und das Defizit im öffentlichen Haushalt sind die derzeitigen Schwachpunkte", meint Chefökonomin Kager. "Die Reduktion auf das geforderte Maß, zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien, erscheint innerhalb der nächsten zwei Jahren schwierig." Im laufenden Jahr wird die Inflation, getrieben von der starken Inlandsnachfrage und dem Ölpreis, wieder über der 5 Prozent-Marke liegen.

Das Budgetdefizit wird zwar 2003 deutlich unter dem Rekordwert des Vorjahres von 9,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, aber voraussichtlich den Voranschlag von 4,5 Prozent des BIP überschreiten. Damit könnte die öffentliche Verschuldung auch über die

Grenze von 60 Prozent des BIP ansteigen. "Ungarn muss nun die richtigen Maßnahmen setzen. Sonst muss das Land später eine sehr restriktive Politik zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien ergreifen", sagt Kager.
     
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