Wien (rk) - Lord George Weidenfeld, eine der wichtigsten Verlegerpersönlichkeiten
der Nachkriegszeit, erhielt am Donnerstag (10. 04.) im Roten Salon des Wiener Rathauses
das "Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien". Die Verleihung nahm Kulturstadtrat Andreas
Mailath-Pokorny vor, die Laudatio hielt Fritz Molden.
In seiner Begrüßung wies Stadtrat Mailath-Pokorny auf die historische Bedeutung des Roten Salons hin.
Im Roten Salon sei 1945 die Zweite Republik gegründet worden; er sei der passende und würdige Rahmen
für die heutige Auszeichnung an Lord Weidenfeld. "Lord Weidenfeld gehört zu jenen, die 1938 rechtzeitig
nach England in die Freiheit emigrieren konnten. An seiner Person werde einmal mehr bewusst, schmerzlich bewusst,
welches menschliche und intellektuelle Vakuum in Österreich durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten
und deren schrecklichen Folgen entstanden ist." Stadtrat Mailath-Pokorny ging darüber hinaus auf den
"Brückenbauer" Lord Weidenfeld ein: Lord Weidenfeld habe Brücken gebaut zwischen den Kulturen
und Religionen. Ihm sei es gelungen, den Dialog zwischen Israel und Deutschland sowie zwischen Israel und Österreich
einzuleiten und voranzutreiben. Dank seiner Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten und dank seiner bemerkenswerten
Fähigkeit, diese Kontakte zu knüpfen und Menschen zusammenzuführen, habe er zur Aussöhnung
dieser Staaten beigetragen.
Einen Überblick über Leben und Schaffen Lord Weidenfelds gab Fritz Molden in seiner sehr persönlichen
Laudatio: "Lord Weidenfeld hat diese Stadt geliebt; hier hat er seine ersten kulturellen und politischen Fühler
ausgestreckt. Hier kam er mit dem Sozialismus, später mit dem Zionismus in Kontakt." In seinem Verlag,
"dem vielleicht wichtigsten Verlagshaus des Nachkriegsenglands", habe er die bedeutendsten Autoren seiner
Zeit herausgebracht. Lord Weidenfeld habe viele Initiativen angeregt und stets nach vorne geschaut, schloss Fritz
Molden.
Lord Weidenfeld bedankte sich für die Anerkennung durch die Auszeichnung; er fühle sich sehr geehrt:
"Der heutige Tag ist eine wichtige Station einer Rundreise, die in Wien begann und immer wieder nach Wien
führt." Brücken zu bauen und Kontakte zwischen Menschen herzustellen sei für ihn immer eine
Lebenseinstellung gewesen, eine Art Sport und eine Vergnügen.
George Weidenfeld wurde 1919 in Wien geboren. Nach dem Piaristen-Gymnasium studierte er Jus und besuchte die Konsularakademie.
1938 gelang George Weidenfeld die Emigration nach England, wo er als Journalist und Kommentator bei der BBC arbeitete.
1948 gründete er gemeinsam mit seinem Kollegen Nigel Nicholson den Verlag Weidenfeld & Nicholson. 1949
ging er für ein Jahr nach Israel als politischer Berater und Chef des Kabinetts von Israels erstem Präsidenten
Chaim Weizmann. Nach seiner Rückkehr nach England nahm er seine Verlegertätigkeit wieder auf. Lord Weidenfeld
hat die Werke zahlreicher Historiker, die Memoiren angesehener Politiker und Literatur publiziert, darunter Albert
Speer, Saul Bellow, Vladimir Nabokov und Mary McCarthy. In London setzte er auch seine politische Arbeit als enger
Berater von Premierminister Harold Wilson fort. 1976 wurde er auf dessen Vorschlag in den hohen Adelsstand erhoben
und erhielt einen Sitz im Londoner Oberhaus. Lord Weidenfeld verstand sich immer als "Brückenbauer".
Durch seine hervorragenden Kontakte zu internationalen Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Gesellschaft
spielte er eine große Rolle als Vermittler zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen. Er förderte
den Dialog und die Aussöhnung zwischen Israel und Deutschland sowie zwischen Israel und Österreich. 1995
erschien die deutsche Ausgabe seiner Autobiographie "Von Menschen und Zeiten" im Europaverlag. Lord Weidenfeld
blieb seinem Geburtsland Österreich immer verbunden; er war bei den "Wiener Vorlesungen" zu Gast
ebenso beim Theodor Herzl-Symposium. Im April 2002 erhielt Lord Weidenfeld das Österreichische Ehrenkreuz
für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse. |