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Zustimmung zur EU-Erweiterung! |
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erstellt am
10. 04. 03
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Schlussfolgerungen der Erweiterungsverhandlungen
von Kopenhagen
Straßburg (europarl) - "Es liegt in unserer Hand, ob dieser Kontinent nun wieder vereinigt
wird", sagte Elmar BROK (EVP-ED, D). Stabilität, Frieden und Wohlstand lägen in greifbarer
Nähe. Diese Vereinigung werde Wirkungen nach innen und außen entfalten. Dem Wunsch Adenauers entsprechend
verliere Deutschland seine geografische Randlage und besitze nun, von der Grenze mit der Schweiz abgesehen, keine
Außengrenze mehr zu Drittstaaten. Trotz der Fortschritte bleibe aber noch viel zu tun, um Korruption, administrative
Defizite und Benachteiligung von Minderheiten in den Beitrittsländern zu beseitigen. Das EP werde auch weiter
das Monitoring begleiten. Spätere Aufnahmen von Rumänien und Bulgarien würden uns allerdings nötigen,
die Union in "Abstimmung mit ihrer Leistungskraft" neu zu definieren. Auch müssten die Beziehungen
zu den Nachbarn neu bestimmt werden.
Reimer BÖGE (EVP-ED, D) begrüßte den Kompromiss bezüglich der Finanziellen Vorausschau,
da die Mitentscheidungsrechte des EP und die Kopenhagen-Kriterien gewahrt wurden. Fünf Triloge hätten
in Abstimmung mit der Kommission und der griechischen Ratspräsidentschaft zu einem Kompromiss auf der Basis
von Artikel 25 der Interinstitutionellen Vereinbarung geführt. Kompromisse seien bei den Bürgerprogrammen
sowie der Vorbeitrittsstrategie erzielt worden. Das EP habe sein Mitentscheidungsrecht behauptet und die Handlungsfähigkeit
der Institutionen unter Beweis gestellt.
Für Joan COLOM I NAVAL (SPE, E) stellte der Anhang 15 zum Erweiterungsvertrag einen Bruch der Interinstitutionellen
Vereinbarung dar. Zwar wünsche er sich die vollständige Streichung dieses Anhangs; aber durch den Kompromiss
habe man erreicht, dass keine Diskriminierung von alten und neuen Staaten entstehe, die Rechte des EP gewahrt blieben
und die Hilfe für die Türkei in Rubrik 7 aufgenommen werde.
Vertreter des Rates
Für den Vertreter der griechischen Ratspräsidentschaft, den stellvertretenden Außenminister
Tassos GIANNITSIS, ist es ein Privileg, dass er an diesem historischen Tag an der Debatte teilnehmen kann.
In einer Woche würden die Beitrittsverträge im Alten Markt unterhalb der Akropolis unterzeichnet; dort,
wo vor 2000 Jahren die Demokratie geboren wurde. Die EU sei eine Gemeinschaft der Werte, ihr Erfolg hänge
von der Verankerung dieser Werte ab. Die Teilung des Kontinents werde durch die Erweiterung endlich überwunden.
Diesem Ziel eines geeinten Europas und der Solidarität zwischen den Völkern habe sich die EU immer verschrieben.
Alle Beteiligten hätten auf gleicher Grundlage mit gleichen Chancen am Erweiterungsprozess teilnehmen können.
Die Dynamik der europäischen Integration werde durch die Erweiterung nicht gefährdet. Giannitsis würdigte
die Bemühungen der Beitrittsländer und die politische Unterstützung des EP für den Erweiterungsprozess.
Alle Bürger in den Beitrittsländern richteten heute den Blick auf das Parlament. Trotz der negativen
internationalen Umstände habe man in Europa Grund dazu, optimistisch zu sein. Die EU spiele als Raum der Stabilität
und Frieden eine wichtige Rolle in der Welt. Die EU sei ein ideales Modell für die wirtschaftliche Entwicklung
und für den sozialen Zusammenhalt.
Man befinde sich in einer Spannungsphase. Die Mitgliedstaaten müssten zeigen, dass sie für politische
Zugeständnisse bereit seien. Die Werte der Demokratie, der Menschenrechte und der Solidaridität müssten
verteidigt werden. Die EU müsse ihre außenpolitischen Probleme überwinden. Sie müsse die Beziehungen
mit allen Partnerstaaten vertiefen. Sie müsse allen EU-Bürgern ohne Diskriminierung eine Heimat sein.
Die EU erhalte durch die Erweiterung eine neue Dynamik. Sowohl politisch als auch wirtschaftlich und sozial seien
noch einige Reformen notwendig.
Vertreter der Kommission
Kommissar Günter VERHEUGEN erinnerte an den Einsatz des EP für eine Wiedervereinigung
Europas - noch zu Zeiten des Kalten Krieges und danach. 70 Millionen Menschen hätten enorme Reformanstrengungen
unternommen, um den Schritt des Beitritts zu vollziehen. Verheugen würdigte die historischen Verdienste der
Beitrittsstaaten bei der Überwindung des Eisernen Vorhangs.
Die Kommission werde im Hinblick auf die Sicherheitsklauseln weiter präzise die Defizite in einzelnen Beitrittsländern
benennen. Es sei ein sehr gutes Ergebnis, dass bei einigen Tausend Verpflichtungen nur in 25 Fällen die Kommission
einzelne Beitrittsstaaten zu Maßnahmen habe auffordern müssen. Diese Maßnahmen seien erfolgt.
Er sehe noch immer Defizite in der Verwaltung und beim Schutz der Menschenrechte. Auch hinsichtlich der Chancengleichheit
mache er sich Sorgen, dies freilich nicht nur in den neuen Mitgliedsländern.
"Es ist die am besten vorbereitete Erweiterung der EU." Die Sorge einiger um die weitere Integration
sei unbegründet: "Die neuen Mitglieder wollen schon im eigenen Interesse eine starke Gemeinschaft."
Es werde einen "neuen Enthusiasmus" geben. "Die neuen Mitglieder werden keine engstirnige Interessenpolitik
betreiben." Das außenpolitische Problem der letzten Wochen seien nicht die Beitrittsländer gewesen,
sondern dass es keine einheitliche europäische Position gegeben habe. "Sind wir selber ausreichend vorbereitet?
Hier ist meine Antwort etwas zurückhaltender." Weitreichende Reformen, die schon vorher dringlich waren,
seien jetzt noch dringlicher. Verheugen verwies auf den Konvent.
Der Türkei habe in Kopenhagen einen Fahrplan erhalten. Ende nächsten Jahres werde zu entscheiden sein,
ob die politischen Voraussetzungen erfüllt sind. "Die Balkan-Länder haben eine Beitrittsperspektive",
schloss Verheugen.
Vertreter der Fraktionen
Hans-Gert POETTERING (EVP-ED, D) hob hervor, dass er zu seinem Mandatsbeginn 1979 nicht geglaubt
hätte, diesen Traum der Vereinigung von Europa jemals zu erleben. Schon Robert Schuman hätte in den sechziger
Jahren den Traum gehabt, dass eines Tages alle Europäer zu einer Gemeinschaft gehören werden. "Zukunft
kann man nur gestalten, wenn man die Geschichte kennt", sagte Poettering und stellte fest, dass "Versöhnung
durch Wahrheit erreicht werden muss". Bei aller Unterstützung für die Erweiterung bedauere er dennoch,
dass die Tschechische Republik kein Bedauern über die Vertreibung von Menschen zum Ausdruck gebracht habe.
Die Europäische Verfassung werde allerdings einen Weg in die Rechtssicherheit eröffnen und auch den Kritikern
gute Argumente für die Erweiterung geben.
Enrique BARÓN CRESPO (SPE, E) unterstrich, dass seine Fraktion die Tür zur Erweiterung öffnen
und die durch die Abkommen von Jalta und München hervorgerufene Trennung beenden wolle. Diese Verabredung
mit der Geschichte sei allerdings kein Endpunkt, sondern ein Ausgangspunkt für die europäische Entwicklung
in einer Zeit, in der man dem amerikanischen Unilateralismus begegnen müsse. Er unterstütze im Namen
seiner Fraktion die Forderung nach einer gemeinsamen Willensbekundung aller Staaten zum Irak, um humanitäre
Hilfe und eine Konfliktlösung im Rahmen der UNO voranzutreiben.
Cecilia MALMSTRÖM (LIBE, S) begrüßte diesen historischen Tag für die Europäische
Union, der eine friedliche Vereinigung europäischer Staaten einleite. Ihre Fraktion unterstütze alle
Beitrittsgesuche. Die Probleme im Haushaltsbereich dürften nicht als Argument gegen die Erweiterung verwendet
werden. Zwar bestünden noch Probleme beim Minderheitenschutz, der Korruption, dem Menschenhandel und der Zypernfrage;
aber die Union und eine zukünftige Verfassung würden einen Kontrollmechanismus für alle mit sich
bringen.
Francis WURTZ (KVEL/NGL, F) unterstrich, dass seine Fraktion für die Erweiterung stehe, aber etliche
Abgeordnete Schwierigkeiten mit dem Brok-Bericht hätten. Frieden und Sicherheit seien zu begrüßen,
aber es müsse auch ein Konsens unter den Völkern gesucht werden. "Wir brauchen eine Debatte unter
den Völkern Europas und nicht nur unter den Regierungen." "Der Kampf für die Erweiterung"
sei daher weiter fortzusetzen.
Daniel Marc COHN-BENDIT (GRÜNE/EFA, F) erklärte, die europäische Einigung sei das Ergebnis
des Kampfes der Völker im Osten gegen den Totalitarismus. Sie sei gestützt auf Demokratie und Antitotalitarismus.
Seine Fraktion werde einstimmig Ja zur Erweiterung sagen. Sie werde sich jedoch teilweise gegen den Brok-Bericht
aussprechen. Dies, da man, was die Kapazitäten der EU angehe, nicht das für die Erweiterung notwendige
Niveau erreicht habe. Aufgrund nationaler Egoismen sei man zu Reformen nicht in der Lage gewesen. "Wollen
wir Revolutionäre oder Konservative sein?" Wenn man die EU der Fünfzehn wie bisher bewahren wolle,
werde das die erweiterte EU in eine Krise führen. "Einstimmigkeit ... ist reiner Wahnsinn." Auch
die transatlantischen Beziehungen müssten reformiert werden. Das erweiterte Europa sei ein anderes als das
der fünfziger Jahre. Man sei kein Jasager. Diese Aussage fehle im Brok-Bericht. Wer Ja zur Erweiterung sage,
müsse auch Ja zu einem Konvent sagen, der bereit ist, die Institutionen tiefgreifend zu reformieren.
Laut Charles PASQUA (UEN, F) ist durch den Kompromiss zu den Haushaltsfragen das Schlimmste verhindert worden.
Zum Glück habe der gesunde Menschenverstand gesiegt. Ansonsten wäre bei den neuen Mitgliedstaaten das
Gefühl der Abweisung entstanden. Seine Fraktion werde - bei einer Enthaltung - mit Ja stimmen. Durch die Erweiterung
könnten nun von Kriegen hervorgerufene Wunden in Europa geheilt werden. Auch würden Ungerechtigkeiten
beendet. Er bedauere, dass es der EU nicht schon am Tag nach dem Zusammenbruch der Mauer gelungen sei, sich zu
öffnen. Die Erweiterung werde zu grundlegenden Veränderungen der EU beitragen. Es freue ihn, dass der
Föderalismus dabei verlieren werde. Für ihn gehe es nicht um eine Erweiterung, sondern um ein Wiederfinden
unserer Brüder.
Francesco SPERONI (FL, I) erinnerte daran, dass als erstes Ziel im Unionsvertrag die Förderung des
Wirtschaftsfortschrittes genannt sei. Er hoffe, dass man dies nicht vergesse. Wenn Zypern ein Teil der EU werde,
sei die türkische Besetzung Zyperns nicht mehr akzeptabel.
Berichterstatter
Jürgen SCHRÖDER (EVP-ED, D) sagte: "Die politische Geste des Präsidenten Vaclav Klaus
darf nicht klein geredet werden." Klaus habe die Vertreibung der Sudetendeutschen bedauert. Dies sei ein Zeichen
der Hoffnung. Nicht nur die Tschechen, sondern auch gestandene Mitglieder der EU hätten Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung.
"Wir nehmen nicht nur Regierungen, Parteien und Fraktionen, sondern Menschen auf."
Michael GAHLER (EVP-ED, D) sagte, es sei ein enormer Weg zurückgelegt worden. Estland habe im Vergleich
zu anderen Staaten eine schlechtere Ausgangsposition gehabt. "Das estnische Reformmodell ist unabhängig
von den Regierungswechseln immer ein konsequentes gewesen." Der Einsatz von Technologie sei vorbildlich. Korruption
spiele fast keine Rolle. Auch Litauen habe enorme Anstrengungen unternommen, bedürfe jedoch noch der Unterstützung
im Hinblick auf die Umsetzung des Kaliningrad-Transit-Abkommens.
Jacques POOS (SPE, L) meinte, es gebe eine Vision für einen zypriotischen Bundesstaat. Diejenigen,
die den Vorschlag ablehnten, hätten eine historische Verantwortung. Juristisch werde die gesamte Insel Mitglied,
da der türkische Teil der Insel gemäß einer Entscheidung des UN-Sicherheitsrates nicht als Staat
anerkannt werden dürfe. Faktisch werde der nördliche Teil nicht am Gemeinschaftlichen Besitzstand teilnehmen.
Elisabeth SCHROEDTER (GRÜNE/EFA, D) stellte fest, dass ein erfolgreicher Prozess der Reformen in Lettland
durchgeführt wurde. Sie hoffe trotz der Probleme in der Justiz und bei der Integration russischsprachiger
Bürger auf eine breite Zustimmung für den Beitritt von Lettland. Die Hauptprobleme lägen jedoch
bei den alten Unionsstaaten, da sich bei der Agrar- und Strukturpolitik sowie der Reform der Institutionen keine
großen Fortschritte ergeben hätten. Lettland dürfe nicht für unsere Reformunfähigkeit
bestraft werden. Der Enthusiasmus von Lettland könne vielmehr dazu beitragen, auch bei uns eine Reformpolitik
einzuleiten. Abschließend forderte sie dazu auf, bei der Zustimmung zur Erweiterung die Unterstützung
von Polen, Tschechien und anderen beim Fall des "Eisernen Vorhangs" nicht zu vergessen.
Ioannis SOULADAKIS (SPE, GR) betonte, dass man den Finger nicht auf die Probleme legen solle, sondern die
gemeinsamen Werte und Hoffnungen hervorheben müsse. Europa werde an historischer Bedeutung gewinnen. Kultur
und Zivilisation würden durch die Erweiterung vertieft. Wie für Litauen hoffe er auch für Zypern
auf einen erfolgreichen Beitritt.
Luís QUEIRO (UEN, P) stellte fest, dass Ungarn herausragende Fortschritte seit dem Verhandlungsbeginn
im März 1998 gemacht habe. Eine florierende Wirtschaft und geringe Arbeitslosigkeit seien das Ergebnis. Ungarns
BIP stelle 13 % des BIP aller Kandidatenländer dar. Auch habe es Ungarn geschafft, bei allen Fortschritte
im Bereich der Kultur und der audiovisuellen Medien seine Identität zu wahren. Schwierigkeiten beim Minderheitenschutz,
dem organisierten Verbrechen und der Verwaltung seien zwar nicht zu leugnen, aber würden konsequent angegangen.
Er hoffe daher auf die Unterstützung für Ungarn, damit Ungarn seinen Platz in Europa finden kann. |
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Ursula STENZEL (EVP-ED, A) erklärte, Malta sei zutiefst von europäischer Kultur und Geschichte
geprägt. Das Land habe den Sprung von einem geschützten Inselstaat zu einem dem Wettbewerb ausgesetzten
Land geschafft. Man habe sich auf Übergangsfristen für Werften, den Zweitwohnsitz und für steuerliche
Ausnahmen geeinigt. In einem Referendum hätte 53 % der Bevölkerung dem Beitritt zugestimmt. Der Beitrittsvertrag
müsse nun noch im Parlament ratifiziert werden. Die Zustimmung zum EU-Beitritt werde auch von den Wahlen am
12. April abhängen.
Die ÖVP-Abgeordneten würden dem Brok-Bericht und allen Länderberichten zustimmen. Österreich
werde durch die Erweiterung von einer EU-Randlage ins Zentrum rücken. Man erwarte hierdurch wirtschaftliche
Vorteile und eine gute Nachbarschaft zu den angrenzenden Ländern. Nicht alle Probleme würden sofort gelöst
werden können, aber in Zukunft wohl besser und schneller.
Jas GAWRONSKI (EVP-ED, I) erklärte, dass Polen eine wichtige Rolle im Erweiterungsprozess gespielt
habe. Nicht nur sei Polen das größte Land, auch habe in Polen der Freiheitskampf gegen die Unterdrückung
begonnen. Ohne Polen und insbesondere Lech Walesa wäre die Mauer nicht gefallen. Er verstehe die Gründe
nicht, aus denen Kollegen Nein zur Erweiterung sagen wollten. Hierdurch wolle man die Länder bestrafen, die
sich für die USA ausgesprochen hätten. Man streite hiermit den Beitrittsländern ein Recht ab, das
die Mitgliedstaaten innehätten.
Demetrio VOLCIC (SPE, I) erklärte, Slowenien sei gut auf den neuen Schritt vorbereitet. Slowenien sei
immer das erste Land gewesen, dass die Bedingungen für die Erweiterung erfüllt habe. Bis heute habe es
über 80 % der EU-Forderungen erfüllt. Die Nähe Sloweniens zur EU habe sich in dem Referendum gezeigt,
in dem 89,61 % der Bürger für die Erweiterung gestimmt hätten. Slowenien könne und wolle in
Zukunft ein Modell für den Balkan werden.
Jan Marinus WIERSMA (SPE, NL) brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Slowakische Republik
ihre Rückstände bei den Kopenhagen-Kriterien aufgeholt habe. Die Wahlen von 1998 hätten eine wesentliche
Verbesserung für die Justiz-, die Verwaltungs- und die Minderheitenpolitik mit sich gebracht. Gute Ansätze
bestünden bei der Korruptionsbekämpfung und der Gleichstellung von Roma und Sinti. Es gebe mittlerweile
keine signifikanten Unterschiede zu den anderen Beitrittsländern mehr. Er hoffe, dass die Slowakische Republik
auch in der Lage sei, die Finanzmittel der Gemeinschaft zu absorbieren und richtig einzusetzen.
Sprecher des Ausschusses für konstitutionelle Fragen
Reinhard RACK (EVP-ED, A) verlangte, dass mehr Überzeugungsarbeit für die Erweiterung
geleistet werden müsse, um auch die Herzen der Menschen zu erreichen. Zwar unterstütze er den Fahrplan
zum Beitritt; er bedauere aber, dass das Parlament nicht immer entsprechend konsultiert worden sei.
Weitere deutschsprachige Abgeordnete
Hans MODROW (KVEL/NGL, D) bezog sich auf die Tschechische Republik und stellte fest, dass die Geschichte
zwei Seiten habe. Er habe sich am 4. Dezember 1989 bei der tschechischen Regierung für die Intervention von
1968 entschuldigt ohne allerdings den 9. Mai 1945 vergessen zu haben. Man dürfe keine neuen Gräben schaffen,
aber historische Zusammenhänge müssten auch weiterhin beachtet werden. Er befürworte, dass Europa
mit einer Stimme spreche; aber dies müsse eine Stimme für den Frieden, eine Stimme für die UNO,
eine Stimme gegen das Wettrüsten und eine Stimme gegen den Hunger sein.
Klaus HÄNSCH (SPE, D) erklärte, die Politikergeneration der 50er Jahre habe den Mut und die Weitsicht
gehabt, den tausend Jahre alten Gegensatz zwischen Deutschland und Frankreich aufzuheben und eine Einigung im Westen
Europas zu beginnen. Heute hätten wir nun zum ersten Mal seit 1000 Jahren die Chance, den ganzen Kontinent
zu einem Europa, basierend auf Freiheit, Frieden und Wohlfahrt zusammenzuführen. "Wir versagen vor der
Geschichte, wenn wir diese Chance nicht nutzen." Die EU werde nicht nur größer, sondern sie werde
sich auch ändern. Durch den Beitritt erhalte sie eine neue Qualität. Die Mitgliedschaft bringe Rechte
und Pflichten für die neuen und alten Staaten. "Das alte Europa blickt in eine neue Zukunft."
Seine Zustimmung zum Beitritt aller Staaten ändere nichts an seiner Ablehnung der Benes-Dekrete, so Peter
SICHROVSKY (FL, A). Er hoffe, dass die Betroffenen ihre Rechte nach einem EU-Beitritt mit mehr Erfolgsaussichten
auf europäischer Rechtsgrundlage durchsetzen können. Die Tschechen sollten seine Kritik als die Kritik
eines Freundes nehmen und nicht in jedem Kritiker einen Feind sehen.
Alfred GOMOLKA (EVP-ED, D) erklärte, die Umbruchphase von 1989 bis 1991, an die sich eine schwierige
Transformationsphase angeschlossen habe, gehe nun in politische Stabilität über. Es werde viel zu wenig
gewürdigt, dass die Kandidatenländer die politischen Kriterien quasi von Beginn an erfüllt hätten.
Die in der Vergangenheit intensive Zusammenarbeit über die Grenzen der EU hinaus müsse beibehalten und
verstärkt werden. Den neuen Nachbarn wie Russland, Weißrussland und der Ukraine müssten Angebote
gemacht werden.
"Die Verbreitung von Demokratie, die Schaffung von Pluralismus und von Recht ist ein Anliegen des ganzen Kontinents",
zitierte Armin LASCHET (EVP-ED, D) den ungarischen Außenminister Horn bei der Verleihung des Karlspreises
von 1990. Ungarn habe als erstes Land den Bürgern jenseits des "Eisernen Vorhangs" den Weg in die
Freiheit geöffnet. Es habe als erstes Land zum Fall der Mauer beigetragen. Darum sage er zu allen Beitrittsländern
uneingeschränkt Ja. Manchmal falle das Ja etwas lauter, manchmal etwas leiser aus. Bei Ungarn wolle er ein
besonders deutliches und lautes Ja sprechen.
Hannes SWOBODA (SPE, A) begrüßte die Chance Europas, zur politischen Einheit zu finden. Als Österreicher
wisse er sehr wohl um die Auswirkungen einer Außengrenze. Wenngleich das Ja zum Beitritt im Falle einiger
Staaten, die einen illegalen Krieg unterstützen, nicht unproblematisch sei und einige Staaten im Rat die Zustimmung
schwierig machen würden, sage er doch Ja zum Beitritt. "Die Erweiterung ist kein Null-Summen-Spiel, sondern
ein Gewinn für alle."
Bernd POSSELT (EVP-ED, D) betonte, dass er seit den 70er Jahren auf diesen Tag hingearbeitet habe. Wenn
es ein kritisches Votum zum Schröder-Bericht gebe, dann sei dies kein Nein gegen die dortige Bevölkerung,
sondern gegen das dortige Unrechtsempfinden. Staaten mit einer derartigen Haltung dürften nicht in ein demokratisches
System eingeschleppt werden wie "Viren in ein Computersystem". Abschließend sagte er, dass "ein
Verbrechen ein Verbrechen ist und ein Unrecht auch als Unrecht bezeichnet werden muss".
Vertreter des Rates
Der Vertreter der griechischen Ratspräsidentschaft, der stellvertretende Außenminister Tassos
GIANNITSIS, bezog sich auf eine Frage von Barón Crespo und erklärte, dass die griechische Ratspräsidentschaft
für den 17. April 40 Staats- und Regierungschefs und Außenminister eingeladen habe, um gemeinsam mit
dem Generalsekretär der UN, Kofi Annan, über die Rolle der Vereinten Nationen im Rahmen der humanitären
Hilfe im Irak zu sprechen.
Vertreter der Kommission:
Kommissar Günter VERHEUGEN sagte: "In 30 Jahren wird man nicht mehr wissen, worüber EP und Rat in
den letzten zwei Wochen gestritten haben. In 30 Jahren wird man auch nicht mehr über die Benes-Dekrete reden.
Jedoch wird man in 30 Jahren noch immer wissen, was das EP am heutigen Tag entschieden hat." |
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Erweiterung: Streit um Budgetrechte mit 540 Millionen Euro beigelegt
Das Europäische Parlament nahm mit klarer Mehrheit das Verhandlungsergebnis an, welches eine Delegation
des Haushaltsausschusses und der Rat am Dienstag, den 08.04.2003, erreicht haben. Das Verhandlungsergebnis wurde
am gleichen Tag von dem Ausschuss der Ständigen Vertreter im Namen des Rates gebilligt. Zu dem vorhergegangenen
langwierigen Streit siehe hier.
Das EP hat bei den Verhandlungen nicht erreicht, dass der Rat bzw. der Europäische Rat von seinem Vorhaben
Abstand nimmt, Obergrenzen für die Erweiterungsausgaben festzuschreiben, wodurch das Haushaltsrecht des EP
indirekt beeinträchtigt wird. Was die Abgeordneten freilich erreicht haben, ist eine Anpassung der Finanziellen
Vorausschau: Es sollen zusätzlich insgesamt 540 Mio. Euro für interne Politikbereiche in den Jahren 2004-2006
ausgegeben werden können. 540 Mio. Euro sind 90 % der ursprünglich vom EP geforderten Summe von 600 Mio.
Euro.
Über einen anderen Punkt hatten sich die Delegationen schon vorher geeinigt: Die Hilfen für die Türkei
werden von der Kategorie "Außenpolitik" in die Kategorie "Vorbeitrittshilfen" transferiert,
wodurch jedoch möglicherweise nicht mehr Flexibilität erzielt wird.
Vor der Abstimmung hatten sich einige Abgeordnete für einen härteren, weniger kooperativen Kurs gegenüber
dem Rat ausgesprochen: Sie befürworteten die Aufkündigung der geltenden Finanziellen Vorausschau sowie
der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999, der zufolge das EP darauf verzichtet, die nicht-obligatorischen
Ausgaben zu erhöhen. Diese Haltung setzte sich im Hause jedoch bis jetzt offenbar nicht durch.
Zustimmung zur Erweiterung
Das EP stimmte der Erweiterung der EU um zunächst zehn Länder zu. Die zehn Länder sind: Estland,
Lettland, Litauen, Polen, Slowakische Republik, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern. Die
Zustimmung des EP ist Voraussetzung für einen jeden Erweiterungsvertrag.
Die Abgeordneten sehen die Erweiterung als einen großen Schritt in die Zukunft. Sie bekräftigen die
bestehende Beschlusslage zu Rumänien und Bulgarien (grundsätzlich Beitritt im Jahr 2007) sowie zur Türkei
(Entscheidung über die Erfüllung der politischen Kriterien im Herbst 2004). Die Länder des westlichen
Balkans werden als potentielle Kandidatenländer gesehen; auch hier betonen die Abgeordneten die politischen
Kriterien (insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof), begrüßen jedoch
ausdrücklich das Beitrittsgesuch Kroatiens.
Die Abgeordneten sehen Fortschritte der Beitrittsländer auf dem Weg zu einem besseren Minderheiten- und Menschenrechtsschutz;
aber in vielen Ländern gebe es noch Diskriminierungen, insbesondere von Roma. Unter impliziter Bezugnahme
auf die Benes-Dekrete erklären die Abgeordneten, dass alle EU-Bürger nach dem EU-Vertrag in allen Ländern
die gleichen Rechte haben und nicht diskriminiert werden dürfen.
Elmar BROK (EVP-ED, D)
Schlussfolgerungen der Erweiterungsverhandlungen von Kopenhagen
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 458:68:41 Stimmen (=dafür/dagegen/Enthaltung)
Jürgen SCHRÖDER (EVP-ED, D)
Beitrittsvertrag: Tschechische Republik
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 489:39:37 Stimmen
Michael GAHLER (EVP-ED, D)
Beitrittsvertrag: Republik Estland
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 520:22:24 Stimmen
Jacques POOS (SPE, L)
Beitrittsvertrag: Republik Zypern
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 507:29:26 Stimmen
Elisabeth SCHROEDTER (GRÜNE/EFA, D)
Beitrittsvertrag: Republik Lettland
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 522:22:24 Stimmen
Ioannis SOULADAKIS (SPE, GR)
Beitrittsvertrag: Republik Litauen
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 521:22:24 Stimmen
Luís QUEIRO (UEN, P)
Beitrittsvertrag: Republik Ungarn
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 522:23:23 Stimmen
Ursula STENZEL (EVP-ED, A)
Beitrittsvertrag: Republik Malta
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 521:23:23 Stimmen
Jas GAWRONSKI (EVP-ED, I)
Beitrittsvertrag: Republik Polen
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 509:25:31 Stimmen
Demetrio VOLCIC (SPE, I)
Beitrittsvertrag: Republik Slowenien
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 522:22:22 Stimmen
Jan Marinus WIERSMA (SPE, NL)
Beitrittsvertrag: Slowakische Republik
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 09.04.2003 mit 521:21:25 Stimmen |
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