Voggenhuber warnt vor Scheitern des EU-Konvents  

erstellt am
16. 04. 03

Bundesregierung soll aus »europapolitischem Koma« erwachen
Wien (grüne) - Der Europasprecher der Grünen, Johannes Voggenhuber, hat vor einem Scheitern des EU-Reformkonvents gewarnt. "Die Gründe des Scheiterns liegen mehr auf der Hand als die Hoffnung, dass es gelingt", sagte Voggenhuber, der als Vertreter des Europaparlaments im Konvent Mitglied ist, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Er bleibe aber trotzdem "Optimist", betonte der Grünen-Politiker. In vielen Bereichen seien Fortschritte im Konvent auch nicht mehr aufzuhalten.

Die "fundamentale Krise", in die der Irak-Krieg die EuropäerInnen gestürzt habe, müsste eigentlich ausreichen, um die "Ungunst der Stunde" für eine stärkere Vergemeinschaftung der Union zu nutzen, sagte Voggenhuber. Dass die "Gespenster des 19. Jahrhunderts wiederkommen", also ein Rückfall in nationalstaatliche Politik, befürchtet Voggenhuber vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik und in Teilen der Sozialpolitik.

Als "gefährlich" bezeichnete Voggenhuber den Vorstoß seines Parteikollegen, des deutschen Außenministers Joschka Fischer, nötigenfalls mit einem "Kerneuropa" stärker integrationswilliger Staaten eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen. Dies könnte nur außerhalb der EU-Verträge geschehen und würde zu einem "hegemonialen Großmachtskern" führen, der die Außenpolitik anderer EU-Staaten konterkariere. Die Äußerungen Fischers seien als "Warnung" für den Konvent zu verstehen. Auch den von Belgien für Ende April einberufenen Verteidigungsgipfel mit Deutschland, Frankreich und Luxemburg kritisierte Voggenhuber. Sicherheits- und Militärpolitik müsse einer EU-Außenpolitik nachgeordnet sein, und sollte nicht vorher konzipiert werden.

Der Konvent soll am 24. und 25. April in Brüssel einen Entwurf für eine künftige europäische Außenpolitik vorlegen. Dem Vernehmen nach ist darin der Vorschlag der Arbeitsgruppen enthalten, die Funktionen des EU-Außenpolitikbeauftragten (derzeit Javier Solana) und des EU-Außenkommissars (derzeit Chris Patten) zu fusionieren.

Der grüne Europaparlamentarier ortet den größten Widerstand gegen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik von Seiten Großbritanniens und der skandinavischen Staaten. Eine europäische Verfassung dürfe letztlich nicht am Widerstand Londons scheitern, forderte Voggenhuber. So sollte man Großbritannien nötigenfalls Ausstiegsklauseln ("Opting out") anbieten, wenn es nicht alle Integrationsschritte mittragen wolle.

"Großbritannien widerruftderzeit alle Konsense, die wir bisher erzielt haben", schilderte Voggenhuber die aktuelle Debatte im Konvent. In diesem Zusammenhang griff der EU-Abgeordnete erneut den Konventspräsidenten, Valery Giscard d'Estaing an. Dieser habe bisherige Übereinkünfte nicht fixiert. Giscard, den Voggenhuber als "Metternich des Konvents" titulierte, agiere zudem im Hintergrund im Interesse der großen EU-Staaten und vertrete nach außen Ansichten gegen die Mehrheit in dem Reformgremium.

Von der österreichischen Bundesregierung forderte Voggenhuber, dass diese aus ihrem "europapolitischem Koma" erwache und mehr Reformideen vorlege. Als "Alibiaktionen" kritisierte der Grün-Politiker, dass sich Österreich einer Initiative kleinerer Staaten unter Federführung Luxemburgs und einer "Zweidrittelmehrheit im Konvent" gegen die Schaffung eines/r fixen EU-Ratspräsidenten/in angeschlossen habe. Österreich müsse etwa aktiv gegen eine Übernahme des Euratom-Vertrages in eine europäische Verfassung auftreten, forderte Voggenhuber. Nur die Bereiche Strahlenschutz, Nichtweitergabe von Nuklearmaterial, Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen sollten übernommen werden. Weiters müsse die Atomenergie in europäisches Wettbewerbsrecht einbezogen werden.

Fortschritte des Konvents sieht Voggenhuber dagegen bei den Arbeiten zum europäischen Sozialmodell, dem Vorhaben Vollbeschäftigung als Ziel in der Verfassung festzuschreiben und in einer sich abzeichnenden massiven Aufwertung des Europaparlaments. Ein Mitentscheidungsrecht des EU-Parlaments in der Gesetzgebung sei "nicht mehr rückgängig zu machen". Strittig sei allerdings noch die Rolle des Parlaments in den Bereichen Innere Sicherheit und Budgethoheit.
     
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