Die Wiener Bühnen in der Ersten Republik
Wien (pr&d) - Spannende Einblicke in die gesellschaftspolitische Wirkungsweise historischer Dramen
in der Zeit von 1918 bis 1938 gewährt eine neue umfassende Dokumentation des Instituts für Theater-,
Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien. Die auf CD veröffentlichte Datensammlung macht
erstmals die Relation von Aufführungsdetails an Wiener Bühnen und den damaligen politischen Entwicklungen
transparent.
Inszenierung von "Prinz Eugen von Savoyen" des Burgtheaters in Wien am 10. Juni
1933. Historisches Schauspiel in 5 Akten von Hans Saßmann.
© Österreichisches Theatermuseum, Wien |
So zeigt diese vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) geförderte Arbeit, wie
historische Ereignisse damals für wichtige politische Ziele "theatralisch" genutzt wurden.
Eine digitale Dokumentationsstelle über die Historiendramen an sogenannten "förderungswürdigen"
Wiener Bühnen in der Zeit der Ersten Republik von 1918 bis 1938 ist das beeindruckende Ergebnis dieses Projekts
am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft. Ausgangspunkt der Erforschung waren für Projektleiterin
Dr. Edda Fuhrich und deren wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Julia Danielczyk die Inszenierungen der einzelnen
Stücke. Sämtliche zugängliche Materialien wurden gesichtet und bibliographisch erfasst. Zusätzlich
zu Programmheften, Theaterzetteln und Premierendaten wurden z.B. die Anzahl der Aufführungen und die Zusammensetzung
des Ensembles festgehalten. Rezensionen oder Zeitungsberichte über Veranstaltungen, die das jeweilige Thema
aufgriffen, erlauben eine Verbindung zwischen der Aufführung und den damals aktuellen politischen Strömungen
herzustellen.
Dazu Dr. Julia Danielczyk: "In der Zeit nach dem Zerfall des Habsburgerreiches insbesondere nach der
Wirtschaftskrise im Jahr 1929 wurde die Demokratie von vielen als unordentlich empfunden. Historiendramen
boten sich als Maßnahme an, der Bevölkerung die kulturelle Eigenständigkeit Österreichs zu
demonstrieren. Die Identifikation mit der Vergangenheit erlaubte die Akzeptanz der Gegenwart und ihres politischen
Systems."
Dass sich der Staat dies zu Nutze machte, konnte dadurch gezeigt werden, dass an den staatlich geförderten
Wiener Theatern die Anzahl von Aufführungen insbesondere nach dem Jahr 1929 geradezu inflationär anstieg.
Die Etablierung von "Abonnentengemeinden" durch die staatliche Österreichische Kunststelle (Oe.K.)
führte dazu, dass von der Oe.K. ausgewählte Vorstellungen zu günstigen Preisen besucht werden konnten.
Sie dienten dadurch einer Kanalisierung der Publikumsinteressen und sorgten für einen Mehrbedarf an Aufführungen
einzelner Stücke.
So wurde z.B. die "Österreich-Trilogie" von Hans Saßmann gefördert, dessen antiliberale
Haltung sich in der Heroisierung des Fürsten Windischgrätz, der Wien 1848 von anti-monarchistischen Revolutionären
befreite, widerspiegelte. Die damit praktizierte Glorifizierung und Mystifizierung von Schlüsselfiguren der
österreichischen Geschichte diente der Bestätigung des Nationalbewusstseins und der Stärkung des
Glaubens an die Zukunft von Rest-Österreich. Solche Stücke wurden als Sprachrohr zeitgenössischer
politischer Aussagen genutzt und avancierten zeitgleich zu Publikumshits. Dazu zählten Dramen wie "Kaiser
Franz Josef I von Österreich" und "Prinz Eugen von Savoyen" ebenso wie "Kaiserin Elisabeth
von Österreich" und "Josef II".
"Ähnliche Publikumshits gibt es auch heute noch, sie erfüllen ihre Funktion aber in erster Linie
auf wirtschaftlicher Ebene", erklärt Dr. Julia Danielczyk und stellt damit einen interessanten Bezug
zur Gegenwart her. Die Vermarktung und Verkitschung historischer Persönlichkeiten durch Produktionen wie "Sissi"
im Jahr 1997 am Schönnbrunner Schlosstheater und erfolgreiche Musicals wie "Freudiana", "Elisabeth"
und "Amadeus" dienen dem Österreichtourismus ungemein. Dazu Dr. Danielczyk: "Unsere Datenbank
zeigt, dass die österreichische Theatergeschichte eine lange Tradition im Recycling historischer Persönlichkeiten
hat. Ihre Wiederverwertung ergibt sich aus den jeweiligen gesellschaftspolitischen Verhältnissen." Damit
demonstriert dieses vom FWF geförderte Projekt nicht nur seine Bedeutung für die österreichische
Theatergeschichte, sondern stellt auch einen Bezug zum aktuellen Bühnengeschehen her. |