Österreichische Tunnels bekommen nur ein »ausreichend« attestiert  

erstellt am
25. 04. 03

ÖAMTC-Tunneltest: Nur drei von 25 getesteten Röhren in elf Ländern sind "sehr gut", gleich elf fallen durch
Wien (ÖAMTC) - "Gleich 11 der getesteten europäischen Tunnels landen auf den Rängen 'bedenklich' oder 'mangelhaft'. Sieben schaffen ein 'ausreichend', nur vier konnten ein 'gut' einheimsen und lediglich drei auf Platz eins mit 'sehr gut' landen. Die Testsieger heißen: Pomy-Tunnel in der Schweiz, der deutsche Weserauen-Tunnel und der Somport-Tunnel in Spanien", sagt ÖAMTC-Tunnelexperte Willy Matzke zu den ernüchternden Ergebnissen des Tunneltests 2003. Insgesamt wurden 25 Tunnels im Auftrag des Eurotest durch Experten der Deutschen Montan Technologie (DMT) und der Automobilclubs im Beisein der jeweiligen Betreiber getestet. Die drei getesteten österreichischen Tunnels sind von der "bedenklichen" Wertung aus früheren Tests zu "ausreichend" aufgestiegen. Damit gibt es auf Betreiben des ÖAMTC österreichweit keine baulich "bedenklichen" oder "mangelhaften" Tunnels mehr.

Die Testkriterien sind von den Experten von Eurotest festgelegt, wobei sie bei der Bewertung nach ihrer prozentuellen Gewichtung punkten: Mit 21 % wird großer Wert auf die Brandschutzeinrichtungen gelegt. 19 % fallen auf Verkehrs- und Überwachungsmaßnahmen (z.B. Ampeln vor und im Tunnel). Flucht- und Rettungswege tragen mit 13 % zur Beurteilung bei. Mit einer jeweils 10-prozentigen Gewichtung werden Tunnelsystem, Kommunikation (Lautsprecher, Verkehrsfunk, Notruftelefone) und Brandlüftung bewertet. 9 % entfallen auf Zustand, also auf Beleuchtung, Beschilderung und Fahrbahnbelag, 8 % auf die Notfallorganisation wie Alarm- und Einsatzpläne.

Von den österreichischen Röhren wurden der steirische Gleinalm-Tunnel, der Perjen-Tunnel in Tirol und der Pfänder-Tunnel in Vorarlberg von den Testern unter die Lupe genommen. "Einhelliges Ergebnis: Innen hui, außen pfui", kommentiert Matzke. Vor allem liegen für den Tunnelexperten des Clubs die Tunnel-Vorplätze im Argen. Bei den drei österreichischen Tunnels verwirren chaotisch montierte Verkehrszeichen und Hinweistafeln bei der Tunneleinfahrt, obwohl aus Blickfeld-Studien bekannt ist, dass der Schilderwald am Straßenrand kaum wahrgenommen wird. Schilder werden in Analogie zum Tunnelblick nur dann erfasst, wenn sie über der Fahrbahn angebracht sind. Ein eigenes Ampelsignal für jede Spur, wie sie beispielsweise der Kaisermühlen-Tunnel besitzt, fehlt. Tunnelexperte Matzke hat bereits im Rahmen der Tunnelkommission erreicht, dass eine Expertengruppe zur Entrümpelung der Tunnel-Vorplätze rasch Verbesserungen vornimmt. Nach der Aufrüstung der Tunnels ist die einheitliche Gestaltung der Vorplätze das nächste österreichweite Sicherheitsprojekt. Neue Leitwände sollen ein Anprallen an die Portale verhindern.

Die Testergebnisse der österreichischen Tunnels im Detail:

  • Pfänder-Tunnel, Länge 6,7 Kilometer: Seit dem schweren Unfall 1995 im Pfänder-Tunnel bei dem drei Todesopfer zu beklagen waren, hat sich einiges geändert. Neuerdings verfügt der 1980 eröffnete Pfänder-Tunnel mit einer durchschnittlichen Frequenz von 20.000 Fahrzeugen über die modernsten Löscheinrichtungen. Eigens entwickelte Schlauchspindeln können selbst von Laien gehandhabt werden. Das Ausrollen der Schläuche und der Einsatz der Löschpistolen ist somit vor dem Eintreffen der Feuerwehr möglich. "Eine Brandschutz-Maßnahme, die der ÖAMTC für alle österreichischen Tunnels verlangt, sagt Matzke. Geht es nach Verkehrsminister Hubert Gorbach, dann soll es bald eine zweite Röhre für den Pfänder geben samt der notwendigen Anbindung zum Autobahn-Netz der Schweiz.
  • Perjen-Tunnel, Länge 3 Kilometer: Der 1983 eröffnete Tiroler Tunnel wurde schon im Rahmen des Eurotest Tunnel 2000 von den kritischen Testern unter die Lupe genommen. Der damals als "bedenklich" eingestufte Perjen konnte sich durch Verbesserungen bei der Brandschutz-Technik sowie bei der Belüftungsausstattung eine etwas bessere Beurteilung mit "ausreichend" sichern. Den Perjen-Tunnel passieren im Durchschnitt 10.768 Fahrzeuge täglich.
  • Gleinalm-Tunnel, Länge 8,3 Kilometer: 14.980 Fahrzeuge wälzen sich an einem durchschnittlichen Tag durch den 1978 eröffneten Gleinalm-Tunnel. Da es keinerlei Fluchtwege gibt, kommt er trotz bester Ausstattung über ein "ausreichend" nicht hinaus.

Das Resümee des ÖAMTC-Tunnelexperten: "Bei Fahrten durch österreichische Tunnels ist Angst unbegründet, schließlich haben alle zumindest die Beurteilung "ausreichend" ausgefasst." Dagegen sind laut Matzke Ängste in anderen europäischen Tunnels nicht fehl am Platz. So ist der Soller-Tunnel auf Mallorca, obwohl erst 1997 erbaut, ebenso durchgefallen wie der Maas-Tunnel in Holland, der Blackwall Nord-Tunnel in England und der Waasland-Tunnel in Belgien.

Derzeit wird von der EU am Erlass der Tunnelrichtlinie gearbeitet, die auf den Ergebnissen der mittlerweile 125 vom ÖAMTC getesteten europäischen Tunnels aufsetzt. Diese Richtlinie schreibt für alle Tunnels im hochrangigen Straßennetz doppelte Röhren ohne Gegenverkehr vor. Schon Ende Juni wird in Österreich mit der Umfahrung von Spittal am Semmering (Semmering Schnellstraße, S 6) ein ganz modernes Tunnelpaar eröffnet. Außerdem wird es auch zweite Tunnelröhren geben:

  • Im Oktober 2003 für den Gräbern-Tunnel auf der A 2, der Süd Autobahn im Pack-Abschnitt
  • Im November 2003 für den Amberg-Tunnel im Zuge der Umfahrung Feldkirch, der Rheintal Autobahn, A 14
  • Im Dezember 2003 für den 10 Kilometer langen Plabutsch-Tunnel der Stadtdurchfahrt von Graz auf der Pyhrn Autobahn, der A 9
  • Im Jahr 2004 für den Herzogberg-Tunnel auf der A 2, der Süd Autobahn im Pack-Abschnitt.


Doch nach Ansicht von Willy Matzke werden noch zehn Jahre vergehen, bis alle derzeit noch "tickenden Zeitbomben" im österreichischen Tunnelnetz entschärft sind.

Weitere Informationen zum aktuellen Eurotest Tunnel 2003 sowie zu allen vorangegangenen Tunneltests des ÖAMTC finden sich auf der Homepage des Clubs unter: http://www.oeamtc.at/tests/tunnel.

     
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