Auf den Spuren der »Ruhelust«
Innsbruck (rms) - Es war keine Überraschung, dass am Rennweg anlässlich der Grabungen für
die Errichtungen der Tiefgarage archäologische Funde gemacht werden. Schon vor zwei Jahren hatte man beschlossen,
diese Grabungen durchzuführen und den Stadtarchäologen Dr. Alexander Zanesco mit der Leitung beauftragt.
Nunmehr, nachdem die ersten Erdschichten abgetragen wurden, kamen schon die ersten Reste der Grundmauern des von
Erzherzog Ferdinand II. 1569 errichteten Schlosses "Ruhelust" zutage. Dieses Schloss reichte vom heutigen
Eingangsbereich des Hofgartens dem Rennweg entlang bis zur Hofkirche.
Bürgermeisterin Hilde Zach lud am 18. April gemeinsam mit Dr. Alexander Zanesco, Stadtarchivleiter
Bürgermeisterin Hilde Zach, Dr. Alexander Zanesco (li.) und Dr. Gerd Arnold beim Lokalaugenschein
(Foto: RMS/Weger) |
DDr. Lukas Morscher und Dr. Gerd Arnold (Raiffeisenbau) zu einem Lokalaugenschein in die Baugrube, wo die ersten
Mauerreste von "Ruhelust" schon gesichtet werden können. Leider fehlt, so Zanesco, ca. ein halber
Meter Geschichte, weil bei früheren Baumaßnahmen mit der Archäologie nicht so sensibel umgegangen
wurde.
Bürgermeisterin Zach hob die Bedeutung dieser Grabungen hervor, die wieder mehr Licht in die Innsbrucker Stadtgeschichte
bringen sollen, Zanesco lobte die Bereitschaft der Stadt Innsbruck und aller beteiligten Stellen, die Grabungen
zu unterstützen und auch die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
In den kommenden zwei Monaten werden nun weitere Erdschichten abgetragen sowie die Fundgegenstände aufgenommen
und dokumentiert. Zanesco hofft nicht nur auf die Entdeckung weiterer Mauerreste, sondern auch auf Gebrauchsgegenstände,
die Auskunft über das Leben und Treiben auf "Ruhelust" geben. Zach schlug vor, wenn es möglich
ist, einen Teil der historischen Mauer, in der Garage bzw. am neu gestalteten Platz sichtbar zu machen.
Als Grundlage der historischen Recherchen bzw. für die Bestimmung der Lage ehemaliger Bauten im Bereich des
Rennplatzes diente einerseits ein Bauplan des Architekten Dipl.-Ing. Philipp Stoll, Innsbruck (Landestheatergarage,
Garagengeschoss, Var. 8A - "Mitleitungen"), andererseits Forschungen zur Österreichischen Kunsttopographie
über die Innsbrucker Hofbauten durch Dr. Johanna Felmayer u. a. (Die Kunstdenkmäler der Stadt Innsbruck.
Die Hofbauten. Österreichische Kunsttopographie, Bd. 47, Wien 1986) sowie die Auswertung der Grabungen vor
der Hofburg im Jahre 1991 durch Dr. Thomas Tischer, Söll, (Ausgrabungen vor der Innsbrucker Hofburg. Nearchos
7, Innsbruck 1999). Weiters liegen persönliche Gespräche mit Historikern und Bauforschern zugrunde (Dr.
Martin Bitschnau, Tiroler Landesmuseum, Dipl.-Ing. Walter Hauser, BDA Innsbruck, DDr. Lukas Morscher, Stadtarchiv
Innsbruck). Als Plangrundlagen zur Lagerekonstruktion (s. Beilage) dienten v. a. eine Bauaufnahme von Schloss Ruhelust
aus dem Jahre 1619, verschiedene zeitgenössische Ansichten und Pläne, Rekonstruktionsversuche zur Lage
der Hofbauten in der erwähnten Kunsttopographie, eine Aufnahme von Mauerresten unter dem Erweiterungsbau des
Landestheaters (von F. Haider in der erw. Kunsttopographie) und die publizierten Grabungsbefunde der Ausgrabung
vor der Hofburg 1991. Was die betroffenen Hofbauten angeht, ist ihre genaue Lage nicht völlig gesichert, u.
a. weil die zeitgenössischen Abbildungen zum Teil widersprüchlich sind. Man kann aber davon ausgehen,
dass die Abweichungen gering sind (in der Regel kaum mehr als einen Meter). Diese Vorlage erhebt daher nur den
Anspruch einer lagemäßigen Orientierung, nicht einer genauen Fixierung einzelner Mauerzüge oder
gar Verbindlichkeit im Detail. Erst Sondierungsgrabungen können zeigen, wo sich die Gebäude genau befanden
und damit, inwieweit sie von künftigen Bodeneingriffen betroffen sind. Zusammenfassend ist festzustellen,
dass, abgesehen von zu vermutenden mittelalterlichen Resten im Vorfeld des Stadttores (Rumertor, Saggentor bzw.
Wappenturm), v. a. Teile der Hofbauten des 16. Jh. von den geplanten Baumaßnahmen betroffen sein werden.
Die Tiefgarage schneidet das Schloss Ruhelust, den Hofkeller, evt. eine Hofapotheke, das Hoftheater, das kleine
Ballhaus und verschiedene Gartenanlagen incl. ihrer Ein- und Umfassungsbauten an. Von der weiteren Platzgestaltung
sind je nach den zur Ausführung kommenden Plänen Teile der Stadtbefestigung des 13. Jh. bzw. des frühen
16. Jh., zu vermutende mittelalterliche Baureste vor dem Stadttor, Gangbauten des Rennplatzgartens und dieser selbst
betroffen.
Selbstverständlich ist es nicht möglich, über die bereits bekannten Baulichkeiten hinausgehende
Aussagen zu treffen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch bisher Unbekanntes zutage treten kann. Die historischen
Vorerhebungen ermöglichen aber eine Konkretisierung und Eingrenzung der in Betracht kommenden archäologischen
Untersuchungsflächen. Historische Baulichkeiten, von denen Überreste im Boden zu erwarten sind Bereich
Tiefgarage - Gerinne zu den Fischteichen Vermutlich bereits 15. Jh., zieht längs durch den Rennplatz in Richtung
Norden. Ob nach den zahlreichen Bodeneingriffen noch Teile davon erhalten sind ist fraglich.
Hofapotheke (1. H. 16. Jh.?)
Ungesicherte Lage nordöstlich am Schloss (nördlich des Erweiterungsbaus zum Landestheater), möglicherweise
betroffen durch Bereich "Brandabschnitt 3".
Schloss Ruhelust (Ausführung ab 1569) und spätere Umbauten
Schlossbau des Erzherzogs Ferdinand II. unter Einbeziehung älterer Bausubstanz (Hofkeller, Sommerhaus)
mit Anbauten (Werkstätten, Bad, Gangbauten, Renngarten etc.), Brand 1636, teilweiser Wiederaufbau mit neuer
Nutzung, z. B. Haupttrakt mit Hofkeller als Hoftheater, Brand des Quertrakts 1728 ohne Wiedererrichtung.
Von der Tiefgarage betroffen sind aller Voraussicht nach ein schmaler Streifen des Quer- oder Nordtrakts (ca. 9
m) im Bereich des heutigen kleinen Parkplatzes und nordwestlich am Erweiterungsbau des Landestheaters (Bereich
ehem. Sommerhaus), Teile des alten Hofkellers westlich vor dem Erweiterungsbau (ca. 20 m breiter Streifen). Beim
Hofkeller ist mit einer größeren Abtiefung (ein Kellergeschoss) zu rechnen. Er wurde, wie Teile des
Quertrakts, ca. 1650 in das neue Hoftheater integriert. Dieses dürfte in seiner westlichen Ausdehnung bis
zum ersten Raum des Quertrakts gereicht haben, damit bis ca. 25 m westlich des Erweiterungsbaus. Das optionale
Kulissendepot würde ebenfalls kleinere Teile des Hoftheaters bzw. Redoutengebäudes und Vorgänger
anschneiden. Betroffen sind auch Teile der den Rennplatzgarten umfassenden Gangbauten des 16. Jh., bes. der ehem.
Eingangsbereich zum Schloss im Nordwesten und Gartenanlagen bzw. -einbauten. Beim Erweiterungsbau zum Landestheater
im Jahre 1962 wurden Mauerzüge festgestellt und eingemessen. Sie werden als Überreste des Treibhauses
der Philippine Welser, errichtet ab 1565 gedeutet. In nördlicher und östlicher Fortsetzung könnten
weitere Teile dieser Mauern sowie des zugehörigen Lustgartens zutage treten (nördlich und östlich
des Erweiterungsbaus bzw. Brandabschnitt 3).
Kleines Ballhaus (1572)
Bau Erzherzog Ferdinands II., westlich an den Quertrakt von Schloss Ruhelust anschließend, nach dem
Brand von 1636 wesentlich verkleinert.
Teile davon könnten im Bereich der Garagenauffahrt am Rennweg noch vorhanden und damit von den Baumaßnahmen
betroffen sein. Bereich Restlicher Platz
Je nachdem welche Pläne zur Platzgestaltung in Ausführung kommen, sind folgende historische Baulichkeiten
davon betroffen: Im Vorfeld des Stadttores zu vermutende mittelalterliche Strukturen (keine historische Überlieferung),
die Stadtbefestigungsbauten aus dem 13. Jh. (Stadtgraben) und vom Anfang des 16. Jh. (Grabenstützmauer), Gartenmauern
und Gangbauten in Zusammenhang mit der Errichtung der Gärten am heutigen Rennplatz (ab dem 3. Viertel des
15. Jh., Rennplatzgarten Erzherzog Ferdinands II.). V. a. die den erzherzoglichen Lustgarten umfassenden Gangbauten
dürften noch in Resten erhalten sein und hier insbesondere der südliche Teil ("Fröhlichsgang"
entlang der heutigen Universitätsstraße), der zeitweise eine Verbindung zur Hofburg herstellte.
Vorschläge zur weiteren Vorgangsweise im Bereich der Tiefgarage
Der erste Schritt einer präventiven archäologischen Untersuchung müsste in der genaueren Festlegung
der Lage und Horizonte der einzelnen historischen Gebäude bestehen. Das kann durch relativ kleinflächige
aber gezielte Sondierungsgrabungen (Stufe 2 lt. Anbot vom 13. März 2001) geschehen. Da der Grundriss des Schlosses
Ruhelust in seinem Zustand von 1619 bekannt ist, genügen für die genauere Lagebestimmung zwei kleinere
Grabungsflächen im Bereich des Quertrakts: eine Fläche im Ausmaß von ca. drei Parkflächen
östlich des Trafikgebäudes, die gleichzeitig den ehemaligen Hofkeller berücksichtigt und kaum Beeinträchtigungen
verursachen dürfte; eine weitere nahe des Eingangsbereichs des Schlosses im Westen zur Klärung der genauen
Ost-West-Erstreckung. Im ersten Fall können für den Schlossbau repräsentative Bereiche untersucht
werden, im zweiten zusätzlich für den Hofkeller (und Hoftheater). Beides ist entscheidend für die
weitere Vorgangsweise. Damit könnte auch die allgemeine Befundsituation (Brandschichten, Erhaltungszustand,
Komplexität der Befunde, Grabungstiefe) geklärt werden. Ebenfalls durch kleinere Sondierungen zu klären
ist, ob sich nördlich und östlich des Erweiterungsbaues zum Landestheater Reste des Treibhauses(?) von
1565 und/oder andere Einbauten des Lustgartens erhalten haben. Sollte die Option "Kulissendepot" zum
Tragen kommen, wäre eine kleine Sondage im hintersten Teil notwendig, um auch hier Beeinträchtigungen
von Bodendenkmälern abzuklären.
Die Sondierungsgrabungen sollten mit einem Zeitbedarf von ein- bis eineinhalb Monaten zu bewerkstelligen sein.
Insbesondere die betroffenen Teile des Schlosses Ruhelust bedürfen einer sorgfältigeren Dokumentation.
Daher wird in diesem Bereich die Untersuchung ausgewählter Flächen nach den sich ergebenden Fragestellungen
im Anschluss an die Sondagen nicht zu umgehen sein. Gartenanlagen können relativ rasch flächig unter
Zuhilfenahme von Baumaschinen aufgedeckt und dokumentiert werden. |