Sozialpolitik – Pensionsreform  

erstellt am
30. 04. 03

 Schüssel: Pensionssicherungsreform ist sozial, gerecht und langfristig
Ministerrat beschloss Pensionssicherungsreform
Wien (bpd) - Der Ministerrat beschloss am Dienstag (29. 04.) die Pensionssicherungsreform, die der Bundeskanzler als einen der "wichtigsten Eckpunkte im Regierungsprogramm" bezeichnete. Der Bundeskanzler unterstrich die Notwendigkeit dieser Reform zum jetzigen Zeitpunkt hervor: "Wir haben eine demographische Situation, die zum Handeln zwingt. Wenn wir nichts tun, dann müssten wir, um die Pensionen sichern zu können, innerhalb der nächsten 40 Jahre entweder die Beiträge um 53 % erhöhen oder die Pensionen um 45% kürzen oder eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit um beinahe 11 Jahre vorsehen. Kluges und verantwortungsvolles Handeln bedeutet aber, dass man sich rechtzeitig mit diesen Fragestellungen beschäftigt." Ausdrücklich wies der Bundeskanzler darauf hin, dass in bestehende Pensionen nicht eingegriffen werde. Schüssel: "Zwei Millionen Pensionisten haben nichts zu befürchten. Bei ihren Pensionen ändert sich gar nichts."

Als Gründe für die Notwendigkeit von umfangreichen Reformen nannte der Bundeskanzler neben der demographischen Entwicklung auch die niedrige Erwerbsquote bei älteren Arbeitnehmer. Schüssel: "Allein daraus ergibt sich die klare Notwendigkeit zu handeln. Die Dinge zu verschieben oder zu verwässern würde den Generationenvertrag gefährden. Daher müssen wir jetzt rechtzeitig eine langfristige Pensionssicherungsreform beschließen." Der Bundeskanzler unterstrich, dass im vorliegenden Entwurf die in der Begutachtung artikulierten Bedenken eingearbeitet worden seien.

Der Bundeskanzler bezeichnete die Reform als "gerecht, weil alle gesellschaftlichen Gruppen zu ihr einen Beitrag leisten". Schüssel: "Die Reform ist sozial. Sie beginnt mit einem sanften Anstieg. Wir starten mit dem Anheben des Frühpensionsalters wie vorgesehen mit dem 1. Juli 2004 und je nach Etappen wird die Möglichkeit zur Frühpensionierung in zehn Jahren abgeschafft sein. Damit können sich die Menschen auf die neuen Bedingungen einstellen."

Der Gesetzesentwurf sieht ferner eine Deckelung von akkumulierten Verlusten vor. Schüssel: "Für die ganze Legislaturperiode bis 2007 kann ein Einzelner aus den erweiterten Durchrechnungszeiträumen nicht mehr als 3,5% gegenüber dem heutigen System verlieren, und von 2007 bis 2015 maximal 7% und ab 2015 maximal 10%." Der Bundeskanzler wies auch auf die Neuregelungen im Bereich der Kindererziehungszeiten hin, die eine deutliche Besserstellung für Frauen bedeuten. Demnach werden für die Kindererziehung pro Kind drei Jahre von der Durchrechnungszeit abgerechnet. Diese Regelung gilt in entsprechender Form auch für die Familienhospizkarenzzeiten. Die Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung werde pro Jahr in 2% Schritten auf 150% von der Basis des Ausgleichszulagenrichtsatzes erhöht. Schüssel: "Damit haben wir mögliche Nachteile infolge von Kindererziehungszeiten abgefedert. Zudem bieten wir älteren Arbeitnehmern durch ein umfangreiches Maßnahmenpaket die Möglichkeit, länger im Arbeitsprozess zu verbleiben."

Zusammenfassend stellte der Bundeskanzler fest: "Mit dieser Reform, die ein Zwischenschritt hin zur Einführung eines harmonisierten Pensionssystems für alle auf der Basis eines individuellen Pensionskontos ist, haben wir das System langfristig stabil gehalten."

 

 Gusenbauer: Heutige Ministerratsbeschlüsse sind »einigermaßen frivol«
Gusenbauer kritisiert Pensionskürzung als Geldbeschaffungsaktion für Abfangjäger
Wien (sk) - Es sei "einigermaßen frivol" und erzeuge "eine schlechte Optik", "wenn sie am selben Tag ihr Pensionskürzungsmodell und den Ankauf der Abfangjäger beschließen", kommentierte SPÖ-Bundesvorsitzender Alfred Gusenbauer im Rahmen der Pensionsdebatte im Nationalrat die Ministerratsbeschlüsse am Dienstag (29. 04.). Es entstehe dadurch der Eindruck, dass mit dem von den Pensionisten schnell beschafften Geld die Abfangjäger bezahlt werden sollen. "Den großen Wurf" konnte Gusenbauer in der schwarz-blauen Pensionsreform indes nicht erkennen, da diese weder eine Harmonisierung vorsehe - "die auch ein Teil der Finanzierung ist, da sie das Geld gerechter verteilt" - noch die bestehenden Ungerechtigkeiten ausmerze. Die heute von der Regierung vorgenommenen Änderungen hinsichtlich der niedrigen Frauenpensionen bezeichnete Gusenbauer als "homöopathische Dosis", die den Frauen nicht wirklich etwas bringe.

Widersprüchliche Aussagen in den Reden des Bundes- und des Vizekanzlers ließen den SPÖ-Vorsitzenden befürchten, dass es sich bei der Pensionsreform um eine "Mogelpackung" handle, die nun Schritt für Schritt aufgeschnürt werde. Es gehe daraus nämlich nicht hervor, wie oft jeder Österreicher im Sinne von Schwarz-Blau in Zukunft für seine Pension zahlen müsse, um am Ende 80 Prozent des Lebensdurchschnitteinkommens zu erhalten. "Einmal, zweimal oder dreimal?" Gusenbauer stellte klar: "Drei mal zahlen für eine Pension, das ist zuviel. Einmalige Pensionsbeiträge sollen Lebensstandard sichernd sein."

"Würden sie eine bessere Wirtschaftspolitik machen, hätten sie gefülltere Kassen für die Sozialpolitik", warf Gusenbauer der Regierung Untätigkeit und Initiativlosigkeit in Sachen Beschäftigungspolitik vor. "Das Traurige" sei, so Gusenbauer in Richtung Schüssel, "dass allein durch ihre Misserfolge in den letzten zwei Jahren den Sozialsystemen, also der Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung 350 Mio. Euro entgangen sind." Für die Sicherung der Pensionen wirke sich die heutige Rekordarbeitslosigkeit in Österreich indes fatal aus, so Gusenbauer, denn eine gute Beschäftigungslage sei "der beste Beitrag zur Pensionssicherung" und "das Einzige, was wirklich hilft".

"Sozialstaat in der Sackgasse - wer zahlt heute", zitierte Gusenbauer aus einer Publikation der ÖVP aus dem Jahr 1959 - und wandte sich damit gegen die "ÖVP-Panikmache" von wegen der Unfinanzierbarkeit der Pensionen "auf der Ebene der Kassandra-Rufe". "Wenn sie nur einen Funken der Ehrlichkeit hätten, müssten sie zugestehen, dass die reale Entwicklung der Pensionskosten sogar unter den optimistischen Annahmen der Prognosen von 1991 liegen", bemerkte Gusenbauer in Richtung ÖVP. In Wahrheit hätten die Pensionsreformen der 90er Jahre jetzt zu greifen begonnen und zusammen mit der Tatsache der geburtenschwächeren Jahrgänge dazu geführt, dass die Bundesbeiträge gemessen am Volkseinkommen bis Ende der Legislaturperiode sogar absinken werden.

"Die großen Finanzierungsprobleme beginnen erst 2015 und verschärft 2020", erläuterte Gusenbauer den Regierungsparteien die "wirkliche Problematik". Es sei zwar richtig, heute darüber zu diskutieren, wie man mit einer Pensionsreform dieser Finanzierungsprobleme vorbeugen könne, stellte Gusenbauer fest. "Aber das hat nichts damit zu tun, kurzfristig für den Finanzminister und seine Budgetlöcher Geld zu beschaffen." Vielmehr gehe es darum, das Pensionssystem langfristig abzusichern und bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen. "Ihre Pensionsreform kann aber weder eine langfristige Absicherung der Pensionen garantieren, noch entspricht sie der sozialen Gerechtigkeit", kritisierte Gusenbauer.

Dass eine auf breiter Ebene diskutierte Pensionsreform nicht auf das nächste Jahr verschoben werden solle, darin seien sich alle einig. Die Sozialpartner hätten der Regierung ja auch ein fertiges Pensionskonzept bis Ende September angeboten. "Ich verstehe deshalb nicht, warum sie dieses Angebot nicht angenommen haben", empörte sich Gusenbauer über die Dialogverweigerung der Regierung - und: "Demokratie ist keine Einbahnstraße. Im Parlament zu sagen, wir sind bereit und gleichzeitig die Sozialpartner vor die Tür zu weisen geht nicht."

 

 Haupt: Reform sichert Pensionen bis 2050
Ministerrat beschließt sozial gerechtes Pensionssicherungspaket
Wien (fpd) - "Die künftige Pensionsreform wird eine Absicherung aller Pensionen bis 2050 bringen. Die bestehenden Pensionen sind gesichert, bleiben unangetastet und werden nicht verändert", betonte Vizekanzler Sozialminister Herbert Haupt in seiner Erklärung zur Pensionssicherungsreform vor dem Nationalrat am Dienstag (29. 04.).

Die vergangenen Tage und Wochen wurde intensiv genutzt, um ein Pensionssicherungspaket vorzulegen, dass "diesen Namen auch verdient", sagte Haupt. In zähen Verhandlungen sei es gelungen, dass soziale Härtefalle vermieden werden. Für Frauen konnten gegenüber dem Erstentwurf massive Erleichterungen durchgesetzt werden und auch die sogenannte Hacklerregelung bleibe weiter bestehen.

Reformiert werde weiters auch das von der Bevölkerung kritisierte Beamtenpensionsrecht. Noch bis Spätsommer werde in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine Pensionsharmonisierung erarbeit und danach dem Parlament zur Beschlussfassung vorgelegt, erläuterte Haupt: "Wir werden alle Systeme harmonisieren, damit alle Beitragszähler in ganz Österreich für ihre gleichen Beiträge auch die gleichen Pensionsleistung erhalten."

Besonders zufrieden zeigte sich Haupt mit der geplanten Abschaffung der Politikerprivilegien. Was die Freiheitlichen schon seit 1995 forderten, hätten nun alle Parlamentsparteien als richtig erkannt, unterstrich Haupt. Entsprechend werde an einem Vier-Parteien-Antrag gearbeitet, der eine Erhöhung der Solidarabgabe ebenso vorsieht wie auch eine Erhöhung des Pensionsalters analog zum ASVG auf 65. Fallen sollen auch die Möglichkeit, eine Politikerpension neben einem Aktiveinkommen zu beziehen. Für alle noch im Uralt-System befindlichen Politiker werde nun endlich das Ende der Zeit kommen, kündigte Haupt an.

Scharfe Kritik übte Haupt aber auch an der Opposition. SPÖ, Gewerkschaften und Grünen warf Haupt "Verantwortungslosigkeit" vor. Jahrelang nichts zu machen, zu heiklen Themen zu schweigen, aber dann scheinheilig kritisieren sei zu wenig. "Wir sagen unseren Landsleuten die Wahrheit und bieten auch Lösungen an", betonte Haupt abschließend.

 

 Weg frei machen für nachhaltige und sozial gerechte Pensionsreform
Erklärung des Erweiterten Bundesvorstandes
Wien (grüne) - Die von Wolfgang Schüssel geplante Pensionsreform ist in der derzeitigen Form der größte Eingriff in das soziale Sicherungssystem Österreichs nach 1945. Durch die vorgesehenen Maßnahmen werden nicht nur Lebensplanungen von hunderttausenden Menschen schlagartig über den Haufen geworfen, sondern vor allem Frauen im Alter in die Armut gedrängt.

Dies ist keine Pensionsreform, deren Notwendigkeit unbestritten ist, sondern eine Geldbeschaffungsaktion der Bundesregierung. Sowohl durch die Form der massiven Einschnitte wie auch durch die überfallsartige Vorgangsweise wird der soziale Frieden und Zusammenhalt in Österreich nachhaltig gefährdet. Die Sturheit, mit der die Bundesregierung an den geplanten Maßnahmen festhält und die Geschwindigkeit, mit der über die Köpfe der Betroffenen hinweg vorgegangen wird, ist unerträglich, insbesondere wenn die Bundesregierung gleichzeitig an der unsinnigen Anschaffung von Abfangjägern festhält.

Wir halten fest, dass die jetzt geplanten brutalen Maßnahmen einer der Hauptgründe für das Scheitern der schwarz-grünen Regierungsverhandlungen im Februar des heurigen Jahres waren.

Österreich braucht Reformen im Pensionssicherungssystem, nicht aber dessen Zerschlagung.
Was die Bundesregierung plant, ist das Gegenteil einer Reform. Demgegenüber streben die Grünen ein einheitliches Pensionssystem für alle an, das sich zusammensetzt aus einer staatlich garantierten Mindestpension unabhängig von Erwerbszeiten und einer Sozialversicherungspension, die sich nach der Höhe der einbezahlten Pensionsbeiträge bemisst.

Wir unterstützen und tragen den breiten Widerstand gegen diese so genannte „Pensionsreform“ der Bundesregierung und werden alles daran setzen, im Parlament der mehrheitlichen Ablehnung der österreichischen Bevölkerung zum Durchbruch zu verhelfen, um den Weg frei zu machen, für eine tatsächlich sozial gerechte und nachhaltige Pensionsreform.

 

 
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