Schloss Hartheim - vom Renaissance-Kastell zum Lern- und Gedenkort
Linz (lk) - Das Land Oberösterreich stellt in dieser Ausstellung ganz bewusst nicht die Frage
von Schuld oder Unschuld ehemals handelnder Personen, sondern es möchte ein mahnendes Beispiel für den
verantwortungslosen Umgang totalitärer Regime mit dem Wert des Lebens setzen und zeigen, wo die Ausgrenzung
von Menschen enden kann. Die Ausstellung soll deutlich machen, dass ein dunkles Kapitel unserer Geschichte nicht
einfach überblättert werden darf, denn unsere Gesellschaft hat die Pflicht, aus diesem Kapitel Lehren
zu ziehen.
Um 1600 von Jakob Aspan von Hag als kastellartiger Renaissancebau errichtet, wurde das bis 1898 im Besitz der Familie
Starhemberg befindliche Schloss in diesem Jahr dem Oberösterreichischen Landes- Wohltätigkeitsverein
übergeben.
Dieser richtete in Hartheim eine Pfleganstalt für geistig und mehrfach behinderte Menschen ein, die 1938 von
den Nationalsozialisten enteignet und in der von 1940 bis 1944 nach bisherigem Stand der Forschung rund 30.000
Menschen ermordet wurden. Man hatte sie als "lebensunwertes Leben" eingestuft.
Nach dem Krieg zunächst als Flüchtlingsunterkunft und ab 1954 für Hochwasser-Ersatzwohnungen genutzt,
wurde bereits 1969 vom Landeswohltätigkeitsverein eine Gedenkstätte im Schloss errichtet.
Das Nebeneinander von Alltagsleben und Opfergedenken gestaltete sich jedoch über die Jahre hinweg zunehmend
problematischer und wurde immer öfter zum Gegenstand von Kritik. Ab 1995 bemühten sich daher zahlreiche
Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens um eine Lösung des Problems.
Das Land Oberösterreich fasste als Ergebnis dieser Bemühungen im Jahre 1996 den Beschluss, das denkmalgeschützte
historische Schlossensemble zu restaurieren und im Schloss selbst die Gedenkstätte zu erneuern und die Ausstellung
"Wert des Lebens" zu implementieren.
Voraussetzung dafür war allerdings, dass den Schlossbewohnern entsprechende Ersatzwohnungen zur Verfügung
gestellt werden konnten. Die Wohnbaugenossenschaft "Lebensräume" hat deshalb im Rahmen einer Sonderförderung
nach dem österreichischen Wohnbaugesetz 24 Mitwohnungen mit einer Nutzfläche von 2500m² errichtet,
die im Juli 1999 bezogen wurden.
Im Herbst des Jahres 1999 setzten schließlich auf Schloss Hartheim die Umbau- und Restaurierungsmaßnahmen
ein, im Zuge derer vom OÖ. Landesarchiv gemeinsam mit dem OÖ. Landesmuseum im Außenbereich archäologische
Grabungen durchgeführt wurden, bei denen man zahlreiche sterbliche Überreste der Opfer fand.
Diese sterblichen Überreste der Opfer wurden in einer interkonfessionellen Zeremonie im Herbst 2002 in einem
eigenen Grabmal an der Ostseite des Schlosses würdig bestattet, eine historische Schuld konnte somit eingelöst
werden!
Mit der Eröffnung der Ausstellung "Wert des Lebens", am 7. Mai um 15.00 Uhr, ist nun der Schlusspunkt
unter die Neugestaltung des Schlosses als Lern- und Gedenkort gesetzt.
Es ist damit nicht nur gelungen ein kulturgeschichtlich wertvolles Gebäude für kommende Generationen
zu erhalten, sondern auch den Schauplatz eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte unseres Landes der Öffentlichkeit
in einer würde- und respektvollen Art und Weise zugänglich zu machen und dadurch einen wichtigen Beitrag
zur Bewältigung unserer Vergangenheit zu leisten. |
Das Kernthema der Ausstellung, die unterschiedliche Beurteilung des Wertes des menschlichen Lebens in der Gesellschaft
während verschiedener Epochen, wird somit von einem sehr breiten fachlichen Ansatz her diskutiert, der auch
vor kontroversellen Fragestellungen der Gegenwart - wie etwa der Sterbehilfe oder dem Sinn der Gentechnik - nicht
halt macht.
Die Ausstellung ist somit für Menschen unterschiedlichster Berufsgruppen und Altersklassen interessant, wobei
insbesondere für Schüler spezielle Vermittlungsprogramme angeboten werden, die vom Volksschul- bis zum
Oberstufenalter reichen.
Die in der Ausstellung thematisierte Ermordung behinderter Menschen auf Schloss Hartheim während des Nationalsozialismus
ist außerdem ein wichtiger Beitrag Zeitgeschichte am Originalschauplatz zu vermitteln - selbstverständlich
mit dem den Opfern gegenüber gebietenden Respekt.
Das Land Oberösterreich stellt in der Ausstellung ganz bewusst nicht die Frage von Schuld oder Unschuld ehemals
handelnder Personen, sondern es möchte ein mahnendes Beispiel für den verantwortungslosen Umgang totalitärer
Regime mit dem Wert des Lebens setzen und zeigen, wo die Ausgrenzung von Menschen enden kann.
Die Ausstellung "Wert des Lebens" auf Schloss Hartheim soll deutlich machen, dass ein dunkles Kapitel
unserer Geschichte nicht einfach überblättert werden darf, denn unsere Gesellschaft hat die Pflicht,
aus diesem Kapitel Lehren zu ziehen.
Die Ausstellung ist somit nicht nur ein kulturpolitisches und denkmalpflegerisches sondern ein gesamtpolitisches
Anliegen. Schloss Hartheim soll Lern- und Gedenkort werden und bleiben!
Der im Nord- und Ostflügel des Erdgeschosses vom Pregartner Künstler Herbert Friedl neu gestalteten Gedenkstätte
für die Opfer der NS-Euthanasie kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, den Erinnerungsprozess auch bei künftigen
Generationen in Gang zu halten.
Mit der "Dokumentationsstelle Hartheim" - eine Außenstelle des Oberösterreichischen Landesarchivs,
von Mai bis Oktober 2003 Montag, Dienstag und Freitag jeweils von 9 bis 13 Uhr besetzt - ist zudem gesichert, dass
- Quellen, Dokumente und Literatur zu Geschichte und Umfeld der Euthanasieanstalt Hartheim gesammelt, erschlossen
und Interessierten zugänglich gemacht
- die Forschungssituation zum Thema NS-Euthanasie beobachtet, Forschungsprojekte angeregt und die Zusammenarbeit
einschlägiger Gedenkstätten und Institutionen gefördert
- sowie der künftige "Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim" vor allem bei der Wahrnehmung seiner
pädagogischen Aufgaben unterstützt werden kann.
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