Wie die Regierung Lust auf Selbständigwerden machen will
Der Regierungsentwurf für eine Gewerbeordnungsnovelle 2002
Wien (pk) - Die Bundesregierung hat dem Nationalrat kürzlich einen Gesetzentwurf zur Novellierung
der Gewerbeordnung samt begleitenden Anpassungen in den Rechtsbereichen Berufsausbildung, Konsumentenschutz, Neugründungsförderungen
und Arbeitskräfteüberlassung vorgelegt. Als Motive nennt sie die Stärkung des Wirtschaftsstandortes
Österreich und seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit.
Mit einer Liberalisierung des Berufszugangs, erweiterten Nebenrechten der Gewerbetreibenden und dem Abbau bürokratischer
Hürden will die Regierung einen Anreiz für das Unternehmertum geben und dem in Österreich noch immer
bestehenden Defizit an selbständig Erwerbstätigen entgegenwirken. Unangetastet soll das hohe Niveau der
Ausbildung in Österreich bleiben. - Die PK fasst die wichtigsten Neuerungen der samt Erläuterungen mehr
als 300 Seiten starken Vorlage im Folgenden kurz zusammen.
Mit einem Behördenstopp zur Gewerbeberechtigung
Alle Gewerbe können künftig bei einer Stelle ("One-stop-shop") der Bezirksverwaltungsbehörde
angemeldet werden. Im Zeitalter von "E-Government" wird auch für den guten alten Gewerbeschein kein
Platz mehr sein. Das System des Befähigungsnachweises wird vereinfacht, flexibler gestaltet und bei der Anmeldebehörde
konzentriert. Der Bewerber dokumentiert seine fachliche Qualifikation generell durch einen standardisierten Befähigungsnachweis
oder individuell durch entsprechende Dokumente. Die bislang vom Landeshauptmann zu erteilende Nachsicht vom Befähigungsnachweis
kann damit entfallen.
Was als "genereller Befähigungsnachweis" gelten soll, wird der Wirtschaftsminister für jedes
reglementierte Gewerbe per Verordnung festlegen, wobei er den Rang von europarechtlich auf Diplomniveau eingestuften
Gewerben erhalten muss. Als Belege kommen künftig auch Zeugnisse über Tätigkeiten in leitender Stellung
und als Betriebsleiter in Betracht - die "3. Diplomanerkennungsrichtlinie" findet so Eingang in das österreichische
Befähigungsnachweissystem.
Qualifizierte Bewerber, die die Vorgaben der Befähigungsnachweis- Verordnungen nicht erfüllen, können
ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen durch individuelle Belege nachweisen. Ist auch dies nicht möglich,
kann die Gewerbebehörde eine der Befähigung entsprechende Beschränkung auf Teiltätigkeiten
des jeweiligen Gewerbes aussprechen. Fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten können durch Anpassungslehrgang
oder Eignungsprüfung ergänzt werden. Beim individuellen Befähigungsnachweis wird die Gewerbeausübung
erst mit der Feststellung der individuellen Befähigung zulässig sein. - Das neue, flexible System des
Befähigungsnachweises macht das bisher vom Landeshauptmann durchgeführte Nachsichtsverfahren überflüssig
und erlaubt eine tiefgreifende Verwaltungsvereinfachung.
Meisterprüfung: Ablauf und Prüfungskommission werden reformiert
Die Meisterprüfung bleibt der vorrangige Zugang zum Handwerk. Geändert werden die Zulassung zur
Prüfung sowie deren Form und Inhalt. Die zur Ausübung des Gewerbes erforderlichen Fähigkeiten und
Kenntnisse sind Inhalt der Meisterprüfung, daher kann der Nachweis einer Berufsausbildung und einer zweijährigen
Praxis entfallen. Die Lehre wird damit nicht entwertet, denn sie ersetzt Teile der in Module gegliederten und in
ihrem Ablauf flexibler gestalteten Meisterprüfung. Den Inhalt der Meisterprüfung wird die zuständige
Fachorganisation der Wirtschaftskammer nach Anhörung der Bundesarbeitskammer und anderer in Berufsausbildungsangelegenheiten
involvierte Stellen festlegen und dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Bestätigung vorlegen.
Per Verordnung kann der Minister auch eine Befähigungsprüfung als Zugangsart zum Gewerbe festlegen. Schulische
und universitäre Lehrgänge, die ihrer unternehmerischen Inhalte wegen der Unternehmerprüfung vergleichbar
sind, sowie land- und forstwirtschaftliche Meisterprüfungen sollen der Unternehmerprüfung gleichgestellt
werden.
Die zersplitterte Zuständigkeit für die Bildung und Zusammensetzung der Prüfungskommissionen sowie
für die Durchführung der Meister- und der Befähigungsprüfungen wird bei der Meisterprüfungsstelle
konzentriert. Entscheidendes Kriterium bei der Auswahl der Prüfer ist die Qualifikation auf dem zu prüfenden
Fachgebiet; Inhaber einer Gewerbeberechtigung verlieren ihre bislang bevorzugte Position bei der Bestellung zum
sachverständigen Prüfer. Das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Prüfer sei teilweise beeinträchtigt
worden, da etablierte Gewerbetreibende ihre zukünftigen Mitbewerber prüften, heißt es dazu in den
Erläuterungen. Für den Vorsitz in den verkleinerten Prüfungskommissionen ist künftig generell
ein Beamter vorgesehen.
In Zukunft nur noch reglementierte und freie Gewerbe
Die Gewerbeordnungsnovelle 2002 baut auf einem stark vereinfachten System der Gewerbekategorien auf. Statt
dreier Gewerbelisten wird es künftig nur eine Liste mit den so genannten reglementierten Gewerben geben, deren
Ausübung einen Befähigungsnachweis voraussetzt. Alle anderen Gewerbe sind freie Gewerbe. Die geltenden
Unterscheidungen Handwerk - gebundenes Gewerbe sowie nichtbewilligungspflichtiges - bewilligungspflichtiges gebundenes
Gewerbe entfallen. Für Gewerbe mit Meisterprüfung bleibt die Bezeichnung Handwerk aufrecht. Auch die
Begriffe "verbundene Gewerbe" (Beispiel "Schlosser, Schmiede und Landmaschinentechniker") sowie
Teilgewerbe gelten weiter. Entfallen sollen auch die bislang festgelegten Verwandtschaften zwischen Gewerben, stattdessen
werden die Zahl der verbundenen Gewerbe ausgeweitet und die Teilgewerbe aufgewertet. In Teilgewerben fällt
das Ausbildungsverbot und die Einschränkung der Beschäftigungszahl.
Sensible Gewerbe – öffentliche Interessen bleiben gewahrt
Der Handel mit militärischen Waffen und Munition wird in Zukunft das einzige Gewerbe sein, das einer
Bewilligung bedarf. Bei den anderen bisher bewilligungspflichtigen Gewerben ist aus Sicherheitsgründen auch
künftig die Zuverlässigkeit des Gewerbeinhabers nachzuweisen. Bestellung und Ausscheiden eines Geschäftsführers
sind genehmigungs- bzw. anzeigepflichtig.
Die Liste der sensiblen Gewerbe umfasst folgende 13 Gewerbe: Baumeister und Brunnenmeister; Chemische Laboratorien;
Elektrotechnik (Alarmanlagen); Pyrotechnikunternehmen; Gas- und Sanitärtechnik; Herstellung von Arzneimitteln
und Giften sowie Großhandel mit Arzneimitteln und Giften; Inkassoinstitute; Reisebüros; Sicherheitsgewerbe
(Berufsdetektive, Bewachungsgewerbe); Sprengungsunternehmen; Vermittlung von Personalkrediten, Hypothekarkrediten
und Vermögensberatung; Waffengewerbe; Zimmermeister.
Deregulierung des Handels
Eine erhebliche Verwaltungsentlastung erwartet die Bundesregierung von der Einreihung des Handelsgewerbes
und der Handelsagenten unter die freien Gewerbe. Von dieser Deregulierung ausgenommen bleiben aber der Handel mit
Medizinprodukten und die Handelstätigkeiten reglementierter Gewerbe.
Neue Bezeichnungen, Klarstellungen und viele Detailregelungen Die Novelle bringt Klarstellungen und neue Bezeichnungen:
Um "Technische Büros" von technischen Abteilungen in Unternehmen abzugrenzen, lautet die Gewerbebezeichnung
für selbständige Ingenieure in Hinkunft "Technische Büros-Ingenieurbüros Beratende Ingenieure)".
Unter der Bezeichnung "Elektrotechnik" werden die Gewerbe "Elektrotechniker" und "Errichtung
von Alarmanlagen" zusammengefasst. Neue Bezeichnungen erhalten zum Beispiel Gas- und Wasserleitungsinstallateure
("Gas- und Sanitärtechnik"), Radio- und Videoelektroniker ("Kommunikationselektronik")
sowie Molker und Käser ("Milchtechnologie"). Soweit Finanzdienstleistungen der Gewerbeordnung unterliegen,
werden sie künftig unter dem Titel "Vermögensberatung" geregelt.
Bei den Designern wird der bestehende Zustand auf eine rechtliche Basis gestellt. Nach einer Fachausbildung von
vier Jahren plus einer dreijährigen Berufspraxis oder einer Berufspraxis von fünf Jahren kann der Berufsverband
"Design Austria" prüfen, ob der Designer in das "Register of Designers" aufgenommen werden
kann, das von "The Bureau of European Designers Associations" im Auftrag des Europäischen Statistischen
Zentralamtes geführt wird. Diese Regelung steht der Begründung freier Gewerbe auf dem Gebiet des Designs
und für das reglementierte Gewerbe eines "Technischen Büros für Design" nicht im Wege.
Nur die höchstpersönliche Tätigkeit des Designers kann vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung
1994 ausgenommen sein.
Masseure/Masseurinnen können künftig nach einer ergänzenden Ausbildung als "Heilbademeister
und Heilmasseur/Heilbademeisterin und Heilmasseurin" tätig werden.
Gastgärten dürfen auf öffentlichem Grund oder an öffentlichen Verkehrsflächen künftig
nicht nur zwischen 15. Juni und 15. September von 8 Uhr bis 22 Uhr, sondern ganzjährig bis 23 Uhr betrieben
werden.
Einfachere Regelung der Nebenrechte
Einfacher und einheitlicher werden die Nebenrechte der Gewerbetreibenden geregelt. Sie dürfen ergänzende
Leistungen anderer Gewerbe in geringem Umfang und im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erbringen, das auf
eine Gesamtleistung zielen muss. Die ergänzende Leistung eines anderen Gewerbes darf nicht alleiniger Gegenstand
eines solchen Vertrages sein. Der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des jeweiligen Betriebes müssen
erhalten bleiben.
Allen Gewerbetreibenden steht künftig ein allgemeines Handelsrecht zu, ausgenommen sind Medizinprodukte sowie
Handelstätigkeiten, die den reglementierten Gewerben vorbehalten sind. Teilgewerbe dürfen im fachlichem
Zusammenhang mit dem hauptberuflich ausgeübten Gewerbe ohne Begründung einer eigenen Gewerbeberechtigung
ausgeübt werden. Hat der Gewerbetreibende selbst nicht die entsprechende Befähigung, muss er einen Arbeitnehmer,
der den Befähigungsnachweis für das betreffende Teilgewerbe erbringt, in seinem Betrieb beschäftigen.
Der von der Gewerbeordnung ausgenommene Zukauf von Trauben, Wein und pflanzlichen Erzeugnissen durch Land- und
Forstwirte bleibt nicht länger auf inländische Produkte beschränkt, sondern wird auf EWR-Produkte
ausgedehnt.
Damit Gewerbetreibende nach der Schließung von Postämtern Postdienstleistungen im Rahmen ihres Betriebes
anbieten können, legt die Novelle fest, dass Post-Dienste keiner besonderen Gewerbeberechtigung bedürfen.
Ein Konkurs ist kein Gewerbeausschluss mehr
Selbständige Tätigkeiten sind in einer Marktwirtschaft mit Risiko verbunden, daher soll der Konkurs
in Hinkunft nur noch dann ein Gewerbeausschluss- bzw. Gewerbeentziehungsgrund sein, wenn das Vermögen des
Schuldners nicht ausreicht, die Kosten des Konkursverfahrens abzudecken. Kridadelikte gelten ungeachtet der Höhe
des Strafausmaßes weiter als Gewerbeausschlussgrund. Der Ausschluss soll wirksam sein, solange die Insolvenzdatei
Einsicht in die Konkursabweisung mangels Masse gewährt, also drei Jahre lang.
Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen
Da jeder "gewerberechtliche Pächter" ein Gewerbetreibender ist, kann dieses Rechtsinstitut
entfallen. Eine weitere Deregulierung bringt der Entfall der Anzeigepflicht bei der Eröffnung weiterer Betriebsstätten.
Davon ausgenommen bleiben aber die Rauchfangkehrer, die auch künftig für jede Betriebsstätte den
Bedarf nachweisen müssen. Außerdem müssen Pyrotechniker, Sprengungsunternehmen und das Waffengewerbe
die Eröffnung weiterer Betriebsstätten anzeigen.
Eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung bringt der Entfall des oft schwer zu erbringenden Nachweises der Gegenseitigkeit
bzw. der Inländergleichstellung bei in Österreich lebenden Angehörigen von Drittstaaten. Das Recht
ein Gewerbe auszuüben wird bei Ausländern, Asylanten und Staatenlosen, denen das Gewerberecht nicht durch
Staatsvertrag garantiert ist, von ihrem legalen Aufenthalt in Österreich abhängig gemacht. Weitere Deregulierungsschritte
bilden unter anderem der Entfall der Bedarfsprüfung beim Bestattergewerbe und bei der Verlängerung der
Sperrstunde im Gastgewerbe.
Maßnahmen gegen die Geldwäsche in der Gewerbeordnung
Die bislang nur für Kredit- und Finanzinstitute geltenden Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie
werden auf weitere Branchen ausgedehnt. Identifizierungspflicht, Sorgfaltspflicht, Aufbewahrungspflicht von Identifizierungsangaben
und Geschäftsunterlagen sowie Melde- und Informationspflicht bei Verdacht auf Geldwäsche gilt künftig
auch für Immobilienmakler, Händler mit wertvollen Gütern, Versteigerer, Kasinos, externe Buchsachverständige,
Abschlussprüfer, Steuerberater, Notare, Rechtsanwälte und andere selbständige Juristen (1117 d.B.).
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