ÖJ-Kommentar |
||
Ob es die weit mehr als zweitausend Polizistinnen und Polizisten waren, die allein durch ihr entschlossenes Auftreten
für Ruhe gesorgt haben, oder ob – ebenso wahrscheinlich – schließlich die Vernunft praktisch aller Beteiligten
befürchtete Ausschreitungen verhinderte, wird nicht mehr festzustellen sein. Eines steht aber fest: In Wien
verlief der 8. Mai 2002 (der 57. Jahrestag der Kapitulation des Naziregimes) sehr ruhig. Warum sollte gerade dieser Mittwoch anders verlaufen, als sonst? Eine Abordnung von Burschenschaftern plante einen Kranz in der Krypta des Äußeren Burgtores niederzulegen. So wie – seit, ich weiß es nicht, wie vielen Jahren und – ich weiß es nicht, – unter wie vielen verschiedenen Bundes- und Wiener Stadtregierungen, Obleuten von Parlamentsklubs, Parteivorsitzenden usw. – so, wie eben seit Jahren. Nicht unbemerkt, aber – bisher vollkommen unaufgeregt – absolviert, geduldet, unbeachtet. Die Entwicklung des innenpolitischen Klimas der vergangenen Wochen hatte sich einigermaßen angeheizt, der 8. Mai kam nicht mehr aus den Schlagzeilen: Radikal auf zwei Aussagen verkürzt ließe sich dies so darstellen: Alle "rechten" Demonstranten am 8. Mai seien Neonazis, alle "linken" Demonstranten "Anarchos". Der "Wortspenden" gab es wohl ausreichend, jede einzelne verschärfte die Unmutsäußerung des Empfängers. So wurde das Gedenken diesmal zu einem "verachtenswürdigen Aufmarsch von Neonazis" stilisiert, den es jedenfalls zu verhindern galt. Ein staats- und demokratiegefährdender Akt, der – Gott behüte – uns, nämlich ganz Österreich, wieder in die Schlagzeilen nicht nur heimischer "besorgter" Medien bringen würde (vergleiche: EU-Sanktionen gegen Österreich im Frühjahr 2000). Glücklicherweise hat "man" aber rechtzeitig davor gewarnt, der großen Sorge Ausdruck verliehen, "Neonazis" wollten eine Trauerfeier für den verlorenen Krieg" abhalten. Wie, Gott behüte neuerlich, wäre denn Österreich in der internationalen Gemeinschaft dagestanden, hätte man auf derartige Wiederbetätigung nicht rechtzeitig - medial wirksam – hingewiesen? Zurück zum Mittwoch: Ohne jede Öffentlichkeit, ohne Presse, ohne Kameras, ohne Tumulte also, gedachte eine Handvoll Burschenschafter der Toten zweier Weltkriege. Am frühen Morgen war dann eigentlich schon alles vorbei. Die Demonstranten mögen wohl noch geschlafen haben, waren massive Gegenkundgebungen doch erst für den späteren Nachmittag vorgesehen. Es passierte – nichts. Bis auf eine Meldung, ein vermummter Linker hätte im Hof des Universitätsgebäudes eine Skulptur (einen in Stein gehauenen "Siegfried-Kopf") mit Hammer und Meißel beschädigt. Und daß sich eine einzige Gruppe von, so hieß es, "linken Demonstranten" vorgenommen hätte, die von der Exekutive vorsorglich installierten Absperrungen zum Josefsplatz, wo sich abends Burschenschafter zu einem Fackelzug getroffen hatten, zu durchbrechen. Explizit: zu durchbrechen. Wer das "Österreich Journal" kennt, weiß, daß mich keinerlei parteipolitische Motive zu solchen Überlegungen bewegen. Und wenn es gerade diesmal den Anschein hätte, ich würde einer parteipolitischen Präferenz unterliegen, so täuscht dies – mehr denn je. Die Sache selbst nämlich, die eine beklemmende Mischung aus Sorge und Ärger in mir hervorruft, rückt meinen Standpunkt in diese Position, denn: Alt- und Neonazis haben in unserem Leben nichts zu suchen. Trotz allem muß es aber erlaubt sein, als "Nicht-Rechter", stutzig zu werden, wenn Biedermänner die Rolle der Brandstifter proben. |
||
Wie stehen Sie zu diesem Thema? Lassen Sie es uns wissen (Sie erklären sich – mit Absenden dieses Mails – mit einer Veröffentlichung Ihres Beitrages auf unseren Seiten ausdrücklich einverstanden) |