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"Gentechnikfreies Bewirtschaftungsgebiet Oberösterreich"
Linz (lk) - Die oö. Landwirtschaft genießt nicht nur im eigenen Bundesland, sondern auch österreichweit den Ruf als Produzent hochwertiger und natürlicher Lebensmittel. In Österreich wie auch in einigen anderen EU-Ländern ist der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen verboten. Eine neuerliche Bedrohung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, da der derzeitige EU-Zulassungsstopp für neue "Gentech-Pflanzen" aufgehoben werden könnte.
Darum sollte entsprechend dem ökologischen Vorsorgegedanken sowie dem überwiegenden Wunsch der Bürgerinnen und Bürger Oberösterreichs nach gentechnikfreien Lebensmitteln (223.232 Unterzeichner des Gentechnik-Volksbegehrens in Oö.) die vorliegende Studie als Entscheidungsgrundlage für eine nachhaltig ökologisch und ökonomisch tragfähige Landwirtschaft dienen.
In Oberösterreich wurde ein Expertengremium ins Leben gerufen, das die Oö. Landesregierung sowie den Oö. Landtag in allen Fragen zur Gentechnik beraten soll. Der etwa 20-köpfige "Oö. Expertenrat für Gentechnik" wurde in seiner Zusammensetzung bewusst so ausgewählt, dass nicht nur Experten aus Wissenschaft und Forschung in diesem Gremium vertreten sind. Darin vertreten sind auch Fachleute, die im Zuge ihrer praktischen Tätigkeit (Lebensmittelindustrie, Untersuchungsanstalten, Lebensmittelaufsicht, etc.) tagtäglich mit der Überprüfung von Produkten auf Gentechnikfreiheit konfrontiert sind.
Der Expertenrat hat in seinen bisherigen Sitzungen rechtliche bzw. organisatorische Mängel im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von gentechnikfreien Lebensmitteln aufgezeigt und die Machbarkeit der Positivkennzeichnung als nicht realistisch beurteilt. Er sprach daher eine Empfehlung zur "Prüfung der Umsetzung von gentechnikfreien Anbauzonen in Oberösterreich" aus.

Studie "Gentechnikfreie Bewirtschaftungsgebiete"
Die Projektstudie wurde an Dipl.-Ing. Werner Müller – ein Mitglied des oö. Expertenrates für Gentechnik - vergeben, der auf dem Gebiet der ökologischen Risikoforschung ein bereits anerkannter Fachmann ist.
Neben dem Umweltressort des Landes Oberösterreich konnte das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen als Auftraggeber in dieses Projekt eingebunden werden. Da die Zuständigkeiten für wesentliche gentechnische Belange beim Bund liegen, kommt dieser Zusammenarbeit von Bund und Land besondere Bedeutung zu.
Die Ergebnisse dieser Studie liegen nun vor.
Ziel der Studie war es, Szenarien zur Umsetzung von "gentechnikfreien Bewirtschaftungsgebieten" auszuarbeiten und Vorschläge bzw. Empfehlungen für mögliche Umsetzungsschritte abzuleiten.

Untersucht wurden 3 Szenarien:
Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen
Schaffung kleiner bis mittelgroßer GVO-freier Zonen
Ausweisung als gesamte GVO-freie Fläche

Szenario 1: Anbau von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen
Da die biologische bzw. konventionelle Landwirtschaft dabei nicht speziell geschützt wird, würden die ökologischen Bewirtschaftungsformen langfristig zum Erliegen kommen. Die kleinbäuerliche Struktur der österreichischen Landwirtschaft wäre deutlich bedroht. Eine Rückkehr zu einer gentechnikfreien Landwirtschaft durch Sanierung der gentechnisch verschmutzten Produktionsflächen wäre aufgrund der Haltbarkeit bestimmter Samen äußerst schwierig und nur nach mehrjährigen Übergangszeiträumen möglich.

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Szenario 2: Schaffung kleiner bis mittlerer gentechnikfreier Zonen
Zum Schutz sowohl einer ökologisch geführten als auch konventionellen (gentechnikfreien) Landwirtschaft werden sog. "GVO-freie Zonen" (frei von Gentechnisch Veränderten Organismen) geschaffen, in denen der Anbau gentechnisch veränderter Kulturpflanzen untersagt ist.
Zur Sicherung der gentechnikfreien Bewirtschaftung müssen rund um solche Zonen mehr oder weniger große Schutz- bzw. Pufferzonen eingerichtet werden, um die Verbreitung und Übertragung von fremdgenhältigem Material durch Pollen, Insekten oder Wind zu unterbinden.
Die zentrale gesellschaftspolitische Problematik bei dieser Variante liegt in der Festlegung und Ausweisung von solchen Zonen, im Überwachungsplan und in den damit verbundenen Kosten (Kompensationszahlungen, Kosten der Überwachung, Kosten des GVO-Monitorings gemäß EU-Richtlinien).
Die Stärken dieses Systems liegen darin, dass alle möglichen Produktionsformen (biologisch/ökologisch, konventionell GVO-frei, konventionell GVO) nebeneinander ermöglicht werden.
Die Schwächen liegen in den Schwierigkeiten bei der Festlegung und Ausweisung von GVO-freien und GVO-Flächen.
Zur Umsetzung gentechnikfreier Zonen wurde im Rahmen dieser Studie für Oberösterreich eine Erhebung auf Gemeindeebene durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, wieviel Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche je Gemeinde für einen GVO-Anbau zur Verfügung stehen, wenn man beispielsweise um bereits bestehende Betriebe des Ökologischen Landbaus entsprechende Schutzgebiete legen würde.
Das Ergebnis der Erhebung: Geht man von einem Schutzradius von 4 Kilometer aus, so ist in Oberösterreich ein konfliktfreier GVO-Anbau kaum möglich.
Der Bezirk-Wels Land etwa ist der Bezirk mit der geringsten Dichte an Biobetrieben. Selbst in diesem Bezirk wäre ein GVO-Anbau ohne GVO-Kontamination von Biobetrieben nur in sehr geringem Umfang möglich, am ehesten noch in den Gemeinden Pichl und Krenglbach.

Szenario 3: Ganz Oberösterreich als GVO-freie Zone
Diese Variante fordert neben einer auf gentechnikfreier Qualitätsproduktion ausgerichteten Landwirtschaft (z.B. mit GVO-freier Saatgutproduktion) die Etablierung eines konventionellen GVO-freien Marktes.
Zur finanziellen Absicherung der Landwirte müssten Kompensationszahlungen erfolgen, um die Vermarktung biologischer als auch konventionell gentechnikfreier Produkte im In- und Ausland zu fördern. Der Anbau von GVO-hältigen Kulturpflanzen müsste neben Oberösterreich auch in allen anderen Bundesländern gesetzlich untersagt werden.
Meinungsumfragen zeigen, dass sich eine breite Mehrheit der Konsumenten eine österreichweite GVO-freie Zone vorstellen kann und auch viele Landwirte der Errichtung von GVO-freien Zonen zustimmen würden.

Daher:
* Schutz von ökologisch sensiblen Gebieten
wie z. B. Naturschutzgebiete, Nationalparks, biologisch wirtschaftende Betriebe. Mittlerweile werden ca. 9 % der österreichischen landwirtschaftlichen Nutzflächen biologisch bewirtschaftet.

* Schutz einer GVO-freien Saatgutzüchtung
Die Probleme mit GVO-kontaminiertem Rapssaatgut im Jahr 2000 und mit GVO-kontaminiertem Maissaatgut im Jahr 2001 zeigen wie notwendig entsprechende Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung einer kontrolliert GVO-freien Saatgutproduktion sind. Hier kommt dem Prinzip `Vorsorge statt Reparatur` große Bedeutung zu.
Die lange geforderten Saatgutkontrollen und die Verbesserung des Qualitätsmanagementsystems im Saatgutbereich können als erster Schritt in die richtige Richtung betrachtet werden.
"Oberösterreich als gentechnikfreie Zone ist eine Chance, um die Qualität heimischer landwirtschaftlicher Produkte nachhaltig zu sichern und den Bauern auch neue Absatzmärkte zu erschließen", so Umwelt-Landesrätin Haubner.

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Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck zur Schaffung von GVO-freien Zonen in der Landwirtschaft
"Forschungsarbeiten zur Möglichkeit der Einrichtung von GVO-freien Bewirtschaftungs- gebieten werden von Herrn BM Haupt und mir in unserem Ressort schon seit längerem gefördert. Es ist interessant, dass nunmehr auch EU-Agrarkommissar Fischler die Notwendigkeit erkennt, dass insbesondere zum Schutz der ökologisch orientierten Landwirtschaft Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Gentechnikfreiheit der biologischen Landwirtschaft sicherzustellen und die Einrichtung von GVO-freien Zonen hiefür eine realistische Option darstellt.
Wir haben auf Bundesebene dafür gesorgt, dass durch die neue Saatgut-Gentechnik- verordnung strengste Grenzwerte für die in Frage kommenden Saatgutsorten festgelegt worden sind. Diese Grenzwerte, die praktisch eine Nulltoleranz bedeuten, werden gemäß Mitteilung von Bundesminister Mag. Molterer auch für die Anbausaison 2002 eingehalten.
Ebenso haben wir auf Bundesebene durch die Codexrichtlinie zur Gentechnikfreiheit eine Voraussetzung für das Inverkehrbringen von GVO-freien Lebensmitteln geschaffen.
Da der österreichische Markt derzeit auch nur "gentechnikfreie Produkte" nachfragt, ist Österreich derzeit – was die landwirtschaftliche Produktion betrifft – praktisch gentechnikfrei.
Das Konzept gentechnikfreier Wirtschaftsgebiete wird aber vor allem für den Fall an erheblicher Bedeutung gewinnen, dass in der Europäischen Union neue Kulturpflanzen für den kommerziellen Anbau zugelassen werden.
Insgesamt stellt sich die zentrale Frage, wie ein Nebeneinander der beteiligten Wirtschaftsakteure, d.h. der biologischen Landwirtschaft und der konventionellen Landwirtschaft, die ebenfalls GVO-frei produzieren möchte, einerseits und einer künftigen Landwirtschaft, die möglicherweise auch gentechnisch veränderte Pflanzen einsetzen wird, möglich sein kann.
Dies impliziert auch die grundsätzliche Frage, in welche Richtung sich die österreichische Landwirtschaft weiterentwickeln möchte.
Die Beantwortung kann daher auch nur von der Landwirtschaft selbst erfolgen; die für die Landwirtschaft hauptsächlich zuständigen Bundesländer, aber auch das Landwirtschaftsministerium spielen bei der Antwort auf diese agrar-sozioökonomische Frage auch eine entscheidende Rolle.
Ich freue mich jedenfalls, dass mit dem vorliegenden Forschungsprojekt eine erste Studie vorliegt, die – auch basierend auf naturwissenschaftlichen Daten – konkrete Szenarien für die Umsetzung des Konzepts gentechnikfreier Bewirtschaftungsgebiete darzustellen versucht und auch die landesgesetzlichen Instrumente, die für eine rechtliche Verankerung allenfalls in Frage kommen, beschreibt.
Nicht näher eingegangen wird in der Studie allerdings auf das Spannungsfeld, das eine entsprechende (landesgesetzliche) Festlegung mit dem derzeitigen EU-Recht, insbesondere der Freisetzungsrichtlinie, aber auch der Saatgutrichtlinien darstellt.
Umso bedeutender erscheinen uns daher auch entsprechende Initiativen von Akteuren auf dem landwirtschaftlichen Produktenmarkt, die im Interesse der Etablierung einer qualitätsorientierten österreichischen gentechnikfreien Saatgutproduktion ihre Maisbauern vertraglich in das Konzept geschlossener Anbaugebiete einbinden", betont Staatssekretär Waneck.

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