Der Chip, der warnt, wenn‘s stinkt  

erstellt am
08. 05. 03

Bonn (uni) - Wissenschaftler der Universität Bonn haben einen preisgünstigen Sensor entwickelt, mit dem sich mögliche Geruchsquellen vollautomatisch rund um die Uhr überwachen lassen. Der hochempfindliche Chip registriert einige Düfte schon in Konzentrationen, die der Mensch noch gar nicht wahrnimmt. Einsatzmöglichkeiten sehen die Forscher überall dort, wo lästige Gerüche oder gefährliche


So gut wie die menschliche Nase funktioniert der Sensor (rechts) noch nicht - auch wenn er beispielsweise erstaunlich geringe Unterschiede bei verschiedenen Parfüms zu erschnüffeln vermag.

Fotos: Frank Luerweg / Universität Bonn
Gase entstehen können, beispielsweise in Kläranlagen, auf Deponien, in der Tierzucht oder in Industriebetrieben.
Käme ein verrückter Parfümeur auf die Idee, Chanel No. 5 mit Schwefelwasserstoff zu „veredeln“, fände er – wenn überhaupt – höchstens Abnehmer aus der Scherzartikel-Branche: Seine Kreation würde äußerst penetrant nach faulen Eiern riechen. Dem Bonner Duftsensor würde jedoch kein Unterschied zum Original-Chanel auffallen – für Schwefelwasserstoff ist das „chemische Auge“ blind. Dafür kann der Chip in anderen Fällen noch zwischen Original und billigem Imitat unterscheiden, wenn sie so ähnlich riechen, dass selbst ein olfaktorisches Genie passen müsste. „In der Nase gibt es mehr als Tausend verschiedene Rezeptor-Typen für unterschiedliche Duftmoleküle“, erklärt Dr. Peter Boeker vom Bonner Institut für Landtechnik. „Die meisten sind sehr spezifisch und sprechen nur auf wenige Substanzen an. Unser Sensor hat gerade einmal sechs, die allerdings jeweils ein breites Spektrum von flüchtigen chemischen Verbindungen abdecken.“ Die Entwickler bezeichnen ihren Sensor daher auch nicht gerne als „elektronische Nase“. „‚Chemisches Auge‘ passt besser – dort gibt es ja auch nur drei verschieden Farbrezeptor-Typen.“

Das „chemische Auge“ samt Elektronik ist wenig größer als eine EC-Karte. Sechs runde Goldplättchen, kreisförmig angeordnet, sind für die Geruchswahrnehmung zuständig. Auf jedem dieser Rezeptoren klebt eine hauchdünne „Leimschicht“, die „gaschromatographische Phase“, an der die Geruchsmoleküle aus der Luft haften bleiben können. Die sechs verschiedenen „Leimsorten“ haben aber unterschiedliche Vorlieben: An der einen Sorte kleben etwa kleine ringförmige Verbindungen am besten, an der anderen eher gestreckte Moleküle – so ähnlich wie ein Fliegenfänger, der bevorzugt Mücken, Stubenfliegen oder Bienen fängt. Anders als dieser lässt der Leim den Duftstoff aber kurz darauf wieder los, so dass die Rezeptoren wieder frei werden.

Die Goldplättchen werden durch kleine Quarze in Schwingung versetzt. Am besten klappt das bei ihrer Resonanzfrequenz. Bleiben Gasmoleküle an den Plättchen kleben, werden sie ein wenig schwerer und damit träger – ihre Resonanzfrequenz nimmt ab. „Diese Veränderung können wir messen“, erklärt der Biophysiker, „und zwar so genau, dass jeder Rezeptor noch Mengen von einem Milliardstel Gramm registrieren kann.“ Derartige Quarz-Mikrowaagen gibt es schon lange; als Geruchsdetektor eignen sie sich aber nur im Verbund. Zwar hat jeder „Leim“ so seine Vorlieben, aber auch andere Moleküle können mehr oder weniger lange an ihm haften bleiben. Ein Duftstoff verändert daher die Resonanzfrequenz mehrerer Quarz-Mikrowaagen in ganz charakteristischer Weise. „Daher können wir mit unseren sechs Waagen nicht nur sechs Gerüche messen, sondern Hunderte oder sogar Tausende“, so Boeker.

Zusätzlich erhöhen die Wissenschaftler die Empfindlichkeit des „chemischen Auges“, indem sie zunächst einmal den Geruch konzentrieren. Dazu saugen sie die Luft für drei bis fünf Minuten durch einen Filter aus Aktivkohle oder einem anderen Material, an dem die Duftstoffe haften bleiben. „Dann erhitzen wir den Filter schlagartig auf 250 Grad, worauf er alle eingefangenen Moleküle freisetzt. So erreichen wir eine 200- bis 300-fach stärkere Empfindlichkeit.“

Einsatzmöglichkeiten sehen die Entwickler in allen Bereichen, in denen störende oder gar gesundheitsschädliche Emissionen entstehen können, eine Überwachung durch menschliche „Geruchswächter“ aber nicht zumutbar oder einfach zu teuer wäre. „Unser Gerät kostet etwa 15.000 Euro, dazu kommt allerdings noch der Arbeitsaufwand, es auf die jeweilige Aufgabe hin zu trainieren.“ Momentan stellt das „chemische Auge“ seine Fähigkeiten bei einem zweimonatigen Dauereinsatz in einer Münchner Papierfabrik unter Beweis. Weitere Firmen haben bereits Interesse bekundet. Nicht zuletzt deshalb sehen sich die Wissenschaftler in ihrem Plan bestätigt, ihren Geruchssensor über eine eigene Firma zu vermarkten. Die Juroren des Businessplan-Wettbewerbs „Netzwerk und Know-how“ bescheinigten ihrer Erfindung bereits „großes Wachstumspotenzial und einen hohen Innovationsgrad“ und bedachten die Entwickler mit einem Preisgeld von 2.000 Euro.

In puncto Spezifizität und Empfindlichkeit sei man der menschlichen Nase jedoch trotz aller technischer Finessen hoffnungslos unterlegen, gibt Dr. Boeker zu: Um den Duft einer Grapefruit wahrzunehmen, benötigt unser Geruchssinn nur ein paar Moleküle.
     
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