Bonn (uni) - Agrarwissenschaftler der Universität Bonn haben eine Pflanzenschutzspritze entwickelt,
die Unkräuter bei der Fahrt über das Feld identifiziert und ganz gezielt durch die Wahl des passenden
Herbizids bekämpft. Mehr als die Hälfte der üblichen Menge an Pflanzenschutzmittel lässt sich
so einsparen. Mit der Firma Kverneland haben die Forscher nun einen Projektpartner gefunden, der ihre Erfindung
in Serie produzieren möchte. Die deutsche Bundesstiftung Umwelt sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft
DFG haben das Projekt finanziell gefördert.
Sie heißen Ackerfuchsschwanz, Taubnessel oder Klettenlabkraut, und unter Landwirten sind sie ziemlich unbeliebt.
Der Kampf gegen die hartnäckigen Unkräuter kostet nämlich eine Stange Geld: Bis zu 200 Euro pro
Hektar verschlingt der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Ackerbau Jahr für Jahr. Bei einem Großbetrieb
von einigen tausend Hektar summiert sich das zu einem erklecklichen Betrag, ganz zu schweigen von der Umweltbelastung,
die selbst moderne Herbizide mit sich bringen.
Dabei ließe sich durch zielgenaues Spritzen jede Menge Chemie einsparen, erkannte Dr. Roland Gerhards vom
Bonner Institut für Pflanzenbau schon vor fast einem Jahrzehnt. Mit den Ackerunkräutern ist es nämlich
wie mit Fußpilz: Nur sehr selten ist die gesamte Fläche betroffen, stattdessen sprießen die unerwünschten
Untermieter gehäuft an bestimmten Stellen, von denen sie sich selbst mit chemischer Hilfe dauerhaft kaum vertreiben
lassen. Der Agrarwissenschaftler hat daher mit Informatikern und Experten aus der Industrie eine Spritzmaschine
entwickelt, die derartige Unkrautnester bei der Fahrt über den Acker erkennt und gezielt bekämpft.
Kernstück der High-Tech-Spritze sind drei Digitalkameras, die bei der Fahrt den Ackerboden fotografieren und
die Bilder an einen Computer schicken. Der Rechner extrahiert die Konturen der aufgenommenen Bodenpflanzen und
entfernt Störungen; ein zweiter Computer vergleicht die so bearbeiteten Bilder mit Musterpflanzen in einer
Datenbank. Er erkennt so nicht nur, ob es um ein Unkraut handelt, sondern gegebenenfalls auch, um welche Sorte.
„Es gibt Herbizide, die nur gegen Gräser helfen, andere wirken nur gegen zweikeimblättrige Pflanzen wie
das Ackerstiefmütterchen oder gegen spezielle Problemunkräuter“, erklärt Dr. Gerhards. Bislang sprühen
Landwirte daher einen Mix verschiedener Pflanzenschutzmittel auf ihre Felder. „Unsere Maschine wählt unter
drei Herbiziden das gerade passende aus“, so der Forscher. Und das auch noch in der richtigen Menge: Wo nichts
Falsches wächst, wird auch nicht gespritzt; wo wenig wächst, nur wenig.
Der Ingenieur Dr. Rolf-Dieter Therburg hat die Kameratechnik entwickelt. Auf das Ergebnis ist er zu Recht stolz:
Die automatische Bilderkennung – schon unter Laborbedingungen bei optimalem Licht eine schwierige Aufgabe – funktioniert
auf dem Feld bei allen Wetterbedingungen. Und das auch noch ziemlich schnell: Mit bis zu zehn Stundenkilometern
holpert die Spritzmaschine über den Acker; jede der drei Kameras macht dabei zweimal pro Sekunde ein Foto.
Bei den Probeeinsätzen auf dem Uni-Versuchsgut Dikopshof bei Wesseling identifiziert das Programm momentan
noch in einem ersten Schritt die Unkräuter und erstellt daraus GPS-gestützt eine „Spritzkarte“, auf der
es die nötigen Herbizidmengen einträgt. Erst in einem zweiten Schritt versprüht dann die 21 Meter
breite Spritze nach dieser Anweisung die Pflanzenschutzmittel – prinzipiell würde das aber auch in einem einzigen
Durchgang klappen. „Feldversuche haben bereits gezeigt, dass sich mit unserer Methode mehr als 50% Herbizide sparen
lassen“, so der Dr. Gerhards. „Und das bei vergleichbarem Spritzerfolg: Selbst nach mehreren Jahren nimmt die Unkrautbelastung
in der Regel nicht zu.“
Im Augenblick existiert von der Spritze lediglich ein Prototyp, der von Gerd Beckers, Technischer Angestellter
am Versuchsgut Dikopshof, und dem Agrarwissenschaftler Reiner Lock konstruiert und bereits im Feldeinsatz getestet
wurde. Der norwegische Kverneland-Konzern – einer der weltweit führenden Anbieter für Pflanzenschutzspritzen
– hat jedoch das Potenzial der neuen Technik bereits vor Jahren erkannt und sich an dem Projekt beteiligt. Die
Norweger planen nun, die Bonner Spritzmaschine in Serie zu produzieren. Die Marktchancen stehen angesichts immer
schärferer Richtlinien für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nicht schlecht, zumal bei den Herbiziden
in puncto Umweltverträglichkeit und Wirksamkeit keine Quantensprünge mehr zu erwarten seien. Dr. Gerhards:
„Die nächste Revolution wird keine chemische sein, sondern eine technische.“ |