Zürich (alphagalileo) - Im Nationalen Forschungsprogramm "Antibiotikaresistenz" wird in den
nächsten drei Jahren ein schweizweites Überwachungssystem für antibiotikaresistente Krankheitserreger
entwickelt. Die Methodologie, die dem Monitoring zugrunde liegt, ist international einmalig und bildet die Grundlage
für die Erforschung, Erarbeitung und Kontrolle von Präventionsmassnahmen.
Die Antibiotikaresistenz ist ein Phänomen in konstanter Veränderung. Die Bakterien entwickeln Gegenstrategien
gegen die Antibiotika, und die Medikamente verlieren immer mehr ihre Wirkung. So gibt es bereits verschiedene Krankheitserreger
wie Tuberkulose, Salmonellen oder den Eitererreger Staphylococcus aureus, die gegen mehrere Antibiotika resistent
geworden sind, was zu Behandlungskomplikationen führt.
Das Nationale Forschungsprogramm "Antibiotikaresistenz" (NFP 49) hat erkannt, dass dieses äusserst
dynamische Phänomen neue Strategien erfordert, die auf vielfältigen Forschungsanstrengungen beruhen.
Um das Problem der Resistenzbildung konkret anzugehen, hat das NFP 49 entschieden, die Entwicklung eines nationalen
Überwachungssystems zu unterstützen, das antibiotikaresistente Keime in der Schweiz effizient und dauerhaft
registriert. Dieses System wird ein zentrales Element der nationalen Politik auf diesem Gebiet darstellen.
Ein Team um die Epidemiologin und Infektiologin Kathrin Mühlemann vom Institut für Infektionskrankheiten
der Universität Bern hat, begleitet von einer Steuerungsgruppe, ein Monitoringsystem entworfen, das 60 Prozent
der Spitalpatienten und 30 Prozent der praktizierenden Ärzte in der Schweiz einbezieht. Bisher gibt es in
der Schweiz nur Momentaufnahmen, die sich auf einzelne Erreger, Patientengruppen oder Regionen beschränken.
"Das Überwachungssystem ist unerlässlich, um Präventionsmassnahmen zu entwickeln und zu evaluieren",
sagt Kathrin Mühlemann. Dazu gehören beispielsweise Empfehlungen für die Wahl der Antibiotika. Zwar
sei die Häufigkeit resistenter Bak-terien in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ tief, doch sie
habe in den letzten Jahren zugenommen. "Da sich Resistenzen sehr schnell ausbreiten können, ist ihre
Kontrolle am ein-fachsten, wenn sie noch relativ selten sind", sagt Mühlemann.
Aufwändige Datenverwaltung In einem einjährigen Pilotprojekt haben Kathrin Mühlemann und ihr Team
die Machbarkeit des Monitorings abgeklärt. Von den insgesamt mehr als achtzig Schweizer Mikrobiologie-Labors
haben sie zwanzig ausgewählt, die möglichst viele Patienten in allen Regionen der Schweiz abdecken. Die
angefragten Labors haben sich alle bereit erklärt, die Resultate ihrer Resistenztests anonymisiert an eine
zentrale Datenbank weiterzuleiten. Ausserdem hat das Forschungsteam die Vergleichbarkeit der Resistenztests geprüft
und einen Software-Entwickler für das anspruchsvolle Datenverwaltungssystem gesucht. In einem öffentlich
ausgeschriebenen Wettbewerb hat sich die Firma akm software GmbH aus Unterhaching bei München durchgesetzt.
Vom Monitoring profitieren wird auch die Grundlagenforschung. Denn die Epidemiologie der verschiedenen Bakterienstämme
lässt Rückschlüsse auf den Mechanismus der Resistenzbildung zu, was beispielsweise der Entwicklung
neuer Antibiotika dient. Gleichzeitig mit den Keimen wird das Forschungsteam auch den Antibiotikaverbrauch beobachten
und mit der Resistenzentwicklung vergleichen. Zwar wird diese Beziehung auch von anderen Ländern wie Dänemark
oder von einzelnen Spitälern untersucht. Doch das Schweizer Monitoring ist wegen der Vielfalt der überwachten
Keime, der breiten Erhebung von epidemiologischen Messgrössen, des hohen Abdeckungsgrads hospitalisierter
Patienten und insbesondere wegen des Einbezugs von ambulanten Patienten weltweit einmalig.
Bis im August 2005 soll die Datenbank fertig und alle Labors sol-len angeschlossen sein. Im letzten Projektjahr
wird das Monitoring ausgefeilt und mit den europäischen Datenbanken EARSS (European Antimicrobial Resistance
Surveillance System) und ESAC (European Surveillance of Antibiotic Consumption) vernetzt. Für diese Aufbauarbeiten
hat der SNF ein Projektbudget von 2,7 Millionen Franken bewilligt. Dann soll das Überwa-chungssystem vom Bundesamt
für Gesundheit weitergeführt werden können, das bereits heute mit Pierre-Alain Raeber in der Steuerungsgruppe
des Projekts vertreten ist. |