Paris (esa) - Die ESA-Mission Mars Express ist in mehrfacher Hinsicht ein Pioniervorhaben: Zum einen handelt
es sich um die erste europäische Reise zum Mars, zum anderen wurde die Sonde zu außergewöhnlich
niedrigen Kosten und in Rekordzeit gebaut.
Mars Express ist das erste Beispiel für das neue Konzept der ESA zur Entwicklung von Wissenschaftsmissionen:
schneller, besser und kosteneffizienter, und das ohne Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit und Qualität
- denn gespart wurde weder bei den Erprobungen noch bei den Startvorbereitungen. Die Sonde wird während ihrer
Reise zum Roten Planeten extreme technische Herausforderungen zu bewältigen haben, auf die sich die Ingenieure
der ESA gründlich vorbereitet haben.
„Mit Mars Express erarbeitet sich Europa seine eigenen Fachkenntnisse auf zahlreichen Gebieten. Diese reichen von
der Entwicklung von wissenschaftlichen Experimenten und für die europäische Industrie neuen Technologien
bis zur Kontrolle einer Mission, zu der die Landung auf einem anderen Planeten gehört - was wir noch nie gemacht
haben“, sagt der Projektleiter für Mars Express, Rudi Schmidt.
Schneller, besser - und dabei sicher!
Die Entwurfs- und Entwicklungsphase für Mars Express hat etwa vier Jahre gedauert, verglichen mit rund sechs
Jahren für ähnliche frühere Missionen. Vor allem jedoch kostet die Mission mit 300 Millionen Euro
weitaus weniger als vergleichbare interplanetare Missionen. Der „Trick“: ein neuer Managementansatz, der zum einen
in der Wiederverwendung von vorhandenen Geräten und Instrumenten und zum anderen in der Entwicklung durch
ein kleineres Team der ESA resultierte, das der Industrie mehr Verantwortung übertragen hat. Gebaut wurde
die Sonde von einem Konsortium unter der Leitung des Hauptauftragnehmers Astrium, dem 24 Unternehmen aus den fünfzehn
ESA-Mitgliedstaaten und den USA angehörten.
Dabei wurde die Sicherheit der Mission zu keinem Zeitpunkt vernachlässigt. „Obwohl wir gegen Ende des Projekts
stark unter Druck standen, haben wir kein einziges Mal erwogen, aus Zeitgründen einen geplanten Test ausfallen
zu lassen. Ich würde das Ganze eine schnelle Entwurfsphase mit anschließender gründlicher Testphase
nennen“, so Schmidt.
Diese neue, straffere Entwicklungsmethode soll auch bei Venus Express und voraussichtlich noch bei anderen künftigen
Missionen zur Anwendung kommen.
Der Start
Mars Express wird am 2. Juni mit einem Sojus-Fregat-Träger vom Raumflugzentrum Baikonur in Kasachstan aus
ins All befördert. Die Mission, die aus einem Orbiter und dem Landegerät Beagle 2 besteht, wird in der
Konfiguration eines 1 223 kg schweren Aluminiumkastens mit den Abmessungen 1,5 x 1,8 x 1,4 m (ohne Sonnenzellenflügel)
gestartet. Das seitlich an der Sonde befestigte Landegerät bleibt während des Flugs „zugeklappt“ wie
eine riesige Taschenuhr. Die Ankunft am Mars ist für Ende Dezember geplant: Dann wird Beagle 2 auf dem Mars
landen, während der Orbiter in seine Umlaufbahn um den Mars einschwenkt.
Gegenwärtig läuft in Baikonur die Endphase einer umfangreichen Startkampagne. Die Sonde ist dort am 20.
März eingetroffen. Mit 457 kg Treibstoff betankt, wurde sie am 24. Mai in den Sojus-Träger integriert
- ein Vorgang, den die Russen „Hochzeit“ nennen. Träger und Nutzlast wurden dann am 29. Mai, vier Tage vor
dem Start, zum Startplatz gerollt.
Der schnellste Weg zum Roten Planeten
Einer der Gründe, weshalb die Wissenschaftler Mars Express in so kurzer Zeit entwickeln mußten,
ist die derzeit außergewöhnlich günstige Konstellation zwischen der Erde und dem Mars. Zwar bietet
sich eine Startgelegenheit zum Mars alle 26 Monate - nämlich dann, wenn Sonne, Erde und Mars in einer Geraden
zueinander stehen -, aber so gering wie gerade jetzt ist die Entfernung zwischen Erde und Mars nur alle 15 bis
17 Jahre. Berechnungen ergaben zudem, daß die Kombination aus geringstem Treibstoffverbrauch und kürzester
Reisedauer nur unter der Voraussetzung zu realisieren ist, daß der Start zwischen dem 23. Mai und dem 21.
Juni erfolgt. Das Mars-Express-Team hat alles daran gesetzt, dieses Startfenster nicht zu verpassen.
Als Zeichen des gegenseitigen Respekts zweier europäischer High-Tech-Organisationen wird Mars Express einen
kleinen Behälter mit der roten Farbe der Ferrari-Rennwagen mitführen.
Nach dem Start
90 Minuten nach dem Start wird sich Mars Express von der Oberstufe der Sojus-Fregat lösen. Anschließend
werden sich die Sonnenzellenflügel entfalten, worauf die Sonde Funkkontakt mit der ESA-Bodenstation in New
Norcia, Westaustralien, aufnehmen wird.
Mars Express wird sich mit einer Geschwindigkeit von 3 km/s von der Erde entfernen. Ein wesentlicher Vorgang in
diesem frühen Flugstadium wird die Abtrennung der Befestigungsklammern von Beagle 2 drei Tage nach dem Start
sein. Diese Vorrichtungen, die dafür sorgen, daß das Landegerät während des Starts fest mit
der Sonde verbunden bleibt, werden im Weltraum nicht mehr benötigt - und nicht nur das: Ihre Absprengung ist
auch Voraussetzung dafür, daß sich Beagle 2 bei der Ankunft am Mars wie geplant vom Orbiter lösen
kann.
Um sicherzustellen, daß alles planmäßig verläuft, wurden keine Mühen gescheut. Schmidt
betont, daß „wir alle Aspekte der Mission gründlich genug getestet haben, um voller Zuversicht sagen
zu können, daß keine Fehler, vor allem keine elementaren, auftreten werden. Mars Express wurde zwar
in Rekordzeit entwickelt, aber bei den Tests wurden keine Kompromisse eingegangen, was auch für das Bodensegment
gilt.“
Eintritt in die Umlaufbahn und Landung auf dem Mars
Sechs Tage vor der Ankunft am Mars wird das Landegerät ausgeklinkt. Dieser Vorgang gilt als einer der komplexesten
der gesamten Mission. Beagle 2 ist mit seinen 65 kg zu leicht, um einen Steuerungsmechanismus mitzuführen,
und ist auch nicht für den Empfang von Befehlen während seines Abstiegs und seiner Landung ausgerichtet.
Seinen geplanten Landeplatz kann es daher nur erreichen, wenn es vom Orbiter in die richtige Flugbahn gebracht
und an einem ganz bestimmten Punkt mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit ausgesetzt wird. Für die Steuerung
dieses Manövers wird das Bodenkontrollteam im Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt,
Deutschland, zuständig sein. Mit Simulatoren, die ausgeklügelten Computerspielen ähneln, trainieren
die Ingenieure seit Monaten für den Anflug auf den Mars und das Aussetzungsmanöver. Sie werden ihre Vorbereitung
auch nach dem Start fortsetzen.
Nach dem Ausklinken des Landegeräts wird sich der Orbiter zunächst auf Kollisionskurs mit dem Roten Planeten
befinden. In einem weiteren entscheidenden Manöver müssen die Bodenkontrolleure dann seine Flugbahn korrigieren
und seine Geschwindigkeit auf 1,8 km/s drosseln. Bei dieser Geschwindigkeit kann die Schwerkraft des Mars den Orbiter
erfassen und ihn auf seine Umlaufbahn lenken. Anschließend sind noch eine ganze Reihe von Manövern erforderlich,
bevor der Orbiter seine endgültige Einsatzposition - eine stark elliptische polare Umlaufbahn - erreichen
wird und die wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen können.
Beagle 2 wird inzwischen auf dem Mars gelandet sein. Vorgesehen ist hierfür ein ausgedehntes elliptisches
Gebiet von 300 km Länge und 150 km Breite in der Äquatorregion Isidis Planitia, das wegen der dort heftig
wehenden Marswinde und der relativ ebenen Oberfläche ausgewählt wurde. Beagle 2 wird an Fallschirmen
herabschweben und schließlich, geschützt durch große Luftkissen, auf der Marsoberfläche aufsetzen.
Nach seiner Landung wird es den Betreibern in der britischen „Jodrell-Bank“-Radioteleskopstation mit einem Signal
- einer Neun-Ton-Melodie, die von der britischen Popgruppe Blur für das Beagle-2-Team komponiert wurde - anzeigen,
daß es sein Ziel sicher erreicht hat.
Mars Express soll mindestens zwei Jahre lang die Oberfläche, die Schichten unter der Oberfläche und die
Atmosphäre des Mars erforschen. Das Landegerät wird etwa sechs Erdmonate lang die Oberfläche des
Planeten erkunden und seine Daten über den Orbiter zur Erde senden.
Die europäische Mission Mars Express soll helfen, grundlegende Fragen über den Mars zu beantworten, darunter
die, ob es auf ihm Wasser gibt und wieviel, und ob Anzeichen für vergangenes oder gar gegenwärtiges Leben
zu finden sind. Ihr Name steht für die bisher umfangreichste Erforschung des Roten Planeten. |