Paris (esa) - Die für Raumfahrtangelegenheiten zuständigen Minister Europas haben auf ihrer heutigen
Tagung in Paris Schritte vereinbart, um die Ariane-5 wieder auf Erfolgskurs zu bringen, in einem reorganisierten
Trägersektor die Entwicklung künftiger Raumfahrzeugträger in die Wege zu leiten, Mittel für
die Internationale Raumstation freizugeben und die Beziehungen zwischen der ESA und der Europäischen Union
zu vertiefen, während Galileo für Europa endlich Realität geworden ist.
Die Minister für Raumfahrtangelegenheiten der fünfzehn ESA-Mitgliedstaaten und Kanadas sind am Dienstag
(27. 05.) zu einem eintägigen Treffen in der Hauptverwaltung der ESA in Paris zusammengekommen,
das gewissermaßen die Fortsetzung ihrer Tagung vom November 2001 in Edinburgh darstellte, wo sie eine Reihe
bedeutender Beschlüsse zu laufenden Programmen und neuen Initiativen mit dem übergeordneten Ziel gefaßt
hatten, die Raumfahrt in den Dienst der europäischen Bürger zu stellen. Nachdem die Edinburgher Beschlüsse
umgesetzt wurden, waren nun neue Entscheidungen notwendig, die gewährleisten sollen, daß Europa ein
führender Akteur in der Raumfahrt bleibt, besonders bei den Startsystemen, und daß die Raumfahrt als
Schlüsselinstrument zur Verwirklichung der Politik Europas in wichtigen Bereichen wie Verkehr, Umwelt, Wissenschaft
und Sicherheit im weitesten Sinne voll anerkannt wird.
Die von den Ministern gefaßten Beschlüsse sind ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung des garantierten
Zugangs Europas zum Weltraum. Sie helfen der ESA, die Wettbewerbsfähigkeit von Europas Raumfahrzeugträgersystem
wiederherzustellen, seinen Trägersektor umzustrukturieren und die künftige Trägergeneration vorzubereiten.
Darüber hinaus haben die Minister beschlossen, Mittel für den Einsatz der Internationalen Raumstation
(ISS) freizugeben, und ihre Entschlossenheit zu einer engeren Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU)
bekräftigt.
Im einzelnen sind sie übereingekommen, Europas kommerziellen Raketenbetreiber, Arianespace, bei der Wiederaufnahme
der Produktion der Ariane-5 in ihrer Grundausführung unter die Arme zu greifen, um die Kontinuität der
Startdienste zu sichern. Gleichzeitig wurde beschlossen, die neue, leistungsstärkere Ausführung ECA (Startkapazität:
10 Tonnen) durch zwei Flüge im Jahr 2004 zu qualifizieren und die Produktionskosten weiter zu senken. Um Europas
garantierten Zugang zum Weltraum zu erhalten, vereinbarten die Minister außerdem, von 2005 bis 2009 ein Sonderprogramm
durchzuführen, das die institutionelle Nutzung der Ariane-5 verstärken soll.
Neben diesen Sofortmaßnahmen zur Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten im Trägersektor,
der weltweit in einer schweren Krise steckt, wurden strukturelle Maßnahmen getroffen, um den europäischen
Trägersektor als Ganzes robuster zu gestalten, womit der politische Wille zur Stärkung dieses Sektors
demonstriert wird.
Zum einen erkannten die Minister die Notwendigkeit einer Reorganisation des Trägersektors an, mit der eine
enge Verflechtung zwischen Produktion und Entwicklung erreicht werden soll. Ferner beschlossen sie, die Entwicklung
der nächsten Generation von Raumfahrzeugträgern vorzubereiten, um Europas Wettbewerbsfähigkeit auf
diesem Gebiet zu verbessern, und eine internationale Zusammenarbeit aufzubauen. Diese Zusammenarbeit - zunächst
mit Rußland - schließt den Einsatz des russischen Trägers Sojus durch Arianespace von Europas
Raumflughafen in Kourou, Französisch-Guayana, ab 2006 ein.
Mit den heute von den Ministern gefaßten Beschlüssen und den damit zusammenhängenden Sonder- und
strukturellen Maßnahmen wird der garantierte Zugang Europas zum Weltraum aufrechterhalten und seine Zukunft
gesichert.
Ein weiteres Thema, mit dem sich die Minister befaßt haben, ist der europäische Anteil am Einsatz der
ISS. In Edinburgh hatten sie einen Teil der dafür notwendigen Mittel bis zur Bestätigung durch den amerikanischen
Partner, daß er zuvor eingegangenen Verpflichtungen nachkommen werde, gesperrt und damit signalisiert, daß
Europa zur Zusammenarbeit gewillt ist, aber nicht zu jedem Preis. Die Minister kamen nun überein, einen ersten
Teil der gesperrten Mittel für das ISS-Einsatzprogramm für zeitkritische Tätigkeiten vor allem in
bezug auf die Einsatzbereitschaft des Automatischen Transferfahrzeugs (ATV) der ESA und des europäischen ISS-Bodensegments
freizugeben. Die rechtzeitige Einsatzbereitschaft des ATV wird zur Minderung der Auswirkungen einer kleineren Raumtransporterflotte
nach dem „Columbia“-Unfall beitragen.
Schließlich kamen die Beziehungen zwischen der ESA und der EU zur Sprache, ein Thema, welches nunmehr regelmäßig
auf dem Programm der Ministerratstagungen steht. In der ersten im November 2001 in Edinburgh angenommenen Entschließung
hatten die Minister die bisherige Entwicklung dieser Beziehungen begrüßt und die Aushandlung einer Rahmenvereinbarung
gefordert, um die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen zu formalisieren. Seither befaßt sich
die höchste politische Ebene mit dem Thema, wie aus der gemeinsamen Ausarbeitung des Grünbuchs über
eine europäische Weltraumpolitik durch die Europäische Kommission und die ESA und der derzeit vom Europäischen
Konvent erwogenen Aufnahme der Raumfahrt in die erweiterten Zuständigkeiten der EU ersichtlich ist.
Nun wurden weitere Schritte hin zu engeren Beziehungen zwischen der ESA und der EU vollzogen. Die Minister brachten
ihren Wunsch nach deren Vertiefung und weiterem Ausbau zum Ausdruck und forderten die ESA auf, die Rahmenvereinbarung,
die die Grundlage für die ständige Zusammenarbeit zwischen der ESA und der EU bilden wird, bis Ende 2003
zum Abschluß zu bringen.
Darüber hinaus konnte Europa die Bedingungen für die Beteiligung der Teilnehmerstaaten am Satellitennavigationsprogramm
Galileo abschließend festlegen. Die zwischen den ESA-Mitgliedstaaten erzielte Einigung macht den Weg frei
für den offiziellen Beginn der Tätigkeit des Gemeinsamen Unternehmens zwischen der ESA und der EU - des
Rechtsträgers, der die Zusammenarbeit der beiden Organisationen bei Galileo, Europas Initiative zur Entwicklung
eines globalen Satellitennavigationssystems, koordinieren soll.
Im übrigen begrüßten die Minister den vom ESA-Ausschuß für das Wissenschaftliche Programm
gefaßten Beschluß über die neue Mission von Rosetta: Die Kometensonde soll nun im Februar 2004
mit einer Ariane-5 von Kourou, Französisch-Guayana, aus gestartet werden. Das Rendez-vous mit dem neuen Zielkometen,
Tschurjumow-Gerasimenko, ist für November 2014 vorgesehen. Die Kosten der Verschiebung des Rosetta-Starts
hatten für den ohnehin knappen Haushalt des Wissenschaftsprogramms einen Finanzierungsengpaß zur Folge,
der aber nun durch einen vom ESA-Rat zu genehmigenden finanziellen Spielraum auf ESA-Ebene überwunden werden
soll.
„Dies ist ein großer Tag für Europa im allgemeinen und seine Raumfahrt im besonderen“, freute sich ESA-Generaldirektor
Antonio Rodotà. „Unsere Mitgliedstaaten sind sich der wirtschaftlichen, industriellen und strategischen
Bedeutung des garantierten Zugangs zum Weltraum und von Anwendungen wie der Satellitennavigation voll bewußt.
Sie haben der europäischen Raumfahrt neuen Schwung gegeben und damit die unveränderte Entschlossenheit
Europas bekräftigt, einer der führenden Akteure auf diesem Gebiet zu bleiben.“
Die deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, die die Ministerratstagung geleitet
hat, bezeichnete die erzielten Ergebnisse als „wichtigste Entscheidungen seit Jahren. Die ESA-Mitgliedstaaten haben
für das Ariane-Trägersystem im stark umkämpften Markt wettbewerbsfähige Strukturen geschaffen.
Die Umstrukturierung bietet der Politik und der Industrie Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Wir
haben die Verantwortlichkeiten klar geregelt und Preisstabilität vereinbart.“ |