Nur jeder zweite neu gegründete Betrieb erlebt noch seinen fünften Geburtstag
Bonn (alphagalileo) - Je mehr Jungunternehmen auf den Markt drängen, desto magerer fällt
diese Fünf-Jahres-Bilanz aus. Das sind Ergebnisse einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten
Studie, die Wissenschaftler der Universität Bonn und der Bergakademie Freiberg in Sachsen durchgeführt
haben. Ein weiteres Ergebnis gibt ebenfalls Anlass zur Sorge: Mit dem „Gründungsboom“ in den Ostdeutschen
Ländern scheint es gut zehn Jahre nach der „Wende“ endgültig vorbei zu sein. Seit dem Jahr 2000 liegt
dort die Gründungsrate stetig unter Westniveau. Bonn dagegen belegt in Puncto Gründungsaktivität
unter den Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen Rang 4.
Professor Dr. Reinhold Grotz, seine Mitarbeiter Dr. Udo Brixy und Anne Otto vom Geographischen Institut der Universität
Bonn halten die Arbeitsmarkteffekte einer kurzfristigen und undifferenzierten Gründungsförderung für
gering: „Bisherige Erfahrungen zeigen: Je mehr Unternehmen gegründet werden, desto größer die Konkurrenz,
und desto weniger von ihnen überleben“, so Professor Grotz. Das belegen auch die Ergebnisse der Studie: Je
höher die Gründungsrate, das heißt die Anzahl der Betriebsgründungen je 1.000 Erwerbspersonen,
desto weniger Unternehmen erleben ihren fünften Geburtstag. „Zwar ist eine hohe regionale Gründungsrate
ohne Einschränkungen als positiv zu bewerten. Die Förderung von Betrieben, die bereits nach wenigen Jahren
ihre Tätigkeit einstellen müssen, ist aber sicherlich weder sinnvoll noch effektiv.“ Stattdessen gelte
es, die „Überlebensrate“ zu maximieren. „Mehr Erfolg als eine ‚Förderung nach dem Gießkannenprinzip‘
versprechen in dieser Hinsicht regionale Programme, die auch die Marktsituation in den unterschiedlichen Branchen
berücksichtigen.“ Sprich: Gefördert werden soll gezielt, wo Bedarf besteht.
„Gründungsboom Ost“ endgültig vorbei
Besorgniserregend ist die Situation in den ostdeutschen Bundesländern: Wurden dort 1998 noch 1,5mal so viele
Betriebe je tausend Erwerbspersonen gegründet wie im Westen, sank die Gründungsrate im Jahr 2000 erstmalig
seit 1991 unter Westniveau. „Für die ostdeutsche Wirtschaft ist das prekär“, betont Anne Otto. „Junge
Betriebe sind für die neuen Länder als Jobmotor von herausragender Bedeutung.“ Die Studie belegt das
eindrucksvoll: Die zwischen 1998 und 2002 im Osten gegründeten Betriebe beschäftigten im Jahr 2002 zusammen
585.000 Arbeitnehmer – das waren immerhin 11 Prozent aller in Ostdeutschland Beschäftigten. Im Westen brachten
die Jungunternehmen im gleichen Zeitraum 1,97 Millionen Arbeitnehmer (9 Prozent aller dort Beschäftigten)
in Lohn und Brot. Den größten Beitrag leisteten unternehmensnahe Dienstleister wie Beratungsunternehmen,
Ingenieurbüros, Marketingagenturen oder Firmen im Bereich Forschung und Entwicklung.
Positives Gründungsumfeld in Bonn
Bonn scheint für Gründer besonders attraktiv zu sein: Mit einer Gründungsrate von 7,4 Unternehmen
je tausend Erwerbspersonen belegt die Rheinstadt im NRW-Ranking Platz vier hinter Düsseldorf, Aachen und Köln.
Die Gründungsrate im Rhein-Sieg-Kreis liegt mit 5,6 im westdeutschen Schnitt; damit kommt der Kreis auf Rang
19 von insgesamt 54 Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen. Schlusslicht ist Olpe mit einer
Gründungsrate von 4,2. Auch im Ruhrgebiet ist die Gründungsaktivität gering – und nicht nur das:
In Duisburg, Essen oder Bochum überleben die wenigen neu gegründeten Firmen auch noch kürzer als
im Bundesmittel.
In Bonn schaffen die zahlreichen neu gegründeten Unternehmen vergleichsweise wenig Arbeitsplätze: 2002
waren knapp 11.600 Personen in den ab 1998 entstandenen Firmen beschäftigt, ein Anteil von gerade einmal 7,9
Prozent aller Arbeitnehmer. Der Beschäftigungseffekt der Unternehmen im Rhein-Sieg-Kreis ist deutlich höher:
Die Neufirmen brachten hier 14.500 Menschen in Lohn und Brot, das sind 11,3 Prozent. Ein weiterer Hinweis darauf,
dass die Rechnung „viele Existenzgründungen = viele neue Arbeitsplätze“ nicht aufgehen muss: Wenn aufgrund
zu hoher Konkurrenz ein Teil der Betriebe bereits nach wenigen Jahren wieder dicht macht, halten sich natürlich
auch die positiven Effekte für den Arbeitsmarkt in Grenzen. |