Lust macht Begierde  

erstellt am
27. 05. 03

Klangbogen Wien 2003 von 15. Juli bis 19. August
Die Konfliktträchtigkeit des menschlichen Miteinanders wurzelt nach Jean Paul Sartre in der existenziellen Notwendigkeit, sich zu anderen Menschen in Abhängigkeit zu begeben, um sich selbst zu erfahren. Ist Begierde Macht? Macht Lust Begierde? Hat Selbstverwirklichung nicht zugleich auch Selbstvernichtung zur Folge? "Es ist leichter, einer Begierde ganz zu entsagen, als in ihr Maß zu halten", postuliert Friedrich Nietzsche und: "Man liebt zuletzt seine Begierde und nicht das Begehrte."

Wie in den letzten Jahren steht das Musiktheater im Mittelpunkt des Festivals, und die drei neuen Opernproduktionen Julie & Jean, Macbeth und Idomeneo spiegeln die zentralen Motive "Lust - Macht - Begierde" wider. Insbesondere in Gerhard Schedls letzter Oper Julie & Jean, die in Koproduktion mit dem Salzburger Landestheater beim KlangBogen Wien am 4. August zur Uraufführung kommt, wechselt der Konflikt zwischen den zwei Hauptdarstellern ständig zwischen Dominanz = Macht und Sklave = Lust. Mit G. H. Seebach und Peter Keuschnig stehen zwei Künstler zur Verfügung, die Schedls letzte Oper nach den Wünschen und Vorstellungen des Komponisten umsetzen werden; besonders Peter Keuschnig hat sich noch intensiv mit Schedl selbst mit dem Werk auseinander gesetzt.

Erneut wird das Theater an der Wien zum Opernhaus des KlangBogen-Festivals, das am 15. Juli mit Ernest Blochs Macbeth eröffnet wird. Blochs einzige Oper, 1910 in Paris uraufgeführt, wird damit erstmals in Europa in der von ihm selbst mitgestalteten englischsprachigen Version gezeigt, die größtenteils auf Shakespeares Originaltext beruht. Keith Warner, der erstmals in Wien Regie führt und eine ganz enge Beziehung zu Shakespeares Oeuvre hat, wird den von Machtgier besessenen Macbeth als das ewig Böse in Szene setzen.

Mit Es Devlin und Wolfgang Göbbel sowie Shao-Chia Lü, dem Generalmusikdirektor der Oper Hannover, steht ein ausgezeichnetes Leadingteam zur Verfügung. Die internationale Besetzung wird von Donnie Ray Albert und Susan Bullock als Königspaar Macbeth angeführt. Es spielt das Radio Symphonieorchester Wien.

Zum ersten Mal wird das KlangBogen-Festival eine Mozart-Oper im Theater an der Wien neu produzieren. Idomeneo ist nicht nur die genialste der frühen Opern Mozarts, sondern prunkt vor allem mit instrumentalem Glanz und Reichtum. Nicht selten hat man dieser Oper aufgrund der dramaturgischen Kargheit ihres Librettos bei szenischen Aufführungen den Erfolg versagt. Bertrand de Billy als musikalischer Leiter und Nicolas Brieger als Regisseur stützen sich auf die Fassung der Münchner Uraufführung 1781 inklusive der berühmt-berüchtigten Ballettmusik, die üblicherweise nicht zur Aufführung gelangt. Im zeitlosen Bühnenbild von Hans Dieter Schaal und symbolisierenden Kostümen von Jorge Jara werden sowohl die Machtkonflikte zwischen dem absolutistischen Regenten Idomeneo und seinem Sohn Idamante, als auch die Begierden aller Personen untereinander deutlich.

Auch die zweite große Opernproduktion im Theater an der Wien wird vom RSO-Wien und dem Festival-Chor KlangBogen Wien gestaltet.

Neben den Opernproduktionen bietet der KlangBogen wiederum eine Vielfalt an Orchester- und Solistenkonzerten sowie Kammermusikabenden. Besondere Beachtung verdienen dabei die konzertanten Aufführungen von Hector Berlioz' Benvenuto Cellini (zum 200. Geburtstag des Komponisten) und Mozart und Salieri von Nikolai Rimsky-Korsakov.

Benvenuto Cellini war nach seiner Uraufführung 1838 und Liszts Weimarer Fassung von 1852 über 100 Jahre nahezu vergessen, ehe es 1966 erneut in London zur Aufführung gelangte. Die Oper ist auch heute noch ganz selten auf Spielplänen zu finden und fügt sich daher ideal in das Konzept des KlangBogen ein, außergewöhnliche und selten gespielte Werke zu präsentieren.

Mit Mozart und Salieri hat Rimsky-Korsakov eine geniale Kurzoper komponiert, die ganz darauf abzielt, die beiden konträren Künstlerpersönlichkeiten auch musikalisch zu porträtieren. Obwohl sie die falsche Legende vom Giftmord Salieris an Mozart nährt, ist es doch für jeden Star-Bariton eine Herausforderung, sich an Fjodor Schaljapin zu messen, der die Uraufführung gesungen hat. Sergei Leiferkus wird diese Rolle am 16. Juli beim KlangBogen gestalten. Unter der Leitung von Vladimir Spivakov spielt das Russische National Orchester, das im ersten Teil eine Salieri-Symphonie Mozarts Klavierkonzert in d-Moll, KV 466 mit Oleg Maisenberg gegenüberstellt.

Auch Konzerte werden im Theater an der Wien angeboten: Am 22. Juli sind die King's Singers auf der Suche nach musiktheatralischen A-cappella-Werken von Heinrich Schütz über Gioachino Rossini bis Paul Drayton. Am 23. Juli wird Rudolf Buchbinder einen Kammermusikabend zum Thema "Mozart" gestalten. Seine Partner sind Mitglieder der Wiener Philharmoniker und Julian Rachlin. Am 10. August bringen Paul Goodwin, Robert Levin und die Academy of Ancient Music sowie der Wiener Kammerchor und Vokalsolisten die große Beethoven-Akademie vom 22. Dezember 1808 zur Wiederaufführung. Der 5-stündige Marathon zeigt unter anderem, welche großartigen Werke Beethovens im Theater an der Wien zur Uraufführung gekommen sind. Am 13. August gestaltet Starflötist James Galway mit den London Mozart Players ein Konzert unter dem Motto "Mozart im Theater an der Wien". Sein Programm beinhaltet mit Blochs Suite Modale auch eine Klammer zu Blochs Macbeth, der im Rahmen des KlangBogen Wien 2003 zur Aufführung kommt.

Der KlangBogen Wien freut sich, zwei große Künstler des Sprechtheaters für zwei Sonderprojekte gewonnen zu haben. Hermann Beil gestaltet den dreiteiligen Zyklus "Wort-Traum-Musik" im Schauspielhaus, das zum ersten Mal vom KlangBogen Wien bespielt wird. Er kombiniert dabei Texte von Thomas Bernhard, Bertolt Brecht und Albert Giraud mit Musik von Eisler, Spohr, Schönberg, Strauß und anderen.

Michael Heltau wird zum Thema "Operette sich wer kann" ein neues, speziell für den KlangBogen konzipiertes Programm im Ronacher präsentieren. Mit den Wiener Theatermusikern und Arrangeur Tscho Theissing steht ihm dabei ein in diesem Metier erstklassiges Ensemble zur Verfügung, um diesem Genre gerade in Wien eine neue Perspektive zu geben.

Erneut sind das Schubert Geburtshaus und das Palais Lobkowitz die Spielstätten für zwei Kammermusikserien des KlangBogens. Sieben Ensembles kombinieren Kompositionen von Franz Schubert mit Kammermusikwerken von Ernest Bloch, der damit eine weitere Plattform zur Präsentation in Wien erhält.

Im Hof des Palais Lobkowitz wurden zu fünf Streichquartett-Formationen erstrangige Bläsersolisten engagiert, um hier berühmte Werke für Flöte, Oboe, Fagott, Klarinette bzw. Horn plus Streicher zur Aufführung zu bringen.

Das Schlusskonzert im Musikverein gestalten wie jedes Jahr die Wiener Philharmoniker. Am 4. September interpretieren sie Werke von Bernstein bis Ravel unter der Leitung von Bobby McFerrin.

Informationen: http://www.klangbogen.at
     
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