Politik der Woche vom 25. 06. bis 01. 07. 2002

   
Pröll: Wer nicht bereit ist, Dialog zu führen, ist nicht reif für Europa
Je größer Europa, desto wichtiger sind Regionen
St. Pölten (nöl) - "Wer auf dem Weg zu einem größeren Europa nicht bereit oder in der Lage ist, mit dem Nachbarn zu reden oder zu verhandeln, ist nicht reif für dieses Europa. Jemand, der diesen Dialog nicht führt, baut wieder Grenzen auf, baut Misstrauen auf und baut Vertrauen ab", diesen besorgten Appell richtete Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll im Rahmen des diesjährigen Europa-Forums Wachau auf Stift Göttweig an die "Adresse der Nachbarn, Brüssel und mancher bei uns zu Hause". Denn nur der "Dialog ist das Nonplusultra auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa", so Pröll.
"Jeder Schritt, der jetzt in Europa gesetzt wird, kann über Erfolg und Fortschritt oder Misserfolg und Rückschritt entscheiden". Pröll nannte in diesem Zusammenhang drei wesentliche Orientierungspfeiler. Zum ersten "brauchen wir ein Europa der Demokraten und nicht der Technokraten". Europa hat nur Zukunft, wenn es Menschen mit Kopf und Herz gestalten. Ein Europa der Technokraten geschieht im Kopf einiger weniger, ein Europa der Demokraten geschieht im Herzen aller." Zum zweiten bedürfe es eines Europas des Gleichgewichts, was Gleichberechtigung voraussetze. "Nicht die Großen sollen über die Kleinen entscheiden, sondern die Großen müssen mit den Kleinen entscheiden", so Pröll.
Als dritten Orientierungspfeiler nannte Pröll die Wichtigkeit der Regionen. "Je größer Europa wird, desto wichtiger werden die Regionen. Die Regionen sind die beste Brücke zwischen globaler Verantwortung und regionaler Zusammenarbeit". Europa dürfe nie ein Einheitsbrei werden, denn dadurch würde die Identifikation und damit die Attraktivität schwinden. Ziel müsse es sein, ein Europa der Vielfalt zu schaffen, um Europa spannend zu halten und die Identität in der Kultur, der Sprache und der Lebensart sicher zu stellen.
Bei der Erweiterung sei die Wirtschaft ein ganz wesentlicher Aspekt. So habe die Wirtschaft bei der Erweiterung die Politik bereits überholt. Die wirtschaftliche Überlebenschance hänge jetzt weniger von den großen Konzernen als mehr und mehr von der Standortqualität der Regionen ab. Hier hat NÖ bereits enorm profitiert, wie die wirtschaftliche Dynamik, die höchste Anzahl an Betriebsansiedlungen und die Trendwende in der Bevölkerungsbilanz beweist. NÖ ist zu einer der stärksten Regionen Österreichs geworden und zu den starken Regionen Europas aufgerückt.
Es gelte nun gemeinsam mit "Mut und Ehrlichkeit" die vorhandenen Stolpersteine zu einem gemeinsamen Europa aus dem Weg zu räumen. Dazu müsse man aufeinander zu - und den Weg gemeinsam gehen. Nur so könne man einem Sprichwort gerecht werden. Einzeln sind wir Worte, gemeinsam sind wir ein Gedicht. Europa darf nicht ein Wort bleiben, Europa muss ein Gedicht werden."

Am zweiten Tag des Europa-Forum Wachau auf Stift Göttweig konnte Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll neben Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel auch den Ministerpräsidenten der Republik Finnland Paavo Lipponen begrüßen, einen - wie Pröll ihn bezeichnete - "der profiliertesten Europapolitiker". Das diesjährige Europa-Forum Wachau stand unter dem Thema Regionale Zusammenarbeit - Baustein eines vereinten Europas" und ist - so Pröll - ein wichtiger "Beitrag, um die Erweiterung nicht nur politisch sondern auch geistig" voran zu treiben.

 
Schieder: Bundespräsident soll Opfer des Paragraf 209 begnadigen
Schieder und Pittermann gegen Ersatz für Paragraf 209
Wien (sk) - "Der Paragraf 209 muss weg - und zwar ersatzlos", betonte der außenpolitische Sprecher der SPÖ und Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Peter Schieder, im Rahmen der Abschlussveranstaltung der Regenbogenparade am Samstag (29. 06.) Abend in Wien.
Er setzte noch nach: "Nicht nur wegen den Betroffenen, sondern wegen uns selbst, weil es eine Frage der Gerechtigkeit ist." Vom Bundespräsidenten forderte Schieder, diejenigen, die heute aufgrund dieses Paragrafen im Gefängnis sitzen, zu begnadigen. Die Wiener Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann gab sich nicht minder kämpferisch: Die SPÖ wird weiterhin für die völlige Gleichstellung aller Menschen kämpfen."
Schieder und Pittermann sprachen sich unisono gegen eine mögliche Ersatzregelung für den Paragraf 209 aus. "Sex unter 16 Jahren soll nicht verboten werden", wandte sich Schieder entschieden gegen den vom Bundeskanzler eingebrachten Vorschlag, das Schutzalter generell auf 16 Jahre festzulegen. Auch bei Pittermann traf Schüssels Vorstoß auf Ablehnung und Unverständnis. "Welche Ängste hat denn der Bundeskanzler, dass er das tun will?" fragte die SPÖ-Politikerin.
Nicht nur die SPÖ, sondern ganz Europa - das Europäische Parlament, die EU und der Europarat - seien immer wieder gegen den Paragraf 209 aufgetreten, betonte Schieder. Wobei Schieder die Aufhebung der Ungleichstellung im Schutzalter nur als einen Schritt in Richtung völlige Gleichstellung wertete. So müssen auch in Sachen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

 
Schüssel: Wir brauchen ein mehr an Europa und ein weniger an Bürokratie
3. Europarunde mit Jugendlichen zur Zukunft Europas
Wien (bpd) - Auf Initiative von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fand die dritte "Europarunde" im Zeremoniensaal in der Hofburg statt. Die Veranstaltung im Vorfeld der Tagungen des europäischen Jugendkonvents von 9. bis 14. Juli diente dazu, auf österreichischer Ebene einen breiten Gedankenaustausch der Jugendlichen zur Zukunft Europas zu ermöglichen.
An der Diskussionsrunde nahmen unter anderen jene Jugendliche teil, die in zwei Wochen Österreich beim europäischen Jugendkonvent in Brüssel vertreten sind, sowie die österreichischen Mitglieder im Konvent.
In seinem Impulsreferat bezeichnete der Bundeskanzler den Konvent als "innovatives Konzept, um wichtige Anregungen für die Bewältigungen jener Herausforderungen, denen sich Europa in der Zukunft stellen muss, zu erhalten. Der Bundskanzler plädierte erneut für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Schüssel: "Jedes, selbst das größte Mitgliedsland der Europäischen Union ist heute überfordert, internationale Krisen zu bewältigen. Um Sicherheit für die Bürger zu garantieren, bedarf es verstärkter Kooperationen. Daher ist es notwendig, dass man die Agenden zusammenführt. Wir brauchen eine sichtbare Persönlichkeit, die für Europa handelt."
Eine verstärkte Koordination auf europäischer Ebene forderte der Kanzler auch für die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Schüssel: "Wir haben jetzt einen gemeinsamen Binnenmarkt mit einer gemeinsamen Währung. Daher ist es selbstverständlich, dass dies eine stärker koordinierte und harmonisierte Wirtschaftspolitik und eine gemeinsames Auftreten bei den internationalen Wirtschaftsorganisationen voraussetzt."
Mehr Dezentralität und Subisdiarität forderte der Bundeskanzler hingegen für die Bereiche der Regionalförderung und stellte den hohen administrativen Organisations- und Kontrollaufwand, der derzeit besteht, kritisch in Frage. Schüssel schlug dahingegen eine Neuordnung der Kompetenzen vor. "Der Bundeskanzler sprach sich ferner für eine Stärkung des Europäischen Parlaments in Kooperation mit den nationalen Parlamenten aus. Schüssel: "Österreich steht auf dem Standpunkt, dass das Europäische Parlament ein Vollparlament mit vollen Mitentscheidungsrechten werden soll. Daneben müssen aber auch die nationalen Parlamente in bestimmten Bereichen so eingebunden werden, dass auch die Meinungsbildung in den Mitgliedsstaaten nicht verloren geht. Auch darf die Kontrolle der nationalen Parlamente über die nationalen Regierungen nicht verloren gehen."
Als zentralen Anliegen Österreichs bei der Institutionenreform nannte der Bundeskanzler das Prinzip, dass jedes Land in jeder Institution vertreten sein müsse. "Das Prinzip der Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung aller Mitgliedsstaaten muss bestehen bleiben", Schüssel.

 
Zusammenarbeit Sozialpartner und Landeshauptleute wird fortgesetzt
Klimaschutzstrategie, Lehrlingsoffensive und Beschleunigung von Infrastrukturprojekten weitere Themen
Wien (pk) - Die von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer und Wirtschaftskammerpräsident Dr. Christoph Leitl im ersten Halbjahr 2002 begonnene enge Zusammenarbeit zwischen Sozialpartnern und Landeshauptleuten soll fortgesetzt werden. Dafür wird sich der scheidende Vorsitzende der Landeshauptmännerkonferenz Pühringer einsetzen. "Länder und Sozialpartner haben in vielen Bereichen gemeinsame Interessen. Ich nenne nur die Sanierung der Krankenkassen oder eine aktive Arbeitsmarktpolitik", so Pühringer.
Auch eine Initiative zur Verfahrensbeschleunigung für Infrastrukturprojekte geht auf ein Zusammentreffen zwischen Sozialpartnern und Landeshauptleuten im April zurück und mündete in einem entsprechenden Beschluss der LH-Konferenz in ihrer Sitzung vom 12. Juni 2002, wo ein entsprechender Vorschlag der Wirtschaftskammer Österreich positiv aufgenommen wurde. Genehmigungsverfahren für Straßen und Bahnprojekte sollen unter Beibehaltung eines hohen Qualitätsniveaus durch Verfahrensvereinfachung und Reduzierung der Bürokratie wesentlich beschleunigt werden.
Einen Schwerpunkt der Zusammenarbeit sieht Leitl in der Umsetzung der Klimaschutzstrategie. Um die Treibhausgasemissionen zu vermindern, sieht die Klimastrategie der Wirtschaft finanzielle Anreize für die Realisierung von Investitionsvorhaben vor. "Dies eröffnet den Unternehmen die Chance, künftig für klimaschutzrelevante Investitionen Aufträge zu erhalten und den Bürgern die Möglichkeit, durch thermisch sanierte Gebäude Geld zu sparen", erläutert Leitl. In einer gemeinsamen Anstrengung könnte damit auch der mit schweren Problemen kämpfenden Bauwirtschaft effizient geholfen werden.
Hand in Hand wollen Sozialpartner und Landeshauptleute auch in der Lehrlingsausbildung gehen. Die Initiative der WKÖ "Give youth a chance" könne Grundlage für ein akkordiertes Vorgehen in dieser Frage sein. "Kein Jugendlicher soll auf der Strecke bleiben", so Leitl und Pühringer. Nach oberösterreichischem Vorbild sollen Ausbildungsverbünde österreichweit gefördert werden. Professionell organisierte Zusammenschlüsse von Betrieben mit anderen geeigneten Einrichtungen (Länder, Lehrbauhöfe, Berufsschulen, WIFI, BFI etc.) sollen eine qualitativ hochwertige Ausbildung von Lehrlingen auch dort ermöglichen, wo ein Lehrbetrieb allein das nicht zustande bringt.
Auch im aktuellen Fall der Sanierung der Krankenkassen ziehen Länder und Wirtschaft an einem Strang. Sowohl Leitl wie Pühringer plädieren für Garantien der öffentlichen Hand, was die Rückzahlung von Kassen-Darlehen an den Solidaritätsfonds der Krankenkassen betrifft. Zugleich sind sich Leitl und Pühringer auch darin einig, dass nicht nur Feuerwehraktionen, sondern langfristige Konzepte für eine nachhaltige gesunde Entwicklung im Gesundheitssektor notwendig sind.

 
Gusenbauer: Für die SPÖ steht der Mensch im Mittelpunkt der Politik
SPÖ muss bereit sein, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen
Wien (sk) - "Es geht uns Sozialdemokraten nicht um die politische Geographie wie rechts oder links, sondern es geht darum, wie es den Menschen in diesem Land geht. Jenen, die nicht den gerechten Anteil an der Wertschöpfung erhalten", so der SPÖ-Bundesparteivorsitzende Alfred Gusenbauer am Donnerstag (27. 06.) anlässlich seiner Rede zur Veranstaltung "150 Jahre Viktor Adler".
Gusenbauer betonte, dass die Prinzipien Viktor Adlers auch heute noch Gültigkeit besitzen, insbesondere sein sozialpolitisches Engagement sei prägend, welches nicht "das Ergebnis einer intellektuellen Auseinandersetzung war, sondern aus dem Sehen der Realität hervorging".
"Auf der einen Seite ist die blau-schwarze Regierung, welche dabei ist, den sozialen Zusammenhalt auseinander zu reißen, auf der anderen Seite ist die Sozialdemokratie, die faire Chancen für alle will", beurteilte der SPÖ-Vorsitzende die aktuelle politische Lage. Die Bundesregierung agiere mit "Zynismus" welcher sich vor allem in der Besteuerung der Unfallrenten gezeigt habe. Die Regierung setze sich über die Menschen hinweg, Einzelschicksale würden sie nicht interessieren. Gusenbauer betonte, dass er in Gesprächen mit Betroffenen erfahren habe, welche gravierenden Auswirkungen die Einschnitte im Sozialsystem für den Einzelnen hätten. Berufsgruppen wie Stahlarbeitern werde vom Bundeskanzler ausgerichtet, dass sie in Zukunft bis 65 zu arbeiten hätten, während Menschen aus dem öffentlichen Dienst, "ohne es zu wollen", mit 55 in Pension geschickt würden. Für viele Alleinerzieherinnen sei es schwierig, ein eigenes Einkommen zu lukrieren, da auf Grund der schlechten Infrastruktur im Bereich Kinderbetreuung keine Chance auf einen passenden Kindergartenplatz bestünde.
"Der soziale Zusammenhalt in Österreich ist auch durch die steigende Arbeitslosigkeit gefährdet", konstatierte der SPÖ-Klubobmann. In Österreich wären derzeit 40.000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren ohne Beschäftigung. In der Reallohnentwicklung sei Österreich an die letzte Stelle innerhalb der EU gerückt. "Die Österreicher haben also nichts von ihrer Produktivität", bemerkte Gusenbauer. Unter der blau-schwarzen Regierung gebe es des weiteren die höchste Abgabenquote in der zweiten Republik, was wiederum insbesondere die Arbeitnehmer treffen würde: "Zwischen Brutto und Netto liegt die eiserne Hand des Finanzministers". Im Gegensatz zur "Arroganz" gegenüber benachteiligte gesellschaftliche Gruppen, zeige der Finanzminister eine "Großherzigkeit" gegenüber Großindustriellen wie Prinzhorn. Diese hätten die Möglichkeit, ihr Vermögen in Stiftungen einzubringen und im Verhältnis nur einen Bruchteil an Steuerleistung zu erbringen.
Beim Thema Bildung fordere die SPÖ einen gleichen Zugang für alle, egal aus welcher sozialen Schicht die Menschen kommen würden. Es gehe nicht nur darum, eine gute Erstausbildung zu gewährleisten, sondern man müsse "lebenslange Chancen bieten". Derzeit hätten nur fünfzehn Prozent der Arbeitslosen eine Möglichkeit zur Requalifizierung oder Umschulung. "Bildung ist und bleibt der Schlüssel für die Emanzipation und Befreiung aller gesellschaftlichen Schichten", unterstrich Gusenbauer.
Zum Thema Gesundheitspolitik bemerkte der Abgeordnete, dass die Bundesregierung eine "konsequente Einführung der Zwei-Klassen-Medizin" betreibe. Österreich könne sich eine gute Gesundheitsversorgung für alle leisten und Gesundheitssystem sei noch nicht darauf abgestellt, ob es für den Einzelnen leistbar sei oder nicht. Die Bundesregierung gefährde jedoch mit ihrer Politik dieses hervorragende System. Ein Gesundheitssystem, dass "universell für jeden da ist", gehöre zum "Humanismus wie wir Sozialdemokraten ihn verstehen".
Auch an seine Parteifreunde richtete Alfred Gusenbauer eine eindringliche Botschaft: "Wir müssen bereit sein, Konsequenzen zu ziehen und den Österreichern klar machen, dass wir aus Fehlern gelernt haben." Es wäre falsch, würde man so weiter machen wie vor 1999. Eine Funktion innerhalb der SPÖ werde nie von Alter, Geschlecht oder regionaler Herkunft abhängen, aber es brauche einen unbedingten Willen zur Reform und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen. Man könne sich nicht "in Hinterzimmern verstecken", sondern man müsse offensiv Überzeugungsarbeit leisten. "Das ist notwendig, wenn wir Blau-Schwarz eine Abfuhr erteilen wollen."
Die EU sei das historisch erfolgreichste Friedenswerk, dass sich nun anschicke, die "Vereinigung" zu vollziehen. Die Völker Mittel- und Osteuropas hätten nun erstmals die Chance, aus freien Stücken zu entscheiden, ob sie verstärkte Beziehungen zu Resteuropa eingehen wollen. "Viktor Adler wäre ein glühender Anhänger der EU gewesen." Abschließend bemerkte Gusenbauer, dass gerade in Zeiten der Globalisierung eine Aussage wahrer sei als je zuvor: "Der Sozialismus wird international sein, oder er wird nicht sein."

 
Schüssel: Müssen mehr für Jugendaustausch in Europa tun
Mehr Schüler- und Lehrlingsvertreter in Europa-Diskussion einbeziehen
Wien (övp-pd) - Über die Zukunft Europas diskutierte am Donnerstag (27. 07.) Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel mit Jugendvertretern in der Wiener Hofburg. Ein wichtiges Thema waren dabei Austauschprogramme für Jugendliche: "Von 180.000 Studenten die wir haben, nehmen derzeit etwa 6.000 an Austauschprogrammen teil, das sind drei Prozent und das ist nicht sehr viel."
Bei den Schülern und den Lehrlingen liege diese Zahl noch darunter. "In diesem Bereich kann und muss daher mehr gemacht werden", betonte Schüssel.
Diskutiert wurden auch die Sprachkenntnisse der Jugendlichen in Europa. Eine Studie zeige, "dass die Sprachkenntnisse noch nicht so sind, wie sie sein sollten oder könnten. Ein Drittel der jungen Europäer spricht ausschließlich die eigene Muttersprache, nur die Hälfte kann eine Fremdsprache auch aktiv gebrauchen", bedauerte der Kanzler.
Insgesamt habe man bei der heutigen Diskussion versucht, das ganze gesellschaftspolitische Spektrum zu berücksichtigen. "Wichtig ist, dass es ein follow up geben wird", wenn die Substanz im Konvent stärker sichtbar werde. Bei dieser Folgeveranstaltung würden dann auch "kritische Anmerkungen von heute aufgegriffen" werden. Etwa, dass mehr Vertreter aus dem Schüler- und Lehrlingsbereich nominiert werden sollten. "Es wäre wichtig, in diesem Bereich mehr zu machen", so Schüssel.
"Es ist schwer, ein einheitliches Resümee der heutigen Veranstaltung zu ziehen, aber es war eine sehr engagierte und bunte Diskussion", sagte Schüssel. Breite Übereinstimmung habe jedenfalls darüber bestanden, dass Europa "für uns alle wichtig ist". "Dort liegen spannende Themen, die man sehen muss, wie etwa die Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Da liegt viel drinnen", so der Kanzler.
Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte Schüssel auch eine Informationskampagne der Bundesregierung. Zielrichtung dieser Kampagne sei es, vor allem junge Menschen anzusprechen. "Die Kampagne ist eine Fragen-Antwort-Kampagne. Das ist nicht einfach ein Durchziehen von Positiv-Argumenten, sondern eine dialogisches Konzept, bei dem die Fragen der Bürgerinnen und Bürger auch ernst genommen werden", schloss Schüssel.

 
Gehrer: Leistungsstandards als Orientierungshilfe für Eltern, Lehrer und weiterführende Schulen
Landesschulratspräsidenten beraten über Leistungsstandards und Evaluierung der Schulversuche "Mittelschule"
Wien (bmuk) - Ein Bericht über die Leistungsstandards für die dritte und achte Schulstufe und die Bilanz der Schulversuche "Mittelschule" bzw. "Schulverbund" standen am Mittwoch (26. 06.) auf der Tagesordnung der Landesschulratspräsidentenkonferenz. "Leistungsstandards sind eine wichtige Orientierungshilfe.
Sie zeigen Eltern, was ihre Kinder können sollen, Lehrerinnen und Lehrern, was sie den Kindern beibringen sollen und den weiterführenden Schulen, worauf sie sich verlassen können", erklärte Bildungsministerin Elisabeth Gehrer.
Berichtet wurde über ein Konzept für Leistungsstandards in Deutsch und Mathematik in der dritten Schulstufe und Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen für die achte Schulstufe. Die auf Basis des Lehrplanes entwickelten Zielvorgaben zeigen auf, was Schülerinnen und Schüler der dritten bzw. achten Schulstufe können sollen. So sind beispielsweise für die dritte Schulstufe Deutsch-Standards wie "Texte fließend vorlesen" und "Inhalt von Texten wiedergeben" erarbeitet worden. Die Leistungsstandards für Mathematik in der achten Schulstufe beziehen sich auf Fertigkeiten in den Bereichen "Rechnen und Zahlenverständnis", "Algebra", "Grundtatsachen der Geometrie" und "Funktionen". Das Konzept wird bis zum Herbst von einer Expertengruppe geprüft. Anfang nächsten Jahres werden die ausgearbeiteten Leistungsstandards den Schulen zur Verfügung gestellt.
Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf den Stand der Evaluation der Schulversuche "Mittelschule" und "Schulverbund". Die eingehende Evaluierung durch das Schulentwicklungszentrum Graz hat gezeigt, dass die derzeitigen Schulversuche nicht zur Übertragung in das Regelschulwesen geeignet sind. Zur Weiterführung von derartigen Schulversuchen ab dem Herbst 2003 müssen von den Landesschulräten/Stadtschulrat unter Berücksichtigung dieser neuen Ergebnisse neue Schulversuche beantragt werden. Für das kommende Schuljahr 2002/2003 laufen die bisherigen Schulversuche weiter.
Ein erfolgreiches Suchtpräventionsmodell präsentierte der Salzburger Landesschulratspräsident Gerhard Schäffer. Die "Kontaktstelle in Suchtfragen" (KIS) bietet landesweit Beratung und Vermittlung von Hilfe für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler. Der Vorarlberger Landesschulratspräsident Stemer berichtete über ein neues Schultechnikzentrum, das den Schulen wirksame Unterstützung beim Umgang mit den neuen Medien, beispielsweise bei Problemen mit Viren und bei der Installation von Lernsoftware und Hardware bietet.

 
Verzetnitsch vor dem Wirtschaftsparlament: Sozialpartnerschaft als Koregulator
"Just-in-Time-Sozialpartnerschaft mit uns nicht möglich" - Leitl unterstreicht Rolle der Sozialpartnerschaft als Managerin des Wandels"
Wien (pwk) - "Die österreichische Sozialpartnerschaft ist keine Nebenregierung, auch kein Fossil, sondern ein lebendiger Koregulator, der bewiesen hat, dass er etwas zustandebringt", stellte der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Fritz Verzetnitsch, Donnerstag (27. 06.) Vormittag als prominenter Gastredner vor dem Wirtschaftsparlament Kammertag) fest.
Verzetnitsch, der als erster ÖGB-Präsident eingeladen war, vor der Vollversammlung der Wirtschaftskammerorganisation über die Rolle und Bedeutung der Sozialpartnerschaft zu sprechen, zeigte sich in dieser positiven Einschätzung einig mit WKÖ-Präsident Christoph Leitl, der in seinen Begrüßungsworten ebenfalls darauf hingewiesen hatte, dass die Sozialpartnerschaft "viel von dem zustandegebracht hat, was jahrelang liegengeblieben ist".
Die bisherige Erfolgsbilanz dürfe aber nicht über bestehende Probleme hinwegtäuschen, führte Verzetnitsch aus. So greife etwa in der Selbstverwaltung zunehmend Fremdbestimmung statt Selbstbestimmung Platz. "Darüber hinaus werden die Sozialpartner aus verschiedensten Institutionen hinauskomplimentiert, nur um sie fünf Minuten später wieder um ihre Expertise zu fragen", kritisierte der ÖGB-Chef manche Maßnahmen der Regierung. "Eine Just-in-time-Sozialpartnerschaft ist aber nicht möglich und auch nicht anzustreben. Hier sollen wir uns gemeinsam positionieren", sagte Verzetnitsch vor den Delegierten des Wirtschaftsparlaments.
Entsprechend dem Motto des "speed kills" habe die Regierung die Sozialpartnerschaft bei wichtigen Entscheidungen abseits stehen lassen. Inzwischen habe in der Regierung offensichtlich ein Meinungsumschwung eingesetzt, die Sozialpartnerschaft werde wieder einbezogen. "Eine geordnete Basis des Miteinanders ist wieder hergestellt", zeigte sich Verzetnitsch in diesem Punkt zufrieden. Das sei vernünftig, denn "die mittelfristige Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wird vor allem die Beibehaltung einer auf Konsenslösungen orientierten Wirtschafts- und Sozialpolitik erfordern".
Zur Diskussion um die Senkung der Lohnnebenkosten erklärte der ÖGB-Präsident: "Man kann sich nicht an der Frage vorbeischwindeln, wie die soziale Sicherheit in Zukunft finanziert werden soll." Er plädierte für die Einführung wertschöpfungsbezogener Elemente. Diese Maßnahme würde vor allem die personalintensiven Klein- und Mittelbetriebe entlasten.
Man müsse sich die Frage stellen, "wo soll Österreich im Jahr 2010 stehen?". Wie schon zuvor Präsident Leitl, der die Sozialpartnerschaft als "Managerin des Wandels" charakterisiert und die Sicherung der Beschäftigung und des Wirtschaftsstandortes dabei als die vorrangigen Aufgaben bezeichnet hatte, stellte auch Verzetnitsch, ohne bei jedem Punkt ins Detail zu gehen, die Zukunftsprojekte in den Vordergrund. Als Beispiele nannte der ÖGB-Präsident Fragen der Aus- und Weiterbildung, der Forschung und Sozialentwicklung sowie auch der internationalen Zusammenarbeit. "Wir müssen die Tatsache nützen, dass Österreicher in wichtigen europäischen Gremien, ob Eurochambres oder Europäischer Gewerkschaftsbund, in führender Position vertreten sind". Wichtig sei aber genauso eine "aktive Einmischung in Fragen der Infrastruktur", die Finanzierbarkeit des sozialen Systems, das Problem der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer oder die Frage der Nahversorgung, nannte Präsident Verzetnitsch einige weitere gemeinsame Anliegen.
"Es geht um die Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Ob daraus Konflikt oder Konsens wird, hängt von den handelnden Personen ab. Ich bin überzeugt, dass die Sozialpartnerschaft auch in Zukunft wesentlich dazu beitragen wird, die Entwicklungen zu gestalten und nicht nur zu erdulden", schloss Verzetnitsch seine vom Auditorium mit viel Beifall bedachte Rede.
Ausdrücklich dankte Präsident Leitl seinem Pendent auf Gewerkschaftsseite für die langfristige Sicht der Dinge und für das Bekenntnis zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft. "Wenn wir in Österreich zusammenhalten, brauchen wir nichts und niemand auf der Welt zu fürchten", schloss der WKÖ-Präsident.