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Über Postenschacher und korrekte Personalentscheidungen
Heftige Debatte des Nationalrats in der Aktuellen Stunde
Wien (pk) - Mit einer heftigen Debatte über die jüngsten Personalentscheidungen bei der Sozialversicherung und im Innenministerium begann das Plenum des Nationalrats seine Sitzung am Mittwoch (12. 06). Was den Oppositionsfraktionen - die Sozialdemokraten hatten das Thema der Aktuellen Stunde ausgewählt - Postenschacher ist, ist für die Vertreter der Regierungsfraktionen unter "korrekte Personalentscheidungen" zu subsumieren.
Noch ehe die Abgeordneten sich mit dieser Thematik auseinander setzten, wurde eingangs der Sitzung Gerhard Abraham (S) anstelle des Abgeordneten Anton Leikam (S), der auf sein Mandat verzichtet hatte, angelobt. Mit aktuellen Postenvergaben werden sich die Abgeordneten am Nachmittag noch einmal befassen: Die Grünen brachten eine Dringliche Anfrage an Sozialminister Herbert Haupt betreffend "Regieren neu - Postenschacher, Privilegien und Proporz in der PVA" ein.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) erklärte als erster Redner der Aktuellen Stunde Postenschacher zum Hauptmerkmal der schwarz-blauen Bundesregierung und übte heftige Kritik an der Bestellung des F-Abgeordneten Reinhart Gaugg zum Generaldirektor-Stellvertretung der Pensionsversicherung, die seiner Meinung nach im Widerspruch zu sämtlichen Ankündigungen von Effizienz, Einsparungen und Objektivität steht. Gaugg verfüge weder über eine A-, noch über eine B-Qualifikation, seine einzige Qualifikation sei die F-Qualifikation, bemerkte Gusenbauer.
Der Redner rechnete darüber hinaus mit weiteren parteipolitisch motivierten Personalentscheidungen. Der Postenschacher der FPÖ werde sich fortsetzen, prophezeite er, die nächsten zu versorgenden FP-Politiker seien der Abgeordnete Firlinger als Bus-Chef und der Abgeordnete Trattner als neuer ÖBB-Vorstand. Als Grund für das Schweigen der ÖVP zu diesen Manövern nannte Gusenbauer Innenminister Strasser, den er als "Obersäuberer" bezeichnete. In Summe gehe es der Regierung bloß um brutale Macht- und Personalpolitik, nicht aber um die Interessen der Bevölkerung, lautete das Resümee Gusenbauers.

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Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL sprach im Gegensatz zu seinem Vorredner von rot-weiß-roten Personalentscheidungen und appellierte an die SPÖ, die Besetzungen im Rahmen des Reformprozesses der letzten zwei Jahre als Ganzes zu sehen: So sei der Aufsichtsrat der ÖIAG, wo früher zwei Ex-Minister an der Spitze standen, total entpolitisiert worden, auch bei der AUA gebe es keinen parteipolitischen Einfluss mehr, im ORF wiederum sitzen keine Politiker mehr, erinnerte Schüssel.
Zu Strasser meinte der Bundeskanzler, die billige Polemik der SPÖ entlarve sich von selbst, den Sozialdemokraten würden die Erfolge Strassers in der Sicherheitspolitik eben weh tun. Auch Spitzenfunktionäre der Exekutive dürfen sich den Reformen nicht verschließen, für den Innenminister gehe es darum, Reformeifer einzumahnen, parteipolitische Agitationen hätten dabei nichts verloren, betonte Schüssel mit Nachdruck.
Überdies warf der Bundeskanzler der SPÖ Einäugigkeit vor: Die Sozialdemokraten hätten wochenlang eine ausverhandelte Botschafterliste blockiert, nur weil sie als Vertreter in Brüssel einen anderen als den bestqualifizierten Kandidaten haben wollten. Auch würde die SPÖ versuchen, den Wiener Stadtschulrat als Kaderschmiede einzusetzen, stellte Schüssel fest.
Abgeordneter Dr. CAP (S) kam wieder auf den Fall Gaugg zurück und meinte, der FP-Abgeordnete habe seinen Posten mit einer "Schmähausschreibung" ergattert. Gaugg sei für die Funktion nicht qualifiziert und wolle bloß Pfründe und Privilegien realisieren. Die Personalentscheidungen der Regierung laufen, wie Cap sagte, allen Einsparungstendenzen zuwider und gehen letztlich auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler.
Abgeordneter GROSSRUCK (V) verteidigte Strasser und argumentierte, der Innenminister habe wie ein Firmenchef Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu ziehen, wenn ein leitender Mitarbeiter die Unternehmensziele nicht mitträgt. Dies sei im Falle Strohmeyers geschehen, stand für den Redner fest.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) retournierte den Vorwurf des Postenschachers an die SPÖ und bemerkte, die Sozialdemokraten hätten dreißig Jahre lang parteipolitisch besetzt, der SPÖ rinne die Butter des Postenschachers schon über beide Ohren herunter. Nun könne es die SPÖ einfach nicht hinnehmen, dass einmal ihr Kandidat nicht zum Zuge kommt.
Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) kritisierte die Besetzung von Spitzenpositionen bei der Pensionsversicherungsanstalt als stümperhaft, wobei er bemängelte, dass wesentliche Anforderungskriterien in der Ausschreibung gar nicht festgelegt waren. Nicht Gaugg, sondern Sozialminister Haupt trage die Verantwortung für dieses Schlamassel, folgerte er.
Abgeordneter NÜRNBERGER (S) lud Gaugg ein, nächste Woche die B-Prüfung zu machen. Wenn er diese Prüfung besteht, dann sei er, Nürnberger, bereit, sich für seine Kritik zu entschuldigen. Ein Sondervertrag für Gaugg komme, wie der Redner unterstrich, jedenfalls nur bei erfolgreicher Ablegung dieser Prüfung in Frage.
Sozialminister Mag. HAUPT wies Kritik an der Besetzung zurück: Der Posten sei korrekt ausgeschrieben worden, die Qualifikation der Kandidaten habe nicht die Bundesregierung, sondern ein unabhängiges Personalberatungsbüro festgestellt. Aus der Vorauswahl seien von diesem Büro zwei Kandidaten vorgeschlagen worden, die Wahl habe Gaugg knapp gewonnen.
Mit Nachdruck verwies Haupt auf die Reformen und Einsparungen bei der Pensionsversicherung. So sei die Zahl der Generaldirektoren und deren Stellvertreter reduziert worden, auch gebe es jetzt weniger Direktionen.
Abgeordneter MIEDL (V) strich heraus, dass nach 30 Jahren sozialistischer Regierung in allen Bereichen Reformen notwendig werden, auch im Rahmen der Exekutive. Die SPÖ habe während ihrer Regierungszeit zuerst über Personen und dann über Strukturen nachgedacht, warf er den Sozialdemokraten vor und wies darauf hin, dass Minister Strasser zuerst Strukturen verändere und dann die besten Leute hiefür suche. In Richtung der Sozialdemokraten meinte er auch, solange man in den unteren Ebenen reformiere, verhalte sich die SPÖ ruhig, nur jetzt, wo es um Spitzenpositionen gehe, schreie sie auf.  

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Abgeordneter Mag. SCHWEITZER (F) versteht den Vorwurf des Postenschachers seitens der SPÖ nicht, sei doch Nürnberger mit über 188.000 S monatlich genauso ein Gagenkaiser wie Verzetnitsch, der über 194.000 S monatlich erhält. Kritisch äußerte sich der Redner zu Freitag, dem ehemaligen SPÖ-Landtagsabgeordneten, der seit 12 Jahren mit einem Sondervertrag in der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beschäftigt wird und bis heute keine Dienstprüfung gemacht habe. Freitag habe im Vergleich zu Gaugg schlechter abgeschnitten, fügte er hinzu.
Abgeordneter Dr. PILZ (G) sprach von "Farbenblindheit der Regierung", vor allem im Innenministerium kenne man nur drei Farben: schwarz, schwarz und tiefschwarz. Nun wolle man in einem der sensibelsten Bereiche politische Macht übernehmen, nämlich bei der Staatspolizei. Obwohl der Innenminister gesagt hat, es gebe keine sachlichen und fachlichen Einwände gegen den Leiter der Staatspolizei, werde nun der Chef der Staatspolizei einen neuen Titel erhalten, nämlich Direktor werden, und somit muss der Posten neu ausgeschrieben werden. Zum Zug gekommen ist im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens ein Experte des Heeresnachrichtenamtes, also jemand, der etwas anderes gelernt hat und ein anderes Verhältnis zu Polizei und Justiz hat. Das ist nach Ansicht von Pilz mehr als Postenschacher, dies stelle eine Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie dar.

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