Gouverneur Dr. Liebscher anläßlich der 31. Volkswirtschaftlichen
Tagung der Oesterreichischen Nationalbank
Wien (oenb) - Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der OeNB und Mitglied des EZB-Rates, wies in seiner
Eröffnungsrede darauf hin, dass die Europäische Union im letzten Jahrzehnt mit ihrem Binnenmarktprogramm,
mit der Währungsunion und der Einführung des Euro wichtige wachstumsstärkende Rahmenbedingungen
im Umfeld eines wachsenden globalen Wettbewerbs geschaffen habe.
Doch seien weitere Strukturreformen auf den Güter-, Arbeits- und Finanzmärkten notwendig bzw. bereits
eingeleitete Reformen energisch fortzusetzen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas strategisch
abzusichern, sein Wachstumspotenzial voll zu erschließen, Reibungsverluste auf den europäischen Arbeitsmärkten
abzubauen und schließlich die bevorstehende EU-Erweiterung auch wirtschaftlich zu unterstützen.
In diesem Kontext hob er insbesondere die unbefriedigende Lage auf den europäischen Arbeitsmärkten hervor.
Flexiblere Arbeitsformen und eine deutliche Steigerung des Anteils der Beschäftigten an der Bevölkerung
seien dringend geboten, um nachhaltig höheres Wachstum zu erzielen. Vor allem der Einsatz neuer Technologien
stelle hohe Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitsmärkte.
Die derzeitigen Steuer- und Sozialsysteme in vielen EU-Ländern seien - so Gouverneur Liebscher weiter - nicht
ausreichend investitions-, beschäftigungs- und wachstumsfreundlich. Eine verantwortungsbewusste Fiskal- und
Standortpolitik sei ebenso wie eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik eine fundamentale Voraussetzung
für Investitionen der Unternehmen.
In dieser Hinsicht berge die Finanzpolitik ein großes Potenzial zur Förderung des Vertrauens und damit
zur Stützung der Konjunktur - auch auf kurze Sicht. Konkret gehe es dabei um mittelfristige, wachstumsfreundliche
Konsolidierungsstrategien. Dazu zählten insbesondere auch mutige Reformen von Struktur und Umfang der öffentlichen
Ausgaben, damit Spielraum geschaffen werden könne, um beispielsweise den künftigen, von Rentenversicherungssystemen
ausgehenden Druck zu vermindern oder Steuersenkungen durchzuführen. Steuerreformen seien grundsätzlich
zu begrüßen, müssten jedoch durch Ausgabenkürzungen gegenfinanziert werden.
Insgesamt betrachtet bleibe es von entscheidender Bedeutung, den finanzpolitischen Rahmen durch eine entschlossene
und konsequente Umsetzung der Regeln des EG-Vertrags und des Wachstums- und Stabilitätspakts sowie durch eine
strikte Überwachung und Gruppendruck unter den Mitgliedstaaten zu untermauern. |