Gusenbauer
wendet sich mit Offenen Brief an ÖVP und FPÖ
Wien (sk) - Im Vorfeld der Abstimmung über die Pensionsreform im Nationalrat wendet sich SPÖ-Vorsitzender
Alfred Gusenbauer am Montag (09. 06.) mit mit einem Offenen Brief an die Abgeordneten
von ÖVP und FPÖ. Nachfolgend der Offene Brief im Wortlaut:
Offener Brief von SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer an die Nationalrats-Abgeordneten von ÖVP und FPÖ
Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Abgeordneter!
Ich wende mich kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Parlament über die Pensionsreform mit der Bitte an
Sie, Ihr geplantes Abstimmungsverhalten nochmals genau zu überdenken. Mit Ihrer Stimme entscheiden Sie über
das Schicksal hunderttausender ÖsterreicherInnen und darüber, ob Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit
in der Politik noch zählen. Ich möchte Sie ersuchen, sich Ihre große Verantwortung als VolksvertreterIn
bewusst in Erinnerung zu rufen, ehe Sie der von der Regierung geplanten Pensionskürzungsreform zustimmen.
Und ich appelliere an Ihr politisches Gewissen, bei Ihrer Entscheidung folgende Tatsachen mitzubedenken:
- Durch die Pläne der Regierung verlieren jene Menschen, die in den nächsten Jahren ihre Pension antreten,
mindestens 12 Prozent ihres bisherigen Pensionsanspruchs. Das ist ein gewaltiger, überfallsartiger und daher
dramatischer Eingriff in die Lebensplanung dieser Menschen.
- Spätestens 2014 werden die Kürzungen bereits knapp 30 Prozent ausmachen. Was von den Pensionen heute
junger Menschen übrig bleibt, ist völlig offen.
- Die im Sinne von mehr Gerechtigkeit so dringend notwendige Harmonisierung ist von der Regierung nicht vorgesehen.
Damit werden die bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen den einzelnen Berufsgruppen auf unbestimmte Zeit einzementiert.
Nur wenn es ein einheitliches System mit gleichen Beiträgen und gleichen Leistungen gibt, haben wir ein gerechtes
System, das auch finanzierbar ist. Jeder Euro der eingezahlt wird, muss gleich viel wert sein.
- Die in letzter Minute eingebrachten Abänderungsanträge enthalten viele neue Härten. Unter anderem
ist festgeschrieben, dass in den nächsten zwei Jahren nur mehr Pensionen, die weniger als 660 Euro betragen,
im Ausmaß der Inflationsrate erhöht werden. Bezieher "höherer" Pensionen erhalten nur
einen kleinen Fixbetrag, der die Preissteigerung nicht abdeckt. Das kommt einer realen Pensionskürzung gleich
und ist für jemanden, der vielleicht ohnehin nur eine Pension von 700 Euro bezieht, unzumutbar.
- Auch dass die Regierung auf die besondere Situation von Schwerarbeitern offenbar "vergessen" hat,
sollte Ihnen zu denken geben.
Ich bitte Sie daher, Ihre Stimme am kommenden Mittwoch in den Dienst von Gerechtigkeit und Verantwortungsbewusstsein
zu stellen und parteipolitisches Kalkül bei Ihrer so wichtigen Entscheidung hintanzustellen.
Stimmen Sie gegen diese ungerechte Pensionskürzungsaktion!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Alfred Gusenbauer
(Vorsitzender der SPÖ) Wien, am 9. Juni 2003
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Lopatka: Gerechtigkeit bedeutet vor allem Generationengerechtigkeit
Gusenbauer-Brief ist untauglicher Verzögerungsversuch
Wien (övp-pd) - Wie schon in den vergangenen Wochen und Monaten zeige sich einmal mehr, dass
die SPÖ wohl aus eigener Planlosigkeit die längst notwendige Pensionsreform weiter verzögern wolle,
sagte ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Montag (09. 06.) zum
jüngst veröffentlichten Brief des SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer. "Dies ist der untaugliche
Versuch, die Abgeordneten zu einer weiteren Verschiebung zu bewegen und entspricht der bekannten Verweigerungspolitik
der Sozialdemokraten in der Frage der Pensionen", so Lopatka.
Wenn der SPÖ-Vorsitzende von Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit spricht, möge er sich selbst die
Frage beantworten, ob es nicht Aufgabe der Politik sei, eine Gerechtigkeit für alle Generationen zu wahren,
so der ÖVP-Generalsekretär. Die Regierung habe durch die im Abänderungsantrag enthaltenen Neuerung
wie das Solidarpaket für Frauen, das Beschäftigungspaket für ältere Arbeitnehmer, die Erhöhung
des Altersübergangsgeldes oder weitere Verbesserungen für Schwerarbeiter entscheidende Maßnahmen
gesetzt, um die Zukunft aller Österreicherinnen und Österreicher planbar, finanzierbar und gerecht zu
machen.
Die SPÖ solle endlich parteipolitische Interessen hintanstellen und nicht länger die Augen vor der Realität
verschließen. "Die Menschen in diesem Land haben es nicht verdient, durch gezielte Angstmache und Parteipropaganda
von Seiten der SPÖ weiterhin verunsichert zu werden", so Lopatka abschließend. |