Wirtschaftsaufschwung oder Rezession?  

erstellt am
20. 06. 03

Peter Brezinschek, Chefanalyst der RZB Österreich AG sprach anlässlich der Jahreshauptversammlung des Raiffeisen InvestmentClub Tirol über die Konjunkturaussichten für 2003.
Innsbruck (rzb) - Die Finanzmärkte stehen kopf. Sowohl am Aktienmarkt als auch bei den Anleihen kann man derzeit nichts falsch machen. Fast scheint die beste aller Welten auf uns zuzusteuern, wenn man unterstellt, dass die Börsen versuchen künftige Trends vorweg zu nehmen.

Doch gibt es da nicht auch noch so unangenehme Dinge, wie Rezession und Deflation?
Zumindest die Diskussion um die Schwäche des konjunkturellen Umfeldes ist in den letzten Wochen deutlich in den Hintergrund getreten. Im Gegenteil, die leichte Erholung der Vorlaufindikatoren vor allem in den USA hat die Hoffnung geschürt, dass die Talsohle in der wirtschaftlichen Entwicklung durchschritten sei. In diesem Zusammenhang kommt den Umfragewerten (ISM in USA, PMI in Europa) wesentliche Bedeutung zu. Doch nach wie vor hinkt Europa hinterher.

Daher sind auch die BIP-Prognosen für die USA nach einer mageren ersten Jahreshälfte 2003 ab dem dritten Quartal schon günstiger. In Europa ist der Wirtschaftsaufschwung noch nicht so klar, er liegt jedenfalls noch deutlich unter dem US-Wachstum. Somit wird in der EUROzone 2003 bloß eine 0,7%ige Steigerung des BIPs gegenüber 2% in den USA erwartet.

Die Inflationsraten sind auch auf dem Rückzug. Zu rund 80% sind dafür die stark gesunkenen Energiepreise und in Europa der kräftige Aufschwung des Euro verantwortlich.

Aber von Deflation kann man bei anhaltenden Preissteigerungen im Dienstleistungssektor nicht sprechen.

Der Vergleich Deutschlands mit Japan hinkt aus mehreren Gründen. In Deutschland hat es im Gegensatz zu Japan keine lang aufgebaute Blase auf den Finanzmärkten gegeben, deren KGVs bis über den 100fachen Jahresgewinn angestiegen waren (Japan 1989!). Die Verbindung der Banken mit ihren Kreuzbeteiligungen ist zwar in Deutschland nicht unerheblich, diese wurde aber in den letzten Jahren reduziert und betrug nur 6% der Marktkapitalisierung.

In Japan waren es beinahe 18%. Auch bei den Not leidenden Krediten (1% vom BIP versus 8% vom BIP) schneiden die deutschen Finanzinstitute weitaus besser ab und scheinen, nach einer neuen IWF-Studie, auch in Hinkunft unvergleichlich belastbarer zu sein als ihre japanischen Kontrahenten.

Wichtig ist aber auch die unterschiedliche Geldpolitik. Das Geldmengenwachstum in Europa ist mit fast 8% fast ein Garant, dass die Deflation ein Spuk für die theoretische Betrachtung bleiben dürfte. Ein Blick auf die mit 2-3% zulegenden Dienstleistungspreise auch in Österreich kann ein allgemein sinkendes Preisniveau nicht plausibel erscheinen lassen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat aber mit ihrer jüngsten Zinssenkung auf 2% gezeigt, dass sie den Spielraum zur monetären Anpassung nützt. Damit fallen die Realzinsen in der Eurozone auf nahe Null, einen bislang noch nie erreichten Tiefstwert.

Für die Anleiherenditen ist das in den nächsten Wochen noch Wasser auf die Mühlen. Die Euro-10Jahresrenditen könnten die 3,5%-Marke noch kurzzeitig nach unten durchbrechen. Doch bis Jahresende ist Vorsicht angesagt. Die Rentenkurse preisen Deflation und schwache Konjunktur ein, da gilt es ab Herbst wachsam zu sein. Bis Jahresende könnten die Renditen schon wieder Richtung 4% ansteigen.

Dem Euro wird dies nur wenig anhaben.
Sein Höhenflug sollte sich bis Jahresende fortsetzen. Ein Sprung über die Grenze von 1,20 ist daher nur eine Frage der Zeit. Im Gefolge dessen wird auch der CHF seine im Frühjahr eingeleitete Abschwächung zum Euro fortsetzen mit Ziel in Richtung 1,56. Der Yen dagegen sollte bei rund 140 sein Höchst erreicht haben. Die hohen Leistungsbilanzüberschüsse dürften dem Yen zum Dollar sogar etwas Aufwertungsspielraum gewähren, weshalb die Dollarschwäche nicht mehr durchschlägt.

Für die Aktienmärkte hat das volatile Zeitalter seine Fortsetzung gefunden.
Der jüngste Kursaufschwung ist wohl auf die Absenz vieler institutioneller Anleger in seiner Dynamik beachtlich, aber schon beinahe wieder überzogen. Daher sollten langfristige Anleger auf deutlichere Kurskorrekturen in den Sommermonaten warten. Die nächsten Enttäuschungen könnten Anlass für solche Kursabschläge sein.
     
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