Peter Brezinschek, Chefanalyst der RZB Österreich AG sprach anlässlich der Jahreshauptversammlung
des Raiffeisen InvestmentClub Tirol über die Konjunkturaussichten für 2003.
Innsbruck (rzb) - Die Finanzmärkte stehen kopf. Sowohl am Aktienmarkt als auch bei den Anleihen
kann man derzeit nichts falsch machen. Fast scheint die beste aller Welten auf uns zuzusteuern, wenn man unterstellt,
dass die Börsen versuchen künftige Trends vorweg zu nehmen.
Doch gibt es da nicht auch noch so unangenehme Dinge, wie Rezession und Deflation?
Zumindest die Diskussion um die Schwäche des konjunkturellen Umfeldes ist in den letzten Wochen deutlich in
den Hintergrund getreten. Im Gegenteil, die leichte Erholung der Vorlaufindikatoren vor allem in den USA hat die
Hoffnung geschürt, dass die Talsohle in der wirtschaftlichen Entwicklung durchschritten sei. In diesem Zusammenhang
kommt den Umfragewerten (ISM in USA, PMI in Europa) wesentliche Bedeutung zu. Doch nach wie vor hinkt Europa hinterher.
Daher sind auch die BIP-Prognosen für die USA nach einer mageren ersten Jahreshälfte 2003 ab dem dritten
Quartal schon günstiger. In Europa ist der Wirtschaftsaufschwung noch nicht so klar, er liegt jedenfalls noch
deutlich unter dem US-Wachstum. Somit wird in der EUROzone 2003 bloß eine 0,7%ige Steigerung des BIPs gegenüber
2% in den USA erwartet.
Die Inflationsraten sind auch auf dem Rückzug. Zu rund 80% sind dafür die stark gesunkenen Energiepreise
und in Europa der kräftige Aufschwung des Euro verantwortlich.
Aber von Deflation kann man bei anhaltenden Preissteigerungen im Dienstleistungssektor nicht sprechen.
Der Vergleich Deutschlands mit Japan hinkt aus mehreren Gründen. In Deutschland hat es im Gegensatz zu Japan
keine lang aufgebaute Blase auf den Finanzmärkten gegeben, deren KGVs bis über den 100fachen Jahresgewinn
angestiegen waren (Japan 1989!). Die Verbindung der Banken mit ihren Kreuzbeteiligungen ist zwar in Deutschland
nicht unerheblich, diese wurde aber in den letzten Jahren reduziert und betrug nur 6% der Marktkapitalisierung.
In Japan waren es beinahe 18%. Auch bei den Not leidenden Krediten (1% vom BIP versus 8% vom BIP) schneiden die
deutschen Finanzinstitute weitaus besser ab und scheinen, nach einer neuen IWF-Studie, auch in Hinkunft unvergleichlich
belastbarer zu sein als ihre japanischen Kontrahenten.
Wichtig ist aber auch die unterschiedliche Geldpolitik. Das Geldmengenwachstum in Europa ist mit fast 8% fast ein
Garant, dass die Deflation ein Spuk für die theoretische Betrachtung bleiben dürfte. Ein Blick auf die
mit 2-3% zulegenden Dienstleistungspreise auch in Österreich kann ein allgemein sinkendes Preisniveau nicht
plausibel erscheinen lassen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat aber mit ihrer jüngsten Zinssenkung auf 2% gezeigt, dass sie den
Spielraum zur monetären Anpassung nützt. Damit fallen die Realzinsen in der Eurozone auf nahe Null, einen
bislang noch nie erreichten Tiefstwert.
Für die Anleiherenditen ist das in den nächsten Wochen noch Wasser auf die Mühlen. Die Euro-10Jahresrenditen
könnten die 3,5%-Marke noch kurzzeitig nach unten durchbrechen. Doch bis Jahresende ist Vorsicht angesagt.
Die Rentenkurse preisen Deflation und schwache Konjunktur ein, da gilt es ab Herbst wachsam zu sein. Bis Jahresende
könnten die Renditen schon wieder Richtung 4% ansteigen.
Dem Euro wird dies nur wenig anhaben.
Sein Höhenflug sollte sich bis Jahresende fortsetzen. Ein Sprung über die Grenze von 1,20 ist
daher nur eine Frage der Zeit. Im Gefolge dessen wird auch der CHF seine im Frühjahr eingeleitete Abschwächung
zum Euro fortsetzen mit Ziel in Richtung 1,56. Der Yen dagegen sollte bei rund 140 sein Höchst erreicht haben.
Die hohen Leistungsbilanzüberschüsse dürften dem Yen zum Dollar sogar etwas Aufwertungsspielraum
gewähren, weshalb die Dollarschwäche nicht mehr durchschlägt.
Für die Aktienmärkte hat das volatile Zeitalter seine Fortsetzung gefunden.
Der jüngste Kursaufschwung ist wohl auf die Absenz vieler institutioneller Anleger in seiner Dynamik beachtlich,
aber schon beinahe wieder überzogen. Daher sollten langfristige Anleger auf deutlichere Kurskorrekturen in
den Sommermonaten warten. Die nächsten Enttäuschungen könnten Anlass für solche Kursabschläge
sein. |