Wien: Bischof Sturm warnt vor Verankerung des Gottesbezugs in der EU-Verfassung
Wien (epd Ö) - Mehrere Tausend evangelische Christen sind am Donnerstag (19. 06.)
in ihren Diözesen zu den Gustav-Adolf-Festen zusammengekommen. Neben den Festgottesdiensten und den Jahresversammlungen
der diözesanen Gustav-Adolf-Vereine boten die regionalen „Kirchentage" ein vielfältiges Programm
für alle Altersgruppen.
Bünker: Hoffnung bedeutet, „zeitgenössisch" zu sein
„Seid fröhlich in der Hoffnung" lautete das Motto des burgenländischen Gustav-Adolf-Festes,
das heuer in Oberschützen stattfand, und zu dem sich mehr als 3.000 Besucher eingefunden hatten. Superintendent
Mag. Manfred Koch rief in seiner Schlussandacht dazu auf, die christliche Hoffnung an andere weiterzugeben, vor
allem an Kinder und Jugendliche. Zugleich erinnerte er an die zahlreichen gesellschaftlichen politischen Probleme
in Österreich und der Welt und sagte: „Hoffnung können wir nicht machen. Sie wächst wie ein Baum,
aber der Same dieses Baumes ist ausgestreut von Jesus Christus."
In seiner Festpredigt betonte Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker, dass Hoffnung „den engen kleinen Horizont
groß macht". Hoffnung bedeute, „zeitgenössisch" zu sein. Nichts ist so wie es sein muss, nichts
ist unveränderlich, so der Oberkirchenrat weiter. Gott kommt auf den Menschen zu, in „Jesus von Nazareth,
der von den Toten auferstanden ist", so Bünker, der auf seine Predigt spontanen Applaus von den zahlreichen
Gottesdienstbesuchern erhielt.
In einer Zeit der Veränderungen hat die Evangelische Kirche einen hohen Stellenwert, da sie die Werte der
Humanität tatsächlich lebt, insbesondere im sozialen Bereich. Dies unterstrich der burgenländische
Landeshauptmann Hans Niessl in seiner Grußansprache. Niessl würdigte die evangelischen Christen des
Burgenlandes, die stets das Gemeinsame vor das Trennende stellten. Auch habe die Evangelische Kirche des Burgenlandes
im Zuge der EU-Erweiterung zu den Nachbarländern zahlreiche Brücken schlagen können.
Neben umfangreichen Programmen für Kinder und Jugendliche sowie zahlreichen musikalischen Darbietungen wurde
das Musical „Ein Sommernachtstraum" durch SchülerInnen und LehrerInnen des Evangelischen Musikgymnasiums
Oberschützen aufgeführt.
Kärnten: Gustav-Adolf-Fest jährte sich zum 141. Mal
Unter dem Thema: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt." (Ps
26,8) stand das Kärntner Gustav-Adolf-Fest in Arriach, das heuer zum 141. Mal stattfand. Rund 2000 Besucher
nahmen an den Feierlichkeiten teil. Die mit 650 Sitzplätzen größte evangelische Kirche Kärntens,
die Vier-Evangelisten-Kirche in Arriach, in der am Donnerstag Vormittag der Festgottesdienst gefeiert wurde, konnte
nicht allen Besuchern einen Sitzplatz bieten. Ebenso war beim zeitgleich angebotenen Jugend- und Familiengottesdienst
kein freier Platz mehr zu finden.
Ein zweites Mal füllte sich die große Kirche bei der Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Zweigvereins
für Kärnten und Osttirol. Mit Spannung wurde das Abstimmungsergebnis, welche Gemeinde als „Sieger"
bei den Projekten hervorgehen würde, erwartet. Den Zuschlag erhielt die kleine Tochtergemeinde Sirnitz (Muttergemeinde
Gnesau) für den Bau eines Gemeindehauses.
Niederösterreich: 50 Jahre Pfarrgemeinde Perchtoldsdorf
„Wenn Christen ihren Glauben ernst nehmen, dann beurteilen sie Menschen nicht nach ihrer Leistung und Herkunft,
dann sind sie gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen gegenüber nicht gleichgültig, und dann gehen
sie als Kirchen miteinander respektvoll um." Das betonte der niederösterreichische Superintendent Mag.
Paul Weiland beim Gustav-Adolf-Fest in Perchtoldsdorf. Dieser Gemeindetag, welcher immer mehr zum Begegnungsfest,
gleichsam einem Kirchentag wird, sei gleichzeitig Gelegenheit mitzufeiern, dass die Evangelische Pfarrgemeinde
Perchtoldsdorf in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert, so Weiland.
„Kommt, feiert mit", so lautete das Motto des niederösterreichischen Festes, das ein reichhaltiges Programm
für Jung und Alt bereithielt. Am Vormittag fand im Kulturzentrum der Festgottesdienst zum 50-jährigen
Jubiläum der Pfarrgemeinde, die Präsentation der Festschrift, die Jahresversammlung des Gustav-Adolf-Vereins
und ein „Offenes Singen" statt.
Reiner: Es geht nicht ums Genug
Das Gustav-Adolf-Fest der Diözese Oberösterreich fand heuer in Wels statt und stand unter dem
Motto „Evangelischefeiernfeste" Über 600 Besucher zählte das Fest. An den beiden Gottesdiensten
wirkten viele Bläser aus ganz Oberösterreich mit, unter Diözesankantor Mag. Kristian Schneider wurde
gesungen und musiziert. Oberkirchenrätin Dr. Hannelore Reiner kritisierte in ihrer Predigt die Haltung, „immer
zu denken, wir hätten nicht genug". In der heutigen Zeit der Wegwerfgesellschaft, des übersättigten
Marktes und des „übervollen Tisches" mache der Überfluss „eigentümlich starr und tot"
und decke „als dunkler Schatten den Mangel auf". Reiner erinnerte an die biblische Geschichte der wunderbaren
Brotvermehrung, in der Jesus zu teilen beginnt und sich selbst verschenkt. Reiner: „Er teilt aus, bis keiner mehr
Mangel hat. Es ist nie genug, bis du nicht beginnst, es auszuteilen. Eine neue Perspektive tut sich auf: es geht
nicht ums Genug, es geht um Gottes Segen und unser Offensein dafür."
Grenzüberschreitendes Fest in Salzburg
Rund 200 Menschen aus allen Gemeinden der Diözese Salzburg-Tirol sowie aus den bayerischen Nachbargemeinden
trafen einander im Gemeindezentrum Salzburg Süd. Die Festpredigt hielt die Münchner Regionalbischöfin
Susanne Breit-Kessler - die Diözese Salzburg-Tirol hat seit Jahren enge Kontakte zum Kirchenkreis München
sowie zu den Dekanaten Rosenheim. Durch diese Einladung sollte, so Superintendentin Mag. Luise Müller gegenüber
epd Ö, der Euregio-Gedanken auch an dieser Stelle gefördert werden. Höhepunkte neben dem Festgottesdienst
waren eine Führung durch den Salzburger Kommunalfriedhof durch Dr. Lieselotte Eltz-Hoffmann, ein Diavortrag
der brasilianischen Diakonisse Gerda Nied sowie das abschließende Konzert des „Ensemble Cembalino" unter
der Leitung von Helga Sagburg.
Miklas: Die Kirche darf kein Schrebergarten geistiger Harmlosigkeit sein
„Suchet der Stadt Bestes, in die euch der Herr geführt hat, denn wenn es den anderen gut geht, dann
werdet ihr es auch gut haben!" Unter diesem Leitwort wurde das Gustav-Adolf- Fest im steiermärkischen
Voitsberg gefeiert. Die Festpredigt hielt Superintendent Hermann Miklas in der Gustav-Adolf Kirche. „Die Kirche
darf kein Schrebergarten geistiger Harmlosigkeit sein. Wir dürfen die Welt nicht von den Gebeten und Gottesdiensten
ausschließen", sagte der Superintendent. Ernst Meixner, der Bürgermeister von Voitsberg, unterstrich
die Rolle der Ökumene im Bezirk und das Zusammenwirken aller Kräfte. Der Gospelchor der Heilandskirche
Graz und die Bergkapelle Zangtal gestalteten den Gottesdienst und das Nachmittagsprogramm musikalisch mit.
Gustav-Adolf-Fest in Wien im Zeichen des interreligiösen Verständnisses
In seiner Predigt anlässlich des Gustav-Adolf-Festes in Wien-Gumpendorf warnte Bischof Herwig Sturm
vor der vieldiskutierten Bezugnahme auf Gott in der Präambel der EU-Verfassung. „Die Gefahr dabei ist, dass
der Gotttesbezug nicht einfach heißt, dass es eine Dimension gibt, die uns in Verantwortung ruft, sondern
dass der Gottesbezg verwendet wird, meine Weltanschauung zur einzig richtigen zu erklären, und zu sagen, wer
das nicht unterschreibt, braucht nicht in Europa zu leben." Der Bischof erklärte dies im Rahmen von Ausführungen
über die Spannung von Religion und Demokratie. „Auch wir Christen haben lernen müssen, dass die Trennung
von Kirche und Staat erst möglich ist, wenn Gewissensfreiheit - das ist Religionsfreiheit - herrscht, und
wenn wir daran nicht rütteln", sagte der Bischof. Es sei eine hohe Entscheidung der Menschenwürde,
„dass wir in einer demokratischen Gesellschaft jedem seine Überzeugung lassen im Gewissen und in der religiösen
Überzeugung."
Mittwochabend (25. 06.) fand eine Diskussion über die „Weltreligionen zwischen
Krieg und Frieden" statt. Prominente Vertreter des Hinduismus, Buddhismus, des Judentums, des Islam, der Römisch-katholischen
sowie der Evangelischen Kirche äußerten sich übereinstimmend über den Friedenswillen und die
Ablehnung des Missbrauchs der Religion als Rechtfertigung gewalttätiger und kriegerischer Handlungen.
Veranstaltet wurden die diözesanen Feste von den Pfarrgemeinden zusammen mit den
Gustav-Adolf-Vereinen. Der Gustav-Adolf-Verein ist ein Hilfswerk, das evangelische Gemeinden in der Diaspora beim
Bau und der Erhaltung von Kirchen, Gemeinderäumen und Pfarrhäusern unterstützt. Der Name geht auf
den Schwedenkönig Gustav Adolf zurück, dem 1832 mit der Gründung des heute weltweit tätigen
Werkes ein lebendiges Denkmal gesetzt werden sollte. Den Gustav-Adolf-Verein gibt es seit dem Jahr 1862. |