Europäer befürworten starkes Europa in der Raumfahrt  

erstellt am
26. 06. 03

Paris (esa) - Eine viermonatige Konsultation über die Zukunft Europas in der Raumfahrt endete am Dienstag (24. 06.) mit einer Schlußkonferenz in Paris, auf der EU-Forschungskommissar Philippe Busquin, Generaldirektor Antonio Rodotà von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und andere führende Akteure des Raumfahrtsektors eine erhebliche Verstärkung der europäischen Anstrengungen in der Weltraumforschung und einen erweiterten institutionellen Rahmen forderten. Claudie Haigneré, die französische Ministerin für Forschung und Neue Technologien, und Letizia Moratti, die italienische Ministerin für Bildung, Hochschulwesen und Wissenschaftliche Forschung, die ebenfalls an der Konferenz teilnahmen, schlugen konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele Europas in der Raumfahrt vor. Als vorrangig wurden auf der Konferenz auch eine bessere Koordinierung zwischen allen Sektoren auf EU- und internationaler Ebene, die Sicherung eines eigenständigen Zugangs Europas zum Weltraum und ein flexibles System zur Finanzierung der Programme bezeichnet. Die Teilnehmer unterstrichen die Notwendigkeit der Entwicklung von Weltraumtechnologien wie satellitengestützte Internetverbindungen und Sicherheitsanwendungen. Die Konferenz erarbeitete Beiträge für das angekündigte EU-Weißbuch über Weltraumpolitik, das die Europäische Kommission im Oktober 2003 veröffentlichen will.

Philippe Busquin meinte: „Die Konsultation hat sich als erfolgreiches Beispiel demokratischen Zusammenwirkens und gemeinschaftlicher Kreativität erwiesen. Die Europäer erwarten von der EU, daß sie eine stärkere Rolle in der Raumfahrt spielt, und wir müssen bereit sein, diesen Erwartungen zu entsprechen. Wir werden aufbauend auf den Erkenntnissen aus der Konsultation einen ehrgeizigen Aktionsplan für die europäische Weltraumpolitik aufstellen. Mit einem starken politischen Engagement seitens aller maßgeblichen Raumfahrtakteure und anhaltender Unterstützung durch die Öffentlichkeit können wir Europa zur führenden Raumfahrtmacht des 21. Jahrhunderts machen.“

Claudie Haigneré erklärte: „Ich begrüße die bemerkenswerte Arbeit, die die Europäische Kommission und die ESA geleistet haben. Dank dieser eingehenden Debatte über unsere künftigen Ziele sind wir zu gemeinsamen Ansichten über die jetzige Situation und zur einhelligen Anerkennung der strategischen Bedeutung der Raumfahrt für Europa gelangt. Diese Bemühungen werden zur selben Zeit wie die Arbeiten des Verfassungskonvents über einen neuen Vertrag für die Europäische Union unternommen und bieten uns die Gelegenheit, für die EU Zuständigkeiten im Raumfahrtbereich vorzuschlagen. Wir befürworten voll und ganz diese Initiative, die es uns gestatten dürfte, einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Zukunft Europas im Weltraum zu leisten. Wir haben uns sehr viel vorgenommen: Wir wollen der Raumfahrt die ihr auf europäischer Ebene gebührende Bedeutung sichern, um ein starkes und zunehmend bürgernahes Europa aufzubauen.“

Antonio Rodotà fügte hinzu: „Wir sind sehr erfreut über die Güte und Menge der Beiträge, die im Rahmen der Konsultation eingegangen sind: Diese zeigen, daß nicht nur in den Kreisen der Wissenschaft und in der Geschäftswelt, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit ein echtes Interesse an einer stärkeren Rolle Europas in der Raumfahrt besteht. Die ESA wird daher zusammen mit der Kommission und den anderen Raumfahrtakteuren auf ein höheres Profil der Raumfahrt in Europa und die Festlegung einer sachgerechten Agenda für die Zukunft der Weltraumpolitik hinarbeiten.“

Eine breite Konsultation
Andere prominente Teilnehmer der Konferenz waren der designierte Generaldirektor der ESA, Jean-Jacques Dordain, der sein Amt am 1. Juli 2003 antreten wird, der ehemalige schwedische Premierminister Carl Bildt und Ministerialdirigent Herbert Diehl vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung. Einige europäische Astronauten waren ebenfalls anwesend.

Zu der Konferenz waren über 400 Vertreter aus der Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft zusammengekommen. Sie bot Gelegenheit, aus den mehreren Tausend Beiträgen, die im Rahmen der Konsultation eingegangen waren, entscheidende Erkenntnisse zur Bestimmung der Handlungsprioritäten und zur Planung konkreter Maßnahmen zu gewinnen, die notwendig sind, um Europas Rolle in der Raumfahrt zu verstärken und die Nutzung des Weltraums im Dienste der europäischen Bürger soweit wie möglich zu fördern. Ein entsprechender Aktionsplan soll in einem Weißbuch der EU Ende 2003 veröffentlicht werden.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Raumfahrt dürfen nicht übersehen werden. Das amerikanische Verteidigungsministerium rechnet damit, daß bis zum Jahr 2010 die Zahl der die Erde umkreisenden Satelliten von heute 600 auf über 2000 anwachsen wird. Im selben Zeitraum dürften sich die amerikanischen Investitionen auf rund 500 Milliarden Dollar belaufen. In Europa wird geschätzt, daß im Jahr 2010 die Raumfahrtindustrie und die damit verbundenen Aktivitäten etwa 10 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachen werden. Andererseits ist das Fördervolumen für raumfahrtrelevante Forschung und Entwicklung in Europa sechsmal niedriger als in den USA, wo die NASA und das Verteidigungsministerium den Großteil der Finanzmittel bereitstellen.

Eine neue Ära für die Raumfahrt in Europa
Das Grünbuch über die europäische Weltraumpolitik, das von der Europäischen Kommission am 21. Januar 2003 verabschiedet wurde, ist ein in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation ausgearbeitetes strategisches Dokument, das für die Raumfahrt in Europa eine neue Ära einleitet. Sein Ziel bestand darin, eine breit angelegte Debatte über die mittel- und langfristige Nutzung des Weltraums im Dienste der Bürger Europas in Gang zu setzen. Am 13. Mai nahmen die für den Wettbewerb zuständigen EU-Minister eine Entschließung an, in der sie sich für den raschen Abschluß einer Rahmenvereinbarung zwischen der ESA und der Europäischen Kommission sowie für dringende Maßnahmen auf EU-Ebene zur Bewältigung der sich Europa im Raumfahrtsektor stellenden Herausforderungen aussprachen. Am 15. Mai nahm das Europäische Parlament eine ähnliche Entschließung an, in der es fordert, daß der EU im neuen Verfassungsvertrag eine geteilte Zuständigkeit für die Raumfahrt zuerkannt wird.

Auf seiner Tagung auf Ministerebene am 27. Mai, die sich mit einer Reihe von Schlüsselfragen einschließlich der Zukunft der Trägerrakete Ariane und des Satellitennavigationssystems Galileo befaßte, nahm der ESA-Rat seinerseits eine Entschließung an, in der er die Bereitschaft der ESA zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der EU unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufgaben und institutionellen Grundlagen der beiden Organisationen und unter Würdigung ihrer Komplementarität bekräftigte. Anfang Juni wurde im Entwurf der EU-Verfassung bestätigt, daß die Raumfahrt eine der neuen Zuständigkeiten der EU werden soll.

Von Brüssel nach Paris: Die Europäer äußern sich zur Raumfahrt Die Konsultation zum Grünbuch umfaßte eine Reihe von Veranstaltungen wie Arbeitstagungen, Diskussionsforen und Konferenzen, die den gesamten Kontinent überspannten und in der Öffentlichkeit auf beträchtliches Interesse stießen. Nach der Eröffnungskonferenz in Brüssel stand auf dem Treffen in Madrid der Beitrag des Industriesektors im Vordergrund, während auf der Arbeitstagung in Berlin die wissenschaftliche Gemeinschaft zusammenkam.

In Rom wurden wichtige institutionelle Fragen erörtert, worauf in London und Prag Debatten über Anwendungen bzw. die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit stattfanden. Weitere Veranstaltungen in Lissabon, Athen und Wien folgten. Darüber hinaus wurden hochrangige bilaterale Konsultationen geführt, und viele Organisationen sandten ihre Stellungnahme unmittelbar der Kommission zu. Gleichzeitig wurden die Bürger aufgefordert, ihre Ansichten über das Internet bekanntzugeben.

Was befürworten die Raumfahrtakteure?
Auf die Konsultation ging eine Vielfalt von Beiträgen aus ganz Europa ein. Im Rahmen einer offenen, transparenten und demokratischen Debatte zeichnete sich ein breiter Konsens über eine Reihe von Schlüsselaktionen ab; hierzu gehören:

  • Erweiterung des institutionellen Rahmens der Weltraumpolitik, gegebenenfalls durch Schaffung eines Rates der Raumfahrtminister;
  • Einsatz derselben Satellitensysteme sowohl für Zivil- als auch für Verteidigungs- und Sicherheitszwecke (Mehrzwecksysteme);
  • Schaffung eines institutionellen Marktes, der die Bedeutung der Raumfahrt zur Verwirklichung zivilpolitischer Ziele wie Kommunikation und Navigation anerkennt;
  • eigenständiger, verläßlicher und erschwinglicher Zugang zum Weltraum durch das Programm für den Garantierten Zugang Europas zum Weltraum (EGAS);
  • Notwendigkeit einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsagentur;
  • verbesserte Laufbahnaussichten und Fort- und Weiterbildung für in Weltraumforschung und -technik Beschäftigte;
  • Verdoppelung der Fördermittel für die europäische Forschung;
  • Abstimmung der Datenerfassung und -verarbeitung auf europäischer Ebene und Hilfestellung der Kommission für ein leistungsfähiges Datenverarbeitungssystem für Klimavorhersagen und die Überwachung globaler Veränderungen;
  • Ausgestaltung der Internationalen Raumstation als Stützpunkt für Schwerelosigkeitsforschung;
  • weitere Unterstützung für das Aurora-Programm der ESA, das in den nächsten 30 Jahren unter anderem eine bemannte Mission zum Mars anvisiert;
  • Entwicklung weltraumtechnischer Anwendungen zur Förderung des technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts und der Sicherheit der Bürger;
  • Einführung eines Programms für nahtlose Breitbandkommunikation für jedermann in Europa und
  • Unterstützung des Erweiterungsprozesses und der europäischen Integration durch Satellitentechnologien und gemeinsame politische Ziele.


Nächste Schritte
Zur weiteren Klärung der Weltraumpolitik Europas sind folgende Etappen geplant:

  • Juli 2003: Die gemeinsame Task Force der EU und der ESA gibt einen zusammenfassenden Bericht über den Konsultationsprozeß heraus.
  • September 2003: Das Europäische Parlament nimmt seinerseits zum Grünbuch Stellung.
  • Oktober 2003: Die Kommission veröffentlicht das Weißbuch zur europäischen Weltraumpolitik, das dann dem Rat und dem Parlament vorgelegt wird. Das Weißbuch wird einen Aktionsplan umreißen, der eine künftige Strategie für Weltraumtätigkeiten in der Europäischen Union absteckt. Es wird die eingegangenen Beiträge würdigen und Vorschläge zum Inhalt, zur Organisation und zum Umfang der künftigen europäischen Weltraumtätigkeiten enthalten.
  • November 2003: Das Weißbuch soll vom Rat der Europäischen Union auf der Tagung der für Wettbewerb zuständigen EU-Minister unter italienischem Vorsitz erörtert werden.

Weitere Informationen über das Grünbuch, den Konsultationsprozeß und die ersten Schlußfolgerungen sind im Internet unter der Adresse http://europa.eu.int/comm/space abrufbar.

     
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