Agrarreform: Frankreich pocht auf mehr Zeit, um eine Einigung zu erzielen  

erstellt am
24. 06. 03

Verhandlungen seien auf Druck des französischen Präsidenten verschoben worden
Porto Karras (aiz.info) - Die Verhandlungen der EU-Agrarminister in Luxemburg seien am Donnerstagabend auf Druck des französischen Präsidenten Jacques Chiracs erneut verschoben worden, erklärte Chiracs Sprecherin, Catherine Colonna, am Freitag (20. 06.) am Rand des EU-Gipfels im griechischen Porto Karras. Das französische Staatsoberhaupt habe den griechischen Ministerpräsidenten und EU-Ratspräsidenten Kostas Simitis gebeten, die Verhandlungen auszusetzen, erläuterte Colonna. "Wir haben uns einige Tage mehr gewünscht, um eine Einigung zu erzielen." Für die EU-Staats- und Regierungschefs war allerdings das Thema Agrarreform nach Angaben der griechischen EU-Ratspräsidentschaft während des Gipfels tabu.

Am Rande des EU-Gipfels haben der französische Präsident Jacques Chirac und der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Angaben aus Delegationskreisen am Donnerstag über die Agrarreform weitere Gespräche geführt. Es hieß, Chirac habe sich mit Schröder darauf verständigt, die Pläne der EU-Kommission für den Abbau von Beihilfen und die Umstellung auf produktionsunabhängige Pauschalzahlungen zurückzustutzen.

Anschließend soll Chirac den griechischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis durch die Drohung mit einem Veto unter Druck gesetzt haben. Um den Streit vom EU-Gipfel fernzuhalten, wies dieser Agrarminister Georgios Drys, der die Verhandlungen in Luxemburg leitete, an, die Gespräche zu vertagen. Chirac habe "lebenswichtige Interessen" Frankreichs geltend gemacht und sich auf eine informelle Absprache berufen, die in solchen Fällen Mehrheitsentscheidungen verhindert, hieß es aus Diplomatenkreisen. Knackpunkt für Frankreich war nach Angaben aus den Delegationen bei den Gesprächen in Luxemburg zuletzt die Höhe der so genannten Interventionspreise für Getreide und Milch und die Frage der Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion.

Schröder sieht Einigungschancen im Agrarstreit
Die deutsche Regierung äußerte Verständnis für die französische Haltung. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sieht Einigungschancen im Agrarstreit mit Frankreich. "Frankreich hat sich bewegt. Aber man kann seine Position nicht in Reinkultur durchsetzen. Und das gilt für beide Seiten", sagte Schröder am Freitag nach dem EU-Gipfel von Saloniki (Thessaloniki). Schröder sprach von einer "souveränen Entscheidung Frankreichs", noch Zeit zu haben, "um letzte Einigungschancen auszuloten".

Die geplante Reform, die in zentralen Punkten mit dem alten System breche, "muss alle Länder mitnehmen", sagte ein Sprecher von Verbraucherministerin Renate Künast in Berlin. Dies gelte auch für den größten EU-Agrarproduzenten Frankreich. Die Verhandlungen seien aber auf einem guten Weg und schon "weit gediehen".

Fischler-Sprecher rechnet mit Einigung in dieser Woche
Nach dem erneuten Scheitern der Verhandlungen über eine EU-Agrarreform am Donnerstagabend rechnet die EU-Kommission nun mit einer Einigung in dieser Woche - allerdings nur, "wenn die Mitgliedsstaaten das auch wollen", betonte der Sprecher von EU-Agrarkommissar Franz Fischler, Gregor Kreuzhuber, am Freitag in Brüssel vor Journalisten. Dem Vernehmen nach soll ein Beschluss vor allem am Einlenken Frankreichs hängen.

Die letzten Verhandlungstage seien jedenfalls "nicht umsonst" gewesen, betonte Kreuzhuber weiter. Man habe "deutliche Fortschritte" erzielt, die Entscheidungsmöglichkeiten seien klar eingegrenzt worden. Die nächste Verhandlungsrunde soll kommenden Mittwoch um 15.00 Uhr beginnen.
     
zurück