Die ORF-Reform - heiss umstritten im Nationalrat
Riess-Passer: Reform stellte Meilenstein für Meinungsfreiheit dar
Wien (pk) - Heftige Diskussionen über das neue Medienpaket gab es in der heutigen Sitzung des
Nationalrates. Ein Teil der Debatte des Nationalrats wurde vom ORF übertragen und von DolmetscherInnen in
Gebärdensprache übersetzt. Von der Galerie aus verfolgten Gerd Bacher, früherer Generalintendant
des ORF und Mitglied des Weisenrats, und Dr. Heinrich Keller, früherer ORF-Generalsekretär und ebenfalls
Mitglied des Weisenrats, die Debatte.
Vor Eingang in die Tagesordnung gab Präsident Dr. Fischer bekannt, dass die Abgeordneten der Regierungsfraktionen
Mag. Kukacka und Haigermoser eine dringliche Anfrage zum Thema gewalttätige Demonstrationen gegen den Gipfel
des Weltwirtschaftsforums in Salzburg an den Bundesminister für Inneres eingebracht haben (2657/J).
Darüber hinaus wird es eine kurze Debatte über die schriftliche Beantwortung (2396/AB) zur Anfrage 2383/J
des Abgeordneten Kostelka an den Bundesminister für Inneres betreffend bundesweite Schließung von Gendarmerieposten
geben.
Gleichzeitig mit dem Rundfunkgesetz wurden das Privatfernsehgesetz, ein Antrag des Ausschusses zur Änderung
des Rundfunkgesetzes und ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte
mitverhandelt.
Als erster Redner seiner Fraktion kritisierte Klubvorsitzender Dr. CAP (SPÖ) die Vorlage zur ORF-Reform als
unausgewogen und unprofessionell und beantragte die Rückverweisung an den Verfassungsausschuss und die Durchführung
einer Hörer- und Seherbefragung. Wenn der Stiftungsrat entscheide, was Qualität von Sendungen ist, dann
sei das eine Bevormundung der Gebührenzahler, die zur Zensur und zu einem "Obrigkeitsstaat im ORF"
führen könne. Die Personen im Stiftungsrat würden zwar nicht wie Politiker aussehen, meinte Cap,
aber sie würden agieren wie Politiker - die Unabhängigkeit einschränken, Einfluss auf die Berichterstattung
nehmen und den Gebührenzahlern Unabhängigkeit vorgaukeln. Der Regierung warf der Klubvorsitzende vor,
mittels ORF ihr Gesellschaftsmodell durchsetzen zu wollen.
VP-Klubobmann Dr. KHOL skizzierte zunächst die Entwicklung des ORF seit dem Rundfunk-Volksbegehren 1964 und
nannte in diesem Zusammenhang die Namen Bacher, Dalma, Zilk und Kreuzer. Kreisky habe 1974 den ORF "an die
Kandare genommen", sagte Khol, "wir wollen diese Kandare wieder weg werfen". Bei Bacher und Keller
bedankte sich der VP-Klubobmann für deren Arbeit im Weisenrat. Seinem sozialdemokratischen Gegenüber
Cap warf er vor, eine "sozialdemokratische Tradition" fortzusetzen: "Sie können mit einem unabhängigen
Medium nichts anfangen." Ziel des Gesetzes sei es, die Unabhängigkeit und den öffentlich-rechtlichen
Auftrag des ORF zu erneuern und damit den Bestand des ORF auf Dauer zu sichern. An die Opposition appellierte Khol,
die verfassungsrechtliche Verankerung der Unabhängigkeit der Berichterstattung mit zu tragen.
Mit einem Wort des Dankes an alle Medienarbeiter, die "dem permanenten Druck von Regierungsseite Stand gehalten
haben" eröffnete Abgeordnete Dr. PETROVIC (Grüne) ihre Rede. Sie kündigte für ihre Fraktion
an, die von Khol genannte Verfassungsbestimmung nicht mit zu tragen: Dies wäre "eine leere Schachtel,
in die die Regierung hineinstecken könnte, was sie möchte", formulierte die Mandatarin. Die Tatsache,
dass das Gesetz nur offene Abstimmungen vorsehe, beweise, dass die Unabhängigkeit der Mitglieder des Stiftungsrats
"nur Schall und Rauch" sei. In der Formulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags ortete sie Unklarheiten,
durch die Klagen vorprogrammiert seien. Sie trat dafür ein, Radio Österreich International und die Minderheitenberichterstattung
außer Streit zu stellen. In diesem
Sinn brachte sie einen Abänderungsantrag an, der dem ORF Berichterstattung wie bei Radio Österreich International
zur Pflicht macht. Zugleich kündigte sie einen Abänderungsantrag ihrer Kollegin Stoisits betreffend die
Minderheitenberichterstattung an.
F-Klubobmann Ing. WESTENTHALER zeigte sich der Idee einer Befragung der HörerInnen und SeherInnen nicht abgeneigt,
wollte aber wissen, was diese von den Privilegien, Abfertigungen, Konsulentenverträgen und Rücklagen
beim ORF hielten. Anhand von Zitaten aus verschiedenen Medien hielt Westenthaler seinem sozialdemokratischen Kollegen
ein langes Sündenregister von Interventionen der Sozialdemokraten beim ORF vor und kündigte in diesem
Zusammenhang eine Dokumentation an. Mit dem 1. Jänner 2002 breche in Österreich ein neues Medienzeitalter
an, sagte Westenthaler, in dem auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen
das ORF-Monopol aus dem Jahr 1993 umgesetzt werde.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL betonte, der ORF werde durch dieses Gesetz in seiner Unabhängigkeit gesichert,
freier nach innen und nach außen und wirtschaftlich stärker. Das radikal Neue war dabei für den
Kanzler der Umstand, dass nun 12 Politiker und Parteiangestellte aus dem Kuratorium bzw. aus dem Stiftungsrat ausscheiden.
Erstmals seien zudem auch das Recht und die Pflicht zu Unabhängigkeit und Objektivität gesetzlich klar
verankert, wodurch die journalistischen Mitarbeiter des ORF nach Einschätzung Schüssels in einer hervorragenden
Weise geschützt werden.
Ausdrücklich begrüßte der Bundeskanzler auch die Zulassung von terrestrischem, österreichischem
Privatfernsehen. Österreich werde dadurch bunter und freier werden, meinte er. Vorwürfe einer wirtschaftlichen
Schwächung des ORF wies er scharf zurück, wobei er an das aktuelle Rekordergebnis und die bevorstehende
Ausweitung der Werbezeiten erinnerte. Wer behauptet, durch dieses Gesetz werde der ORF geschädigt, der könne
keine Bilanzen lesen, bemerkte Schüssel an die Adresse der Opposition gerichtet.
Abgeordneter SCHIEDER (SPÖ) kritisierte, unter dem Deckmantel von Entpolitisierung werde nun die stärkste
Politisierung eingeführt, die es je im ORF gegeben hat. Eine Partei mit 27 % schaffe sich weit mehr politischen
Einfluss, als dies Kreisky seinerzeit mit mehr als 50 % getan hatte. Schieder zweifelte an der tatsächlichen
Unabhängigkeit der Stiftungsräte und meinte, durch den Bestellungsvorgang in den Gremien werde politische
Abhängigkeit bloß kaschiert. Der heutige Gesetzesentschluss bringe den ORF in politische Abhängigkeit,
lautete der Befund des Redners.
Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (ÖVP) begrüßte die Reform und meinte, die Veränderung
der österreichischen Fernsehlandschaft komme 15 Jahre zu spät. Die Verteidiger des aktuellen Systems
seien jahrelang die Verhinderer des Privatfernsehens in Österreich gewesen. Die Rednerin hob weiters insbesondere
die Unabhängigkeit der neuen Gremien hervor, die ihrer Meinung nach eine Folge des Ausscheidens der Politiker
ist. Den SP-Vorwurf der politischen Machtübernahme wies sie unter Hinweis auf zahlreiche Interventionen der
SPÖ in der Vergangenheit als "lächerlich" zurück.
Ein von Baumgartner-Gabitzer eingebrachter VP-FP-Abänderungsantrag hatte Klarstellungen hinsichtlich der Wahlen
in die ORF-Gremien zum Inhalt.
Abgeordneter Dr. PILZ (Grüne) betonte, angesichts der jahrzehntelangen SP-Interventionen im ORF hätte
eine Festigung der Unabhängigkeit nun oberstes Ziel der Reform sein müssen. Doch genau dies geschehe
nicht. Das Motto des Gesetzes sei vielmehr "blau-schwarze Volksempfänger statt rot-schwarzer ORF".
Von Unabhängigkeit könne nach Meinung des Redners keine Rede sein. Die Mehrheitsverhältnisse seien
vorprogrammiert. Die ÖVP erhalte im Stiftungsrat 51 % und damit die absolute Kontrolle. Allein schon dadurch
würden alle guten Ansätze dieses Gesetzes, wie die Ermöglichung der privaten Konkurrenz für
den ORF durch Einführung von Privatfernsehen, auf der Strecke bleiben, fürchtete Pilz.
Abgeordneter Dr. KRÜGER (FPÖ) hob vor allem die Einführung des Privatfernsehens als positiv hervor
und bemerkte, durch dieses Gesetz werde der desaströsen Medienpolitik der SPÖ eine klare Absage erteilt
und endlich ein Dualismus in der Medienlandschaft ermöglicht. SP-Vorwürfe der politischen Einflussnahme
ließ Krüger nicht gelten. Die SPÖ spreche von Unabhängigkeit, meine damit aber Einfluss der
SPÖ, sagte er und erinnerte an SP-Interventionen beim ORF aus der jüngsten Vergangenheit.
Vizekanzlerin Dr. RIESS-PASSER erinnerte daran, dass schon seit 1990 von einer großen ORF-Reform gesprochen
werde, Österreich zuletzt aber mit Vietnam und Nordkorea das letzte Land mit einem Fernsehmonopol war. Mit
der ORF-Reform werde nun ein Meilenstein für Meinungsfreiheit in Österreich gesetzt, nachdem Regierungen
jahrzehntelang Radio und Fernsehen als Bühnen für ihre Selbstdarstellung betrachtet haben und das öffentlich-rechtliche
System im Rundfunk zu einer engen Verflechtung mit der Politik geführt habe. Das Ende des parteipolitischen
Einflusses auf den ORF versetze die Opposition nun in Schrecken, konstatierte die Vizekanzlerin, sie fürchte
um ihren Einfluss auf Radio und Fernsehen. Nachdem Österreich bei der Liberalisierung der elektronischen Medien
mehr als säumig gewesen sei, müsse die jetzige Regierung mit ihrer Reform den Schaden gutmachen. Die
Behauptung, die Regierung wolle die totale Kontrolle über den ORF wies die Vizekanzlerin entschieden zurück
und sagte gegenüber der SPÖ: "Wie der Schelm ist, so denkt er." Die Mitarbeiter des ORF werden
die Umsetzung der Reform als einen Befreiungsschlag von der Knebelung durch die Parteien erleben, zeigte sich Riess-Passer
überzeugt. Die Journalisten sollen unabhängig von parteipolitischem Einfluss agieren können. Es
wird keine politischen Postenbesetzungen und keinen Einfluss von Parteisekretären mehr geben. |
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Auch den Vorwurf, der ORF würde in den finanziellen Ruin getrieben, wies die Vizekanzlerin zurück,
hielt aber fest, dass ein Unterschied zwischen privatem Fernsehen und öffentlich-rechtlichem Fernsehen mit
Gebührenmonopol bestehen müsse. "Der Gebührenzahler hat einen Leistungsvertrag mit dem ORF
und ein Recht auf ein objektives, anspruchsvolles österreichisches Programm." - Genau dieses Recht wird
mit dem vorliegenden Gesetz sicher gestellt.
Abgeordnete Mag. KUNTZL (SPÖ) qualifizierte die Ausführungen der Vizekanzlerin als Kostprobe dafür,
wie sehr die Sachlichkeit dieser Regierung zu wünschen lasse. Die wirtschaftliche Position des ORF werde massiv
untergraben, was nicht nur die Opposition kritisiere, sondern auch Jörg Haider, dem sie an dieser Stelle ausnahmsweise
Recht geben müsse. Dieses Gesetz werde die politische Unabhängigkeit des ORF beseitigen, indem massiver
politischer Einfluss auf die Programmgestaltung ermöglicht werde. Die Regierungsparteien installierten ein
massives Bevormundungsinstrument, sprächen zugleich aber von Entpolitisierung. Das Gegenteil sei der Fall.
Die Reform bringe "Politisierung total" durch die Besetzung des Stiftungsrates, der Kompetenz zur Programmgestaltung
und zur Postenbesetzung erhalte. "Die Leute, die Sie in den ORF entsenden werden, werden Ihr politisches Vertrauen
besitzen. Sie haben sich für eine Politisierung entschieden und dafür, die Politisierung zu verschleiern."
Abgeordnete Kuntzl sprach von der bevorstehenden Installierung von VP-Leuten in ORF-Leitungsfunktionen und begründete
auch damit den Entschluss ihrer Partei, die Initiative SOS-Demokratie ins Leben zu rufen. "Die SPÖ wird
dafür sorgen, dass Österreich nicht blau-schwarz eingefärbt wird."
Abgeordneter Mag. KUKACKA (ÖVP) meinte, die SPÖ beweise mit ihrer Ablehnung der vorliegenden Mediengesetze,
dass sie den Blick fest in die Vergangenheit gerichtet habe. "Nur nichts ändern am Status Quo",
sei die Devise der SPÖ, die sich in den Verhältnissen so gut eingerichtet habe, dass sie seit Jahren
bei allen Liberalisierungsschritten auf der Bremse gestanden sei. Kukacka schilderte die parteipolitische Vereinnahmung
des ORF durch die SPÖ seit Bruno Kreisky und sagte: "Der SPÖ ist es nie um die Unabhängigkeit
des Rundfunks gegangen, sondern immer nur um die Wahrung ihrer politischen Interessen". Daher seien ihre heutigen
Krokodilstränen völlig unglaubwürdig. Für die vorliegende ORF-Reform hätten erstmals Politiker
die Richtlinien vorgegeben und unter Einbindung von Experten einen Gesetzestext ausgearbeitet, statt nur einen
Entwurf des ORF zu übernehmen.
Dankbar zeigte sich der Redner dafür, dass die Bundesregierung den Kampagnen und Polemiken des ORF die Stirn
geboten habe. Anders als seine Vorgänger habe Bundeskanzler Schüssel auch den Mut gehabt, ein ORF-Gesetz
vorzulegen, dafür gebühre ihm Respekt. Abschließend zerstreute der Abgeordnete Befürchtungen,
die ORF-Gebühren würden erhöht werden. Die Erfahrungen im Telekom-Sektor zeigen, dass der Wettbewerb
zu sinkenden Gebühren und einer besseren Versorgung führe.
Abgeordnete HAIDLMAYR (Grüne) demonstrierte, wie ein Gehörloser eine Fernsehsendung wahrnimmt, indem
sie den Text der Verfassungsbestimmung über die Gleichstellung der behinderten Menschen in allen Lebensbereichen
stumm, nur die Lippen bewegend, vorlas. Wie wenig es der Regierung um die Interessen der Hörer und Seher gehe,
zeigte sich für die Abgeordnete auch daran, wie wenig sie unternehme, um den Forderungen der Gehörlosen
nach mehr Sendungen in der Gebärdensprache nachzukommen. Mit ein bis zwei Sendungen in der Woche können
man nicht den Anspruch erheben, die Gehörlosen zu integrieren, sie an der Kommunikation und am politischen
Diskurs teilhaben zu lassen. - Da dieses Gesetz keinen Fortschritt für die Gehörlosen bringe, stehe es
im Widerspruch zur Bundesverfassung, die seit 1997 die Gleichstellung behinderter Menschen mit den Nichtbehinderten
verlange, schloss Haidlmayr.
Abgeordnete ZIERLER (FPÖ) warf den Oppositionsparteien vor, die Debatte über die ORF-Reform auf den Aspekt
ORF und politische Interventionen zu reduzieren. Zierler zeigte sich verwundert darüber, dass die Opposition
nicht auf konkrete Probleme im ORF eingegangen sei. Auf die Situation der freien Mitarbeiter etwa, auf Budgetüberziehungen,
die nicht durch Einsparungen, sondern durch Honorarkürzungen korrigiert wurden. Auch verzichte die Opposition,
auf technische Fehlentscheidungen einzugehen, die laut Zierler zu Geldverschwendungen führten. Auch die Frage
nach den Gründen für die vielen Auslagerungen von Produktionen wurde nicht gestellt, obwohl der ORF über
genügend Know-How, Personal und technische Ausrüstung verfüge. Wenig beeindruckt zeigte sich die
Abgeordnete von angeblichen Plänen des ORF-Generalintendanten, die gesetzlichen Änderungen nicht zu akzeptieren
und im Herbst Prager Verhältnisse in Wien nachzuspielen. Weis habe den Bezug zur Realität verloren, sagte
Zierler.
Staatssekretär MORAK machte darauf aufmerksam, dass beide vorliegenden Mediengesetze das Ergebnis eines ausführlichen
Diskussionsverlauf in der Öffentlichkeit und im Parlament darstellten. Die Neuerungen seien notwendig für
das Land. Nach einer jahrelangen selbstreferentiellen Diskussion und dem Austausch der immer gleichen Argumente,
warum eine Veränderung des Status Quo nicht möglich sei, werde nun ein positiver Schlusspunkt gesetzt
und privates terrestrisches Fernsehen ermöglicht. Der mediale Zustand des Landes sei unhaltbar geworden, sagte
der Staatssekretär, der in beiden Gesetzen einen Akt der Befreiung und der Herstellung von Normalität
sah. Morak sprach von einer Befreiung der Journalisten, der Programmveranstalter sowie der Film- und Werbeindustrie,
der die Möglichkeit alternativer Programme zugute kommen werde, und von einer Befreiung von parteipolitischer
Vereinnahmung in den Gremien des ORF.
Abgeordneter Dr. WITTMANN (SPÖ) zeigte sich verwundert darüber, dass die FPÖ zusehe, wie sich die
Volkspartei im ORF "die Macht unter den Nagel reißt" und dies als Entpolitisierung zu verkaufen
versuche. Die Regierung werde Leute in die ORF-Gremien entsenden, die von ihr abhängig sind und sie sichere
sich überdies durch die öffentliche Abstimmung gegenüber Leuten ab, die sich trotz allem nicht mit
der Regierungslinie identifizieren könnten. Ein Machtmonopol werde aufgebaut, das seinesgleichen suche, kritisierte
Wittmann. Und schon morgen gehe es in dieser Art weiter, wenn mit einem Gesetz ein Wahlergebnis in der Sozialversicherung
verändert werden soll. "Das bekommt autoritäre Züge", hielt Dr. Wittmann fest, zeigte
sich aber überzeugt, dass die Menschenhatz, die gegen den Generalintendanten des ORF, die Redakteure, den
Präsidenten des Hauptverbandes und die Funktionäre in der ÖIAG veranstaltet werde, den Regierungsparteien
auf den Kopf fallen werde.
Schließlich brachte er zwei Entschließungsanträge betreffend Aufträge des ORF an die österreichische
Filmwirtschaft bzw. Berücksichtigung der freien Radios durch den ORF ein.
Die Opposition, die in den letzten 20 Jahren genug Zeit gehabt hätte, die Entpolitisierung des ORF zu bewerkstelligen,
habe heute Krokodilstränen vergossen, meinte Abgeordnete Dr. FRIESER (ÖVP). Die heute zu Beschluss stehende
ORF-Reform werde den ORF aus der "rot-grünen Geiselhaft" befreien, war die Rednerin überzeugt.
Nicht die Demokratie sei in Gefahr, sondern die politische Kultur der SPÖ, die den ORF als ihr Lehen betrachtet.
Abgeordnete Mag. STOISITS (Grüne) kritisierte, dass weder im Rundfunkgesetz noch im Privatfernsehgesetz auf
die sprachliche und kulturelle Vielfalt Österreichs Rücksicht genommen werde. Im Besonderen bemängelte
sie im Rahmen eines Abänderungsantrages, dass das Gesetz nur auf jene Volksgruppen abgestellt ist, die auch
einen Volksgruppenbeirat haben. In einem weiteren Antrag trat Stoisits dafür ein, dass Informationssendungen
und zumindest eine Kindersendung pro Tag so gestaltet werden, dass sie auch gehörlose und gehörbehinderte
Menschen verfolgen können.
Abgeordneter Mag. SCHENDER (FPÖ) erinnerte daran, dass heute endlich nach acht Jahren ein Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte umgesetzt werde. Eine Reform war dringend notwendig, betonte der Redner,
denn der ORF könne nicht mehr länger politische Spielwiese der Parteien, vor allem der SPÖ, sein.
Der neue ORF wird in Zukunft von unabhängigen Experten geführt, es werde eine freie und faire Berichterstattung
ermöglicht und die Rechte des Publikums stärker berücksichtigt.
Abgeordneter PRÄHAUSER (SPÖ) plädierte dafür, "die Lebensqualität von privaten Radiobetreibern
zu verbessern". Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass das Privatradiogesetz drei Klassen an Radiogesellschaften
geschaffen hat, und zwar den ORF, die Regionalradios sowie die kommunalen Radios. Gleiche Chancen müssten
auch den neuen Privatfernsehsendern gewährt werden, forderte er. Der Gesetzgeber müsse Rahmenbedingungen
schaffen, die ein erfolgreiches und chancengleiches Arbeiten ermöglichen. Schließlich brachte er noch
einen Abänderungsantrag zum Rundfunkgesetz ein.
Sie verstehe, warum die SPÖ die ORF-Reform so bekämpfe, da dies das Ende der 30-jährigen SPÖ-Festspiele
am Küniglberg bedeute, urteilte Abgeordnete WOCHESLÄNDER (FPÖ). Die Umwandlung des ORF in eine Stiftung
biete ihrer Auffassung nach eine besondere Chance im Sinne einer objektiven Berichterstattung und eines qualitätsvollen
Programms.
Die Forderungen der Bundesregierung nach mehr Objektivität seien ihrer Ansicht nach nur "leere Worte",
sagte Abgeordnete Mag. PLANK (SPÖ), da die Taten völlig anders aussehen und der ORF nunmehr in einen
"Schwarzfunk" umgewandelt werde. Außerdem wird es Ihnen niemand glauben, dass Sie Stiftungsräte
nominieren, die Ihnen nicht nahe stehen, meinte Plank in Richtung ÖVP. Auch beim Publikumsrat, der in seiner
Mehrheit vom Bundeskanzler bestellt wird, sei vieles unklar. Eine Gruppe, nämlich die gehörlosen und
die schwer hörbehinderten Menschen, würden bei der ORF-Reform völlig ignoriert, kritisierte Plank,
die einen diesbezüglichen Entschließungsantrag einbrachte.
In einer tatsächlichen Berichtigung stellte F-Abgeordnete WOCHESLÄNDER fest, dass sie - entgegen der
Aussagen der Abgeordneten Plank - keine Entgelte mehr aus ihrer Tätigkeit beim ORF beziehe.
Bei der Abstimmung wurde die Novellierung des Rundfunkgesetzes unter Berücksichtigung des V-F-Abänderungsantrages
mit den Stimmen der Koalitionsparteien verabschiedet. Der Abänderungsantrag der Grünen fand keine Mehrheit.
Die beiden gemeinsamen Entschließungsanträge der SPÖ und der Grünen betreffend Aufträge
des ORF an die österreichische Filmwirtschaft bzw. betreffend Berücksichtigung von freien Radios durch
den ORF blieben ebenso in der Minderheit wie der Entschließungsantrag der SPÖ betreffend Berücksichtigung
von Gehörlosen bei der Gestaltung des Fernsehens.
Dem ebenfalls mehrheitlich angenommenen Privatfernsehgesetz stimmte neben den Abgeordneten von ÖVP und FPÖ
auch Grün-Abgeordneter Peter Pilz zu.
Der zweite Gesetzentwurf zur Änderung des Rundfunkgesetzes (721 d.B.), der eine verfassungsrechtliche Absicherung
des Stiftungsmodells für den ORF vorgesehen hätte, erhielt in namentlicher Abstimmung mit 101 Ja-Stimmen
gegen 77 Nein-Stimmen zwar ebenfalls die Mehrheit, nicht aber die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Somit liegt,
wie der vorsitzführende Dritte Nationalratspräsident Fasslabend betonte, kein Gesetzesbeschluss des Nationalrats
vor.
Schließlich beschloss der Nationalrat mit F-V-G-Mehrheit die Änderung des Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes.
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