Nationalrat beendet intensives Arbeitsjahr
Statistisches zum Ende der Tagung 2000/01 des Nationalrats
Wien (pk) - 42 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 348 Stunden und 03 Minuten - das ist die in Zahlen gefasste
Bilanz des Nationalrats über die Tagung 2000/01, die diesen Freitag zu Ende geht. Dabei beschlossen die Abgeordneten
128 Gesetze und genehmigten 51 Staatsverträge sowie drei Vereinbarungen mit den Bundesländern. Weiters
wurden 16 Berichte der Bundesregierung, des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft behandelt und zur Kenntnis
genommen.
Auffallend ist, dass der Anteil der einstimmig verabschiedeten Gesetze trotz zum Teil heftiger Kontroversen zwischen
Regierungsparteien und Opposition mit 35,16 Prozent nach wie vor höher ist als zu Zeiten der rot-schwarzen
Koalition. Im Unterschied zu vergangenen Tagungen kam es aber auch vor, dass Gesetzesmaterien - etwa die verfassungsrechtliche
Absicherung der ORF-Stiftung oder die Zulassung von Drogentests für Autofahrer - im Plenum letztendlich an
der erforderlichen Zweidrittelmehrheit scheiterten, obwohl der zuständige Ausschuss eine Annahme der Gesetzesänderungen
empfohlen hatte und diese auch mehrheitliche Zustimmung unter den Abgeordneten fanden.
Weiters hielten die Abgeordneten in der Tagung 2000/01 8 Aktuelle Stunden und 8 Fragestunden mit insgesamt 53 Fragen
und 152 Zusatzfragen ab.16 Anträge und zwei Budgets wurden in eine Erste Lesung genommen, 10 Mal gaben Regierungsmitglieder
Erklärungen zu aktuellen Themen ab. In 69 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge
vom Nationalrat. Trotz strikter Blockredezeitbeschränkungen dauerte die längste Sitzung immer noch 17
Stunden und 31 Minuten.
Auch die parlamentarischen Minderheitsrechte wurden im vergangenen Parlamentsjahr wieder vielfach in Anspruch genommen,
und zwar nicht nur von der Opposition, sondern auch von den beiden Regierungsfraktionen. So verhandelte der Nationalrat
insgesamt 13 Dringliche Anfragen, von denen 8 auf das Konto der beiden Oppositionsparteien (5 S, 2 G, 1 gemeinsame)
und 5 auf das Konto der Koalition (1 V, 4 gemeinsame) gehen. Zusätzlich wurden 9 Dringliche Anträge (6
S, 3 G) eingebracht und 38 Kurze Debatten (9 S, 3 F, 4 V, 17 G, 5 S und G) zu schriftlichen Anfragebeantwortungen
der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgehalten.
Von den fünf Sondersitzungen - eine davon in der tagungsfreien Zeit im September - fanden zwei auf Verlangen
der SPÖ ("Fortsetzung des budgetären Belastungskurses der Bundesregierung" bzw. "Lohnsteuersenkung
statt unsozialer Belastungspolitik") und je eine auf Verlangen der Grünen (Fragen der Bildungspolitik)
sowie der beiden Koalitionsparteien ("Die Reformen der Bundesregierung für soziale Gerechtigkeit ohne
Neuverschuldung") statt, eine weitere Sitzung wurde einberufen, weil die SPÖ eine Debatte über die
Ambulanzgebühren urgiert hatte und ÖVP und Freiheitliche über die Anti-Regierungs-Demonstrationen
diskutieren wollten. Daneben gab es noch zwei weitere Sitzungen außerhalb des parlamentarischen Fahrplans,
die zum einen der Vorstellung des neuen Sozialministers Herbert Haupt - er löste im Oktober vergangenen Jahres
Sozialministerin Elisabeth Sickl ab - und zum anderen der Reparatur der vom Verfassungsgerichtshof beanstandeten
gesetzlichen Regelung der Ambulanzgebühren dienten.
Erstmals seit mehr als zehn Jahren wurde außerdem - auf Antrag von ÖVP und FPÖ - wieder ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuss eingesetzt, der die Vergabepraxis des Sozialministeriums (Stichwort "Euroteam")
zu Zeiten der rot-schwarzen Koalition prüft und bisher 19 Sitzungen abgehalten hat. Sämtliche Versuche
der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu installieren, beispielsweise zur so genannten Spitzelaffäre,
zum Thema Tierarzneimittel sowie in Bezug auf eine Auftragsvergabe für das Bundesheer, scheiterten allerdings.
Gleiches gilt für die insgesamt sieben in dieser Tagung eingebrachten Misstrauensanträge. Sechsmal wollten
SPÖ bzw. Grüne dabei Justizminister Böhmdorfer das Vertrauen entziehen, der siebente Misstrauensantrag
betraf Infrastrukturministerin Monika Forstinger, die im November 2000 Michael Schmid in dieser Funktion abgelöst
hatte.
139 Ausschusssitzungen, 5 Enqueten, 2 Enquete-Kommissionen
Zu den Plenarsitzungen kommen 139 Ausschusssitzungen und 38 Sitzungen von Unterausschüssen, wobei
die letzte Sitzung des Sozialausschusses durch Marathon-Reden der Grünen beinahe 17 Stunden dauerte. In den
Ausschüssen wurden dabei zahlreiche Berichte der Regierung "enderledigt" und wurden daher nicht
mehr im Plenum debattiert.
Der Hauptausschuss hielt im abgelaufenen Parlamentsjahr bisher 14 Sitzungen ab und erledigte 53 Vorlagen aus seinem
Zuständigkeitsbereich. Dabei standen Entsendungen von Soldaten, Polizisten und Experten zu Friedensmissionen
im Vordergrund. Kontroversiell diskutiert wurde der Rückzug der österreichischen Blauhelme aus Zypern.
Dazu kamen EU-Personalentscheidungen und die Nominierung von Peter Kostelka, Ewald Stadler und Rosemarie Bauer
für die Wahl der neuen Volksanwälte. Schließlich standen Berichte über die Ausfuhr- und Publizistikförderung,
Verordnungen zur Ausländerquote und zur Suchtgift-Grenzmenge, Grundstücksverkäufe und Beschlüsse
für Parlamentarische Enqueten auf den Tagesordnungen des Hauptausschusses.
Im Vorfeld des Europäischen Gipfels im Dezember 2000 erteilte der Hauptausschuss dem Bundeskanzler den Auftrag,
in Nizza auf die Erweiterungsfähigkeit der Union zu achten, am Gleichgewicht zwischen großen und kleinen
Mitgliedstaaten festzuhalten, auf einem österreichischen Kommissionsmitglied zu bestehen, das Einstimmigkeitsprinzip
bei sensiblen Punkten zu verteidigen, für eine verstärkte Zusammenarbeit nur im Rahmen der EU-Verträge
zu stimmen und eine Ergänzung des Art. 7 EUV zu verlangen, die das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in jeder
Phase des Verfahrens wahrt. Wichtige Punkte auf der Agenda der Post-Nizza-Regierungskonferenz sind für den
Hauptausschuss: präzise abgegrenzte Kompetenzen mit Rücksicht auf das Subsidiaritätsprinzip, Vereinfachung
der Verträge, Verstärkung der Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente und Weiterbehandlung der Grundrechtscharta.
- Der Europäische Rat in Nizza wurde von einem Komitee des EU-Unterausschusses unter dem Vorsitz des Dritten
Nationalratspräsidenten Fasslabend in einer parallelen Sitzung parlamentarisch begleitet.
Eine weitere Stellungnahme des Hauptausschusses galt dem Europäischen Rat in Stockholm vom März dieses
Jahres: Sie lautete auf Einbringung der offensiven österreichischen Familienpolitik, des österreichischen
Budgetkurses, der Vollbeschäftigungspolitik sowie der Pensions- und Sozialreform in die Evaluierung der Lissabon-Strategie
für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Die EU-Strategie für eine nachhaltige Entwicklung war auch das
Hauptthema bei der Vorbereitung des Europäischen Rates in Göteborg im Juni 2001, den auch der EU-Ausschuss
des Bundesrates diskutierte.
Der Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses in EU-Angelegenheiten trat in der letzten Tagung 4 Mal zusammen.
Zuständig für das EU-Sekundärrecht, befasste sich der Unterausschuss mit folgenden Themen: Verteilung
der Öko-Punkte gemäß Transitvertrag, Freisetzung genetisch veränderter Organismen, Gleichbehandlung
von Männern und Frauen in der Arbeitswelt sowie BSE-Krise. Eine Vereinheitlichung der LKW-Fahrverbote in der
EU lehnte der Unterausschuss unisono ab. Eine Stellungnahme des EU-Unterausschusses galt der Einhaltung des Transitvertrages
und einer über das Jahr 2003 hinausgehenden
Transitregelung zur Reduzierung der Transitbelastungen.
Um spezielle Fragen ausführlich mit ExpertInnen zu diskutieren, hielt der Nationalrat darüber hinaus
insgesamt fünf Enqueten ab und richtete zwei Enquete-Kommissionen ein. Dabei wurden bei den Enqueten folgende
Themen behandelt: "Anonyme Geburt und Babynest", "Lebensmittelsicherheit in Österreich und
Europa", "Solidarität mit unseren Sterbenden - Aspekte einer humanen Sterbebegleitung in Österreich",
"Die Universitätsreform" und "Zur Zukunft der Europäischen Union - Reformen nach dem Vertrag
von Nizza".
Die Enquete-Kommission, die sich mit der möglichen Beeinflussung von Wahlergebnissen durch Veröffentlichung
von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen und die vorzeitige Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen am Wahltag befasst,
hielt bisher drei Sitzungen ab. Insgesamt bereits siebenmal trafen sich die Mitglieder der zweiten Enquete-Kommission,
die die Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich hinsichtlich Angemessenheit, Effizienz und Ausgewogenheit
analysiert.
Die Präsidialkonferenz trat in der abgelaufenen Tagung zu 27 Sitzungen zusammen.
Mit 15 Bürgerinitiativen und 24 Petitionen wandten sich die Bürger direkt an das Hohe Haus. Darüber
hinaus lag dem Nationalrat ein von 193.901 Personen unterzeichnetes Volksbegehren betreffend Neuaustragung der
EU-Volksabstimmung zur Beratung vor.
Zahl der schriftlichen Anfragen unverändert hoch
Unverändert hoch ist die Zahl der schriftlichen Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder,
den Nationalratspräsidenten, den Rechnungshofpräsidenten und an Vorsitzende von Ausschüssen. Insgesamt
wurden seit vergangenem September 1.539 derartige Anfragen eingebracht, wobei die SPÖ mit 861 Anfragen vor
den Grünen mit 518 Anfragen an der Spitze liegt. FPÖ-Mandatare stellten insgesamt 120 schriftliche Anfragen,
ÖVP-Abgeordnete lediglich 34. 6 Anfragen wurden von Abgeordneten mehrerer Fraktionen gemeinsam ausgearbeitet.
Am häufigsten nutzten SPÖ-Abgeordneter Johann Maier (158) und die beiden Abgeordneten der Grünen
Karl Öllinger (98) und Theresia Haidlmayr (85) dieses Kontrollrecht des Nationalrats.
Besonderes Interesse zeigten die Mandatare dabei für das Sozialministerium (219 Anfragen), das Innenministerium
(213) und das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (199). Verteidigungsminister Herbert
Scheibner wurde hingegen nur 52mal um Auskunft gebeten. An Nationalratspräsident Heinz Fischer richteten die
Abgeordneten 8 schriftliche Anfragen.
Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen
und internationaler Kontakte.
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