Nationalrat beschliesst Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger
Heftige Debatte über Selbstverwaltung
Wien (pk) - Nach dem Kinderbetreuungsgeld und der ORF-Reform stand am heutigen dritten Sitzungstag des Nationalrats
- dem letzten vor der parlamentarischen Sommerpause - die Reform des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger
auf der Tagesordnung. Diese Reform ist in der 58. Novelle zum ASVG und seiner Parallelgesetze GSVG und BSVG enthalten.
Geändert wurden auch das Landarbeitsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz. Unter einem
wurden auch die Anträge 275/A(E), 279/A(E), 280/A(E) und 402/A(E) der Sozialdemokraten. Die Reform wurde nach
langer und teilweise heftiger Debatte mit den Stimmen der Regierungsfraktionen beschlossen.
Am Beginn der Sitzung wurde Mag. Johanna MIKL-LEITNER (V) als neue Abgeordnete angelobt.
Präsident Dr. FISCHER kündigte vor Eingang in die Tagesordnung für 15 Uhr eine von der SPÖ
verlangte Kurze Debatte über eine Anfragebeantwortung des Sozialministers betreffend Mitarbeiter im Ministerbüro,
Sektionsleiter und Arbeitsleihverträge an.
Daran anschließend wird eine weitere Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag der SPÖ betreffend
sofortige Abstellung der Privilegienwirtschaft in den Ministerbüros stattfinden.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) stellte in einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung fest, der von den Regierungsparteien
angekündigte Abänderungsantrag zum Sozialversicherungspaket sei trotz einer Zusage noch immer nicht an
die Opposition weiter geleitet worden.
Präsident FISCHER verwies auf die Geschäftsordnung, der zufolge Abänderungsanträge im Laufe
der Debatte einzubringen seien.
Abgeordneter Dr. KHOL (V) betonte, es habe diesbezüglich keine Vereinbarung mit der Opposition gegeben, die
Abänderungsanträge werden so eingebracht werden, dass ausreichend Zeit bestehe, sie zu studieren.
Abgeordneter Dr. CAP (S) kritisierte das Verhalten der Regierungsparteien und sah dabei vor allem eine Frage des
Umgangs mit der Opposition angesprochen.
Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (F) hingegen hielt die Vorgangsweise der Koalition für völlig geschäftsordnungskonform.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) wies eingangs auf die hohe Qualität des österreichischen Gesundheitssystems
hin und meinte, 83 % der Österreicher seien mit diesem System zufrieden, auch ein Vergleich mit anderen Staaten,
insbesondere mit Deutschland, mache sicher. Die Finanzierungslücke der Krankenkassen bedeute aber eine große
Herausforderung, der man sich stellen müsse. Vorschläge der Sozialpartner für Einsparungen von 4
Mrd. S liegen ebenso auf dem Tisch wie Konzepte der SPÖ. Doch die Regierung habe sämtliche Vorschläge
ignoriert und sich ausschließlich auf eine beschämende Kopfjagd gegen einzelne Funktionäre des
Hauptverbandes konzentriert, kritisierte Gusenbauer.
In dem vorliegenden Gesetz gebe es keine einzige Maßnahme, die die Finanzierungsgrundlage des Systems verbessern
würde, stellte Gusenbauer fest und warf der Koalition vor, eine Absenkung des Leistungsniveaus bei gleichzeitiger
Einführung eines 20-prozentigen Selbstbehaltes für alle zu planen. Im Gegensatz dazu stehe die SPÖ
zu einem solidarischen Gesundheitssystem, und nicht zu einem System, das die Gesundheit des einzelnen von der Stärke
seiner Geldbörse abhängig macht, unterstrich Gusenbauer.
Zum Hauptverband meinte der Redner, das heutige Gesetz sei ein willkürlicher Bruch des sozialen Friedens und
der sozialen Traditionen in Österreich. Die Regierungsparteien würden damit bloß versuchen, ein
ihr nicht genehmes Ergebnis der AK-Wahlen nachträglich zu korrigieren. Angesichts der Herausforderungen an
das Gesundheitssystem sei die Vorgangsweise von ÖVP und FPÖ geradezu zynisch, meinte Gusenbauer und forderte
eine Volksabstimmung über die Novelle.
Abgeordneter GAUGG (F) betonte mit Nachdruck, der Hauptverband gehöre den Versicherten, und nicht der SPÖ.
Die Regierung habe die Pflicht, die Versicherten aus der politischen Geiselhaft der SPÖ zu holen. Heftige
Angriffe richtete Gaugg gegen Sallmutter, dem er vorwarf, seit Jahren schon notwendige Reformen verhindert und
die Sozialversicherungen bloß als Auffanglager für gescheiterte politische Funktionäre verwendet
zu haben.
Zu den Selbstbehalten bemerkte Gaugg, die Einführung geringfügiger Selbstbehalte sei ihm immer noch lieber
als die von der SPÖ in der Vergangenheit verordneten einseitigen Belastungen. Auch gebe es ja derzeit schon
für zwei Millionen Österreicher Selbstbehalte, etwa für die Eisenbahner.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) hob in seinem Debattenbeitrag hervor, dass das österreichische Gesundheitswesen
im internationalen Vergleich sehr gut angeschrieben ist, wir ein kostengünstiges System haben und es zu den
Errungenschaften der Sozialversicherung seitens der Versicherten eine hohe Zustimmung gibt. Fest steht für
ihn auch, dass im Gesundheitswesen nicht alles in Ordnung ist. Der Redner vermisst Vorschläge der Regierung
hinsichtlich Anerkennung von Leistungen, die anerkennenswert wären, etwa beim Zahnersatz und bei der Physiotherapie.
Keine Zufälligkeit ist für ihn, dass Beitragserhöhungen nicht ausgeschlossen werden.
Sallmutter wird als Übel angesehen und für alles verantwortlich gemacht, was im österreichischen
Gesundheitswesen fehlt: für das Defizit und für fehlende Leistungen. Glauben Sie wirklich, dass Sie damit
jemanden überzeugen konnten, fragte Öllinger und wies darauf hin, dass Sallmutter aufgrund eines Wahlmodus
bestellt wurde. Würde der Präsident des Hauptverbandes derzeit direkt gewählt werden, würde
- so Öllinger - Sallmutter eine Zustimmung von 90 % und Gaugg von 0,1 % erhalten.
Gestern haben 50.000 "Zwerge" demonstriert. Einer dieser 50.000 "Zwerge", ein sozialdemokratischer,
habe laut Öllinger gesagt: Das ist meine Sozialversicherung, in die ich einzahle. Daher sehe ich nicht ein,
dass jemand, der meine Legitimation nicht hat, über mein Geld verfügt. Khol konnte zwar den Zwerg Dirnberger
ruhig stellen, aber kann er 50.000, 500.000 oder 1 Million Zwerge ruhig stellen?, zeigte sich der Redner besorgt.
Zur Neustrukturierung des Hauptverbandes erklärte der G-Sozialsprecher, das Gremium im Hauptverband werde
nicht schlanker gemacht, sondern von 27 auf 38 Vertreter ausgeweitet. Er machte auch darauf aufmerksam, dass aus
der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter eine Mehrheit der Arbeitgebervertreter wird und aus der roten Mehrheit eine
schwarz-blaue Mehrheit, wenngleich blau nur als "kleines Tüpfchen" vorkomme. Denn die ÖVP,
die die AK-Wahlen verloren hat, schaffe es nun, 58 % der Vertreter im Hauptverband zu stellen. Das ist kalter Putsch,
sagte Öllinger und fuhr fort: So macht man es, wenn man machtgierig und machtgeil ist. Das hat nichts mit
der Vertretung von Versicherten zu tun!
Abgeordneter Dr. FEURSTEIN (V) begrüßte die Aussage seines Vorredners, dass das österreichische
Gesundheitssystem in Ordnung sei, und machte darauf aufmerksam, dass mit diesem Gesetz Verbesserungen erfolgen.
Eine Diskussion über die Einführung von Selbstbehalten gebe es nicht, auch werde nicht über eine
Versicherungspflicht debattiert, die Pflichtversicherung werde so, wie sie jetzt besteht, beibehalten. Auch die
Selbständigkeit der Sozialversicherungsträger bleibe unangetastet. Als wesentlichen Fortschritt in der
Gesundheitspolitik sieht Feurstein die Zulassung von Gruppenpraxen für Ärzte durch die Sozialversicherung
an. Aufgrund der Novelle kann sich nunmehr ein praktischer Arzt mit einem Facharzt zusammenschließen und
eine gemeinsame Praxis anbieten. Feurstein bedauerte, dass die Sozialdemokraten diesen Meilenstein im Gesundheitssystem
ablehnen werde.
Im Zusammenhang mit der Strukturreform im Hauptverband verwies der Sozialsprecher der Volkspartei darauf, dass
im Verbandsvorstand auf Dienstnehmerseite derzeit nur Sozialdemokraten vertreten sind. Da die Regierung dies als
ungerecht ansehe, wird dieses Verhältnis verändert und dem Ergebnis der AK-Wahlen - die FSG hat dort
57 % der Stimmen erhalten - angeglichen. Geändert wird auch, dass in der Verbandskonferenz, im Verbandspräsidium
und im Verbandsvorstand die gleichen Personen sitzen. Es wird nun ein Verwaltungsrat geschaffen, der sich aus sieben
Mitgliedern der Arbeitnehmerseite und aus sieben Mitgliedern der Arbeitgeberseite zusammensetzt.
Die SPÖ bekämpft die Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten im Hauptverband, konstatierte
Feurstein. Bisher war es so, teilte er mit, dass der Präsident und die Vizepräsidenten vom Minister bestellt
wurden. Nun werde es im Hauptverband eine Wahl geben, die Posten des Generaldirektors und dessen Stellvertreter
werden ausgeschrieben werden. In dieser Maßnahme sieht Feurstein einen Schritt zu mehr Selbstverwaltung.
Das ursprünglich vorgesehene Vetorecht der Minister wird heute geändert werden, gab der Redner bekannt,
weil es zu weitgehend war. Das Vetorecht wird in der Art und Weise, wie es bisher bestanden hat, beibehalten. Damit
werde die Selbstverwaltung geschützt und erhalten.
Bundesminister Mag. HAUPT sprach die Causa Prima, die Neuordnung des Hauptverbandes, an und verwies darauf, dass
mit dem Gleichstellungsgesetz 1921 die Sozialpartner gegründet wurden und dass die Sozialversicherungsträger
ursprünglich paritätisch besetzt waren. Bis 1994, als eine Änderung beschlossen wurde, gab es im
Hauptverband nicht nur eine Hauptversammlung, sondern auch einen Präsidialausschuss, einen Überwachungsausschuss
und einen Sektionsausschuss. Das bedeutet, es hat damals Spartenverantwortliche für die Krankenversicherung,
die Unfallversicherung und die Pensionsversicherung gegeben. Das möchte die Bundesregierung in Zukunft auch
wieder haben, vermerkte der Ressortchef.
Seit der Einführung der Sozialpartnerschaft bis heute wurden sämtliche Präsidenten und Vizepräsidenten
vom jeweiligen Sozialminister ernannt und sind nie gewählt worden, strich Haupt heraus. In Zukunft werde es
eine Wahl geben. Daher erachtete der Minister die Behauptung, die Bundesregierung greife nach dem Hauptverband,
als falsch. Er, Haupt, sei der erste Sozialminister der Zweiten Republik, vermerkte er stolz, der auf das Ernennungsrecht
des Präsidenten des Hauptverbandes verzichtet.
Im Mittelpunkt der "blau-schwarzen Wendepolitik" stehe Machterhaltung und Machtgewinn, kritisierte Abgeordnete
SILHAVY (S) im Rahmen ihrer Wortmeldung zu den Sozialrechtsvorlagen. Die zentrale Frage, um die es heute geht,
sei, wie es um die Zukunft der österreichischen Sozialversicherung bestellt ist. Man stehe vor einer wichtigen
Weggabelung, betonte Silhavy, nämlich Sozialversicherung und Solidarität versus Privatversicherung, eigenes
Risiko und Ellbogengesellschaft. Deshalb soll auch die Selbstverwaltung "eiskalt ausgeschaltet" und Präsident
Sallmutter abgelöst werden, weil er sich für die Interessen der Versicherten und nicht für jene
des Kapitals einsetzt, urteilte die Rednerin. Der Hauptverband werde zudem unter Missachtung der Demokratie umstrukturiert,
da es zu einer totalen Verschiebung der realen Verhältnisse kommt, denn in Zukunft sollen die 300.000 Selbständigen
und Bauern dieselben Mitsprachemöglichkeiten erhalten wie die 3,1 Mill. aktiven Versicherten.
Abgeordnete Mag. HARTINGER (F) war überzeugt davon, dass die Bundesregierung die richtigen Entscheidungen
im Bereich der Sozialpolitik treffe, da sie im Sinne der Bürger dieses Landes und nicht der sozialistischen
Funktionäre sind. Es könne nicht mehr angehen, dass die Patienten einer Akkordmedizin ausgeliefert sind
oder dass unterschiedliche Leistungen bei gleichen Beiträgen angeboten werden, da dies einer Zweiklassenmedizin
entspreche. Sie sei deshalb erfreut darüber, dass heute eine grundlegende Reform eingeleitet werde, die eine
effiziente und für alle zugängliche Gesundheitsversorgung garantiere. Vehement wies Hartinger den Vorwurf
zurück, diese Politik gefährde die Demokratie. "Die Demokratie war in ihrer Regierung gefährdet",
konterte sie, da der Präsident des Hauptverbandes nicht gewählt, sondern von der Sozialministerin Hostasch
ernannt wurde. Der SPÖ gehe es um die Macht sowie um ihre Spitzenfunktionen und nicht um die Patienten und
die Menschen in unserem Land, schloss die Rednerin.
Hartinger brachte sodann einen F-V-Abänderungsantrag zur 58. Novelle zum ASVG ein, der neben Änderungen
bei den Unvereinbarkeitsregelungen das so genannte "Vetorecht" abwandelt: Gegen Beschlüsse des Verwaltungsrates
können die Vertreter des Sozialministers (wegen Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit) bzw. der
Vertreter des Finanzministers (wenn finanzielle Interessen berührt sind) schriftlich Einspruch erheben. "Langt
ein solcher Einspruch innerhalb von längstens fünf Werktagen nach erweislicher Bekanntgabe des Beschlusses
gegenüber dem zuständigen Vertreter schriftlich beim Verwaltungsrat ein, so kommt ihm aufschiebende Wirkung
zu. Der Verwaltungsrat kann aber beschließen, die Angelegenheit dem Bundesminister für soziale Sicherheit
und Generationen zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.
Gegen die endgültigen Entscheidungen, die mit Bescheid erfolgen, steht dem Verwaltungsrat die Möglichkeit
der Erhebung von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Dadurch wird dem
Selbstverwaltungskörper das Recht eröffnet, diese Aufsichtsmaßnahmen mit rechtlichen Mitteln zu
bekämpfen."
Weiters wird die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates von zwölf auf vierzehn erhöht, wobei je ein
weiteres Mitglied der Dienstnehmer- und der Dienstgeberseite zukommen soll. Da die großen Versichertengruppen
der Landwirtschaft sowie des öffentlichen Dienstes durch die Wirtschaftskammer Österreich und die Bundesarbeitskammer
nicht repräsentiert werden, erscheint es vielmehr notwendig, diesen eine Vertretung im Verwaltungsrat zu sichern,
heißt es im Antrag.
Im Zusammenhang mit den Neuregelungen für die Gruppenpraxen wird festgelegt, dass in den Gesamtverträgen
als verbindlicher Inhalt die Sicherstellung eines behindertengerechten Zuganges zu den Praxen geregelt wird.
Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) appellierte an die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, zur Sachpolitik zurückzukehren
und sich den wahren Problemen des Gesundheitssystems zuzuwenden. Als Beispiele führte er die Betreuungsmängel
bei den alten, pflegebedürftigen und chronisch kranken Menschen, die Defizite in der Rehabilitation, der Psychiatrie,
der psychotherapeutischen Versorgung, der Arbeits- sowie der Palliativmedizin, die fehlende Leistungsangebotsplanung,
die Mängel in der Qualitätssicherung etc. auf. Einerseits werde zwar über das Defizit der Krankenkassen
geklagt, man verschweige jedoch, warum es entstanden ist, gab Grünewald zu bedenken. Das BIP ist in den Jahren
1993-1999 um 27, 3 % gestiegen, die Leistungen der Krankenkassen um 27,5 %. Da jedoch die Löhne und Gehälter
nur um 20,2 % gestiegen sind, entstand eine Lücke bei den Einnahmen in der Höhe von 4,2 Mrd. S.
Was die Reform des Hauptverbandes betrifft, so kritisierte er, dass das Vetorecht nur sehr "schwachbrüstig"
zurückgenommen und ein Rotationsprinzip eingeführt wird, das in der Privatwirtschaft niemand akzeptierten
würde. Es ist unbestreitbar, dass Reformen notwendig sind, aber es wäre sinnvoller gewesen, den Kassen
mehr gesundheitspolitische Gestaltungsmöglichkeiten in die Hand zu geben, anstatt das "System ins offene
Messer laufen" zu lassen.
Es sei klar, dass die Opposition in einer Plenarwoche, in der u.a. das Kinderbetreuungsgeld und die Gruppenpraxen
beschlossen werden, etwas inszenieren müsse, erklärte Abgeordneter Mag. TANCSITS (V). Es ist ihnen gelungen,
meinte er in Richtung der Opposition, eine simple Strukturreform des Hauptverbandes zu einer Frage des Gesundheitssystems,
der Sozialversicherung sowie der Demokratie hochzustilisieren. Die Bevölkerung werde jedoch die Wahrheit erfahren
und verstehen, dass es zu keiner Zerschlagung des Sozialversicherungssystems kommt. Durch diese Novelle werde vielmehr
das Sozialversicherungssystem, und insbesondere die Selbstverwaltung, gestärkt, das sozialistische Machtmonopol
durch eine demokratische Verteilung im Verwaltungsrat abgelöst und der Weg frei gegeben für jene Reformen,
die wir brauchen, um das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, unterstrich er.
Der Abgeordnete Tancsits sei relativ schwach in seiner Argumentation, wenn er das Kurienwahlrecht bemüht,
meinte Abgeordneter VERZETNITSCH (S): "Denn 10 % der Stimmen wollen Sie dazu verwenden, um die Gleichheit
innerhalb der Sozialversicherung herbeizuführen." Dass die österreichische Sozialversicherung, die
auf der Arbeitsleistung der Menschen beruht, gut funktioniert, wird auf von der ÖVP anerkannt, sagte Verzetnitsch
unter Hinweis auf ein VP-Papier. Darin spreche man sich auch für eine starke Selbstverwaltung der Sozialversicherung
aus, die eine wichtige Säule der demokratischen Ordnung darstellt. Die heutige Novelle bedeute aber eine Entmachtung
der Selbstverwaltung und bereite den Weg für eine Politik, die sich durch die Einführung von Ambulanzgebühren,
Besteuerung der Unfallrenten und Wegfall der Mitversicherung auszeichne, kritisierte der Redner scharf. Die Bevölkerung
soll in einer Volksabstimmung darüber entscheiden können, ob sie will, dass der Hauptverband in einen
"Haupt-Verband" umgewandelt wird, in der nur mehr die Geschäftsführer und der Minister das
Sagen haben.
Bundesminister Dr. BARTENSTEIN widersprach seinem Vorredner, wonach in Zukunft nur mehr die Geschäftsführung
und der Minister das Sagen haben. Die Entscheidungen werden vom Verwaltungsrat, und damit von den Versicherten,
gefällt, betonte der Ressortchef. Bei der Novelle gehe es zudem um eine Stärkung der Selbstverwaltung,
weil beispielsweise der Minister - zum ersten Mal in der Zweiten Republik - auf sein Ernennungsrecht für die
Spitze des Hauptverbandes verzichtet. Er frage sich zudem, was die Opposition unter Sozialpartnerschaft verstehe.
Immer dann, wenn es um die Beitragszahlungen geht, sei es selbstverständlich, dass dies auf paritätischer
Basis zu geschehen hat, nämlich 50 : 50 zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Das österreichische Gesundheitssystem ist wahrscheinlich eines der besten der Welt und wahrscheinlich auch
eines der kostengünstigsten, führte Bartenstein weiter aus. Er verstehe die Panikmache der Opposition
nicht - Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung, Einführung von Selbstbehalten, Tendenzen in Richtung
Privatversicherung etc. - da nichts im Entwurf auf eine solche Entwicklung hindeute. Der Hauptverband weise eine
nicht mehr zeitgemäße Struktur auf und es gehe daher darum, die Blockademechanismen wegzubekommen, die
Zusammensetzung der Gremien demokratischer zu gestalten und insgesamt eine schlankere und effizientere Organisation
zu schaffen. Er habe aber den Eindruck, dass es der Opposition offensichtlich um die politische Macht und nicht
um eine wirkliche Reform geht.
Abgeordneter DOLINSCHEK (F) wies die Aufrufe der Gewerkschaften zu Demonstrationen und Streiks zurück und
widersprach der Behauptung, ein Generalstreik sei wegen Demokratiegefährdung gerechtfertigt. "Die Demokratie
ist nicht gefährdet", sagte Dolinschek. Im Gegenteil - "Sie wird durch die Reform der Sozialversicherung
bedeutend ausgebaut". Der ÖGB vertrete nicht mehr die Mitglieder und die Versicherten, sondern seine
Funktionäre, lautete die Kritik des Abgeordneten. Der Hauptverband habe Vorschläge zur Verbesserung der
Koordination, zur besseren Nutzung der EDV und zur Einführung der Chip-Card nicht umgesetzt, er sei seit Jahren
säumig und habe auch auf Kritik des Rechnungshofes nicht reagiert, sondern Beitragserhöhung statt einer
kostensenkenden Verwaltungsreform vorgeschlagen. Daher sei die Strukturreform notwendig und die Selbstverwaltung
zu stärken. Die Umstrukturierung werde Entscheidungen beschleunigen, die Kontrollmöglichkeiten stärken
und die Einsparung von Millionenbeträgen ermöglichen.
Abgeordnete Dr. PETROVIC (G) sprach zunächst ihr Bedauern darüber aus, dass die Novelle in der heute
vorliegenden Form im Ausschuss nicht debattiert werden konnte. Die demokratiepolitisch bedenkliche Botschaft der
Regierung an die Opposition laute: "Ihr braucht nicht mitreden".
Was dieser Tage vor sich gehe, analysierte Petrovic, sei ein knallharter machtpolitischer Deal zwischen FPÖ
und ÖVP. Die Freunde des Herrn Prinzhorn bekämen freie Bahn in der ÖIAG, im Gegenzug erhalte die
ÖVP alle Macht im ORF und im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Entlarvend seien die neuen Unvereinbarkeitsbestimmungen
für die Hauptverbandsspitze. Sie zeigten, wie streng die Regierung bei Arbeitnehmern vorgehe, obwohl sie nichts
daran finde, dass ein Pharmaindustrieller gleichzeitig Minister sei und ein Papierindustrieller im Präsidium
des Nationalrates sitzt. Die Abgeordnete sprach von Willkür und verfassungsrechtlich bedenklichen Bestimmungen.
Von Stärkung der Selbstverwaltung könne keine Rede sein, sagte Petrovic und wies darauf hin, dass die
Volkspartei, die weit entfernt sei, 50 Prozent der Bevölkerung oder gar der Arbeitnehmer zu repräsentieren,
paritätische Mitbestimmung an der Spitze des Hauptverbandes erhalte. Die Abgeordnete sprach von einer "Lex
Sallmutter" mit verfassungswidrigen Bestimmungen, die nur den Zweck hätten zu verhindern, dass Hans Sallmutter
eine Funktion im Hauptverband ausüben könne. Zudem sei die Novelle hinsichtlich der Funktionsbezeichnungen
nicht geschlechtsneutral formuliert und auch aus diesem Grund eindeutig abzulehnen.
Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) warf den Oppositionsparteien vor, mit der Angst und den Emotionen der Menschen
zu spielen und forderte sie auf, zur Seriosität zurückzukehren. Die vorliegende Hauptverbandsreform bringe
keinerlei Änderungen im Leistungsrecht der Sozialversicherung, keine Selbstbehalte, keine Beitragserhöhungen,
sondern lediglich eine Strukturreform des Hauptverbandes. Es sei daher völlig unrichtig, von einer Zerstörung
des sozialen und effizienten österreichischen Gesundheitssystems zu sprechen.
Die Krankenversicherung habe ein Finanzierungsproblem, sie brauche Kostensenkungen ohne Beitragserhöhungen.
Es bedürfe einer Verwaltungsreform, der Überwindung der Führungs- und Strukturprobleme im Hauptverband.
Dazu gehöre eine Stärkung der Selbstverwaltung und die Überwindung zementierter Strukturen. Die
Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entspreche einem Modell gelebter Partnerschaft, wie sie in
Deutschland seit Jahrzehnten hervorragend funktioniere. Zudem wünschte sich Mitterlehner eine kompetente Leitung
des Hauptverbandes, da es nicht angehe, das größte Unternehmen Österreichs wie einen Verein zu
organisieren. Dem Selbstverwaltungsgrundsatz werde mit dem Rotationsprinzip Rechnung getragen. Abschließend
wandte sich der Wirtschaftsvertreter entschieden gegen die Drohung von Gewerkschaftern, das "Match um die
Hauptverbandsspitze" auf der Ebene der Betriebe zu führen.
Staatssekretär Dr. WANECK erinnerte die Abgeordneten daran, dass mehr als 99 Prozent der Österreicher
der Sozialversicherung angehörten. Es sei daher angebracht, gemeinsame Lösungen für diesen Bereich
zu finden. Die vorliegende Reform diene der Überwindung von Strukturdefiziten, etwa darum, die normative von
der operativen Ebene stärker zu trennen, da in der gegenwärtigen horizontalen Struktur neun Gremien einander
behinderten. Es bedürfe einer strafferen Organisation nach den Grundsätzen einer effizienten Selbstverwaltung,
der Nutzung von Synergien und eines stärkeren Durchgriffsrechten für die Koordination. Im Verlauf der
diesbezüglichen Verhandlungen konnte bereits eine weitgehende Einigung erzielt worden, ehe dann plötzlich
eine Personaldiskussion eingesetzt habe. An "Postenschachergesprächen" seien die Österreicher
aber nicht interessiert, sie wollen eine leistungsorientierte Gesundheitsversorgung und eine effiziente Krankenbehandlung,
sagte der Staatssekretär.
Abgeordneter NÜRNBERGER (S) kritisierte die Schwächung der Selbstverwaltung sowohl für Arbeitnehmer
als auch für Arbeitgeber. Er vermutete, die Regierungsparteien wollten das öffentliche Versicherungssystem
zerstören, um den privaten Versicherungen Gewinne zuzuschanzen. In dem vorliegenden Gesetz stehe zwar nichts
von Selbstbehalten, "die Regierungsparteien werden sie aber in den Gremien einführen", sagte Nürnberger.
Die Freiheitlichen erinnerte er an ihre Aussagen, die Pflichtversicherung durch die Versicherungspflicht ersetzen
zu wollen. Dazu präsentierte Nürnberger internationale Vergleichszahlen. Während ein Durchschnittsverdiener
in Österreich 850 S pro Monat für die Krankenversicherung aufwenden müsse, zahle er in Deutschland
im Rahmen der Versicherungspflicht 1.712 S und in der Schweiz 4.100 S.
Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) sprach von großen Weichenstellungen, die der Nationalrat in dieser Woche vornehme.
Er nannte die Einführung des Kindergeldes, die Entpolitisierung des ORF und heute, als Höhepunkt, die
Strukturreform im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Die Kritik der Opposition wies Pumberger zurück
und sagte, den Sozialdemokraten sei der Parteieinfluss im Hauptverband und die Position von Hans Sallmutter wichtiger
als das Schicksal kranker Menschen in Österreich. Der Hauptverband sei umzustrukturieren, weil er auf die
Kritik des Rechnungshofes an seiner Verwaltung nicht reagiert habe. Wir brauchen mehr Demokratie im Hauptverband
und eine Strukturreform. "Ich freue mich gemeinsam mit den Österreichern auf die heutige Abstimmung",
schloss Pumberger.
Abgeordnete HAIDLMAYR (G) kritisierte, dass im Gruppenpraxengesetz der barrierefreie Zugang für Behinderte
nicht vorgesehen sei. Erst der heute vorgelegte Abänderungsantrag enthalte eine diesbezügliche Bestimmung.
Sie sei aber ungenügend. Denn es handle sich um eine bloße "Soll-Bestimmung", notwendig wäre
aber eine "Muss-Bestimmung", weil die Gleichstellung der Behinderten mit den nicht behinderten Menschen
seit 1997 ein Verfassungsgebot sei. Haidlmayrs Abänderungsantrag zielte daher auf die behindertengerechte
Ausstattung der Gruppenpraxen und auf eine ausreichende Zahl von barrierefrei erreichbaren Arztpraxen, um auch
behinderten Menschen das Recht auf die freie Arztwahl zu sichern.
Abgeordnetem DONABAUER (V) zufolge wird die Qualität des österreichischen Sozialversicherungssystems
auch nach der Beschlussfassung in vollem Umfang erhalten bleiben. Alles, was Bestand haben soll, brauche aber Veränderung.
Bei dieser Reform gehe es ausnahmslos um die Menschen, um die Versicherten, und nicht um Gruppeninteressen; es
gehe ausnahmslos um Antworten, wie die Sozialversicherung aussehen soll, bekräftigte der Redner. Darüber
hinaus betonte er, dass die Sozialversicherungsträger erhalten blieben, dass die Vorsitzenden im Verwaltungsrat
endlich gewählt würden und dass im neugeschaffenen Gesundheits- und Sozialforum Österreichs all
jene vertreten sein würden, die in diesem Land maßgeblich Gesundheits- und Sozialpolitik bestimmen.
Der Opposition rief er auffordernd entgegen, weniger Personenkult und mehr Sachpolitik zu betreiben.
In einer Tatsächlichen Berichtigung zur Wortmeldung des Abgeordneten Nürnberger wies Abgeordneter STUMMVOLL
(V) die Behauptung, er habe in der Sendung "Betrifft" zwanzigprozentige Selbstbehalte gefordert, als
unrichtig zurück. Er habe nur darauf hingewiesen, dass es kaum ein Land ohne Selbstbehalte gebe.
Abgeordneter DIETACHMAYR (S) fokussierte auf drei Ziele, die seines Erachtens mit der vorliegenden Gesetzesänderung
erreicht werden sollen: Die Beseitigung von Sallmutter, auf den Vizekanzlerin Riess-Passer eine Kopfjagd eröffnet
habe, weil er unbequem ist; die Machtübernahme von ÖVP und FPÖ im Hauptverband, wobei Wahlergebnisse
missachtet würden; und schließlich den Totalumbau und die Zerstörung des hervorragenden Sozialsystems.
Dietachmayr befürchtet das Abgehen von der Pflichtversicherung hin zur Versicherungspflicht und meinte allgemein,
dass Österreich der Dritten Republik zusteuere. Den Grund für die finanziellen Schwierigkeiten der Krankenkassen
sieht er in erster Linie durch neue Strukturen in der Arbeitswelt verursacht, etwa durch mehr Teilzeitarbeit und
Schwarzarbeit, weshalb viel eher in diesen Bereichen angesetzt werden sollte.
Abschließend brachte Dietachmayr einen Abänderungsantrag zur 58. ASVG-Novelle ein, der den barrierefreien
Zugang für Behinderte bei Vertragsärzten und Vertrags-Gruppenpraxen sicherstellen soll.
Im Gegensatz zu seinem Vorredner zeigte sich Abgeordneter BRUGGER (F) davon überzeugt, dass die vorliegende
Novelle zum ASVG die Finanzierung der Sozialversicherungen ohne Beitragserhöhung gewährleisten werde,
die Grundlage dafür sei, Leistungskürzungen zu verhindern und den Verwaltungsaufwand zu senken, und schließlich
den Hauptverband entpolitisieren werde. Notwendig sei ein Reformwille der Kassen, jedenfalls, so der Redner, habe
mit den Sozialpartnern in weiten Bereichen eine Einigung erzielt werden können. Die SPÖ fürchte
aber lediglich um die Privilegien ihrer Klientel und ihrer Funktionäre.
Abgeordnete BAUER (S) bezeichnete den Abänderungsantrag mit der Änderung des Hauptverbandes als "demokratiepolitisch
unerträglich" und "verfassungsmäßig fragwürdig". Damit gefährde ihrer
Meinung nach die Regierung den sozialen Frieden. Im "Machtrausch" wolle diese das Versicherungssystem
ändern und die Pflichtversicherung in eine Versicherungspflicht umwandeln. Dadurch riskiere man eine Zwei-Klassen-Medizin,
in der die sozial Schwachen auf der Strecke blieben.
In einer Tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) gegenüber seiner Vorrednerin
klar, dass sich die ÖVP zur Wichtigkeit der Pflichtversicherung bekannt habe.
Abgeordnete GATTERER (V) warf der SPÖ vor, die DemonstrantInnen falsch informiert und eine Angstpropaganda
verbreitet zu haben. Die Pflichtversicherung sei in keiner Weise in Frage gestellt worden, so die Rednerin. Bezeichnend
sei auch, dass von der Opposition nur zum Hauptverband gesprochen werde, nicht aber zu den Verbesserungen, die
die 58. ASVG-Novelle bringe, beispielsweise die Einführung der Gruppenpraxen und die sozialversicherungsrechtliche
Absicherung der wissenschaftlichen und künstlerischen MitarbeiterInnen an den Universitäten. Die Neugestaltung
des Hauptverbandes begründete sie mit der bisherigen Reformverweigerung, etwa in Hinblick auf ein einheitliches
EDV-System, auf die elektronische Behandlung von Krankenscheinen, die derzeit immer noch händisch erfolge,
und auf die Einführung der Chip-Karte.
Gatterer brachte einen Abänderungsantrag ein, der für die Bauern bei der Bildung der endgültigen
Beitragsgrundlage Verbesserungen bringen und den administrativen Aufwand bei den Nachbemessungen verringern soll.
Abgeordnete HEINISCH-HOSEK (S) bezichtigte die Regierung, Millionen für Inserate und Werbekampagnen zu verpulvern,
um die Verschlechterungen für die Bevölkerung zu verschleiern. Dieser Betrag von fast einer halben Milliarde
Schilling wäre im Gesundheitssystem wesentlich sinnvoller investiert, meinte sie. Sie vermisst vor allem inhaltliche
Reformen zur Verbesserung des Gesundheitssystems. Mit einer positiven und fortschrittlichen Reform habe die heute
auf der Tagesordnung stehende Materie ihrer Auffassung nach nichts zu tun.
In einem Entschließungsantrag zur Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten, den Heinisch-Hosek
einbrachte, fordern die SozialdemokratInnen, ein umfangreiches Sofortmaßnahmenprogramm zur Senkung der Medikamentenkosten
um 3 Mrd. S bis September 2001 vorzulegen.
Abgeordnete BURKET (F) wiederum sieht angesichts des Milliardendesasters in der Umorganisation des Hauptverbandes
ein "Gebot der Stunde". Auch der Rechnungshof habe einen negativen Bericht über den Hauptverband
erstellt. Im Mittelpunkt müssten die BürgerInnen stehen und nicht die Bürokraten. Die Menschen interessiere
weniger, wer in den Gremien sitzt, sondern viel mehr, wie hoch die monatlichen Beiträge sind und welche Leistungen
sie dafür bekommen. Im Hinblick auf die gestrige Großdemonstration warf sie der Gewerkschaft Missbrauch
der Mitglieder vor, da auf diese Druck ausgeübt worden sei, an der Demonstration teilzunehmen.
Abgeordnete Mag. LAPP (S) kritisierte, dass die Reform des Hauptverbandes von einer außenstehenden Kanzlei
entworfen worden sei, und so sehe sie auch aus. Das Ganze stehe unter dem Gesichtspunkt der Abrechnung gekränkter
Eitelkeiten gegenüber einer Person, und das alles unter dem Deckmantel der Reform. Damit gefährde die
Regierung Gesundheit und Demokratie. Das Vertrauen in das Gesundheitssystem werde rapid schwinden, befürchtet
sie, Menschen würden heute schon überlegen, ob sie einen Arzt bzw. ein Ambulatorium aufsuchen. Das neue
System werde sich an der derzeitigen sparsamen Verwaltung messen müssen, denn
heute gingen von 1000 S an Beiträgen 960 S an Leistungen retour.
Abgeordnete STEIBL (V) ging in ihrem Debattenbeitrag insbesondere auf die Verbesserungen der ASVG-Novelle ein und
beleuchtete in diesem Zusammenhang die Einführung der Gruppenpraxen und die Absicherung der Künstlersozialversicherung
genauer. Dass diese beiden Vorhaben, über die bereits mehr als zehn Jahre diskutiert worden war, nun zum Abschluss
gebracht werden konnten, ist für die Rednerin der Beweis für die Problemlösungskompetenz der Regierung.
Die Opposition habe dem nur Polemik, Halbwahrheiten und Trauer um den Machtverlust entgegenzusetzen.
Schließlich brachte sie noch einen Abänderungsantrag zur 28. Novelle zum B-KUVG ein, wonach wissenschaftliche
und künstlerische MitarbeiterInnen an den Universitäten in den Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgenommen
werden.
In einer tatsächlichen Berichtigung stellte Abgeordneter VERZETNITSCH (S) fest, dass niemand verpflichtet
worden sei, an der Demonstration teilzunehmen.
Abgeordnete CSÖRGITS (S) meinte kritisch, die arbeitnehmerfeindliche Neuorganisation des Hauptverbandes sei
nur der erste Schritt der Regierung zu einer Umgestaltung des Gesundheitssystems. Die Reformen der Koalition würden
auf die Bildung einer Zwei-Klassen-Medizin hinauslaufen und ein Ende der medizinischen Vollversorgung für
alle bedeuten, fürchtete die Rednerin. Dieser Politik der Entsolidarisierung erteile die SPÖ eine klare
Absage, unterstrich Csörgits.
Abgeordneter Mag. SCHENDER (F) warf der SPÖ vor, es gehe ihr gar nicht um sachliche Verbesserungen, sondern
bloß um die Absicherung ihres roten Einflusses und ihrer Privilegien. Die Sozialdemokraten hätten keinerlei
Reformwillen, sie würden in alten Strukturen verharren, Realitätsverweigerung betreiben und trotz der
bestehenden Defizite bei den Kassen Handlungsbedarf ignorieren. Von seiner Kritik sparte Schender auch den Gewerkschaftsbund
nicht aus. Der ÖGB vertrete längst nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmer, sondern sei bloß
noch ein Werkzeug und Anhängsel der SPÖ, meinte er.
Abgeordneter RIEPL (S) warnte, die Regierungsparteien würden mit dem heutigen Beschluss den sozialen Frieden
gefährden. Er erinnerte die Vertreter der ÖVP daran, dass auch die christlichen Gewerkschafter im ÖGB
gegen die Reformen demonstriert haben.
Abgeordneter Dr. TRINKL (V) stellte fest, der SPÖ gehe es nicht um Demokratie im Hauptverband, sondern nur
um den Machterhalt. Dafür seien die Sozialdemokraten auch bereit, wider besseres Wissen "Angst und Schrecken"
in der Bevölkerung zu verbreiten. Die SPÖ habe das System der Sozialpartnerschaft ad absurdum geführt.
Abgeordneter HORNEGGER (F) knüpfte an seinen Vorredner an und bemerkte, der SPÖ gehe es nur um die Sessel
im Hauptverband, die Regierungsparteien
aber würden im Sinne der Beitragszahler reformieren.
Abgeordnete HALLER (F) sprach der Kritik der SPÖ jegliche Glaubwürdigkeit ab. Die Sozialversicherungen
seien eine Erbpacht der SPÖ gewesen, es habe ihnen an Transparenz und Demokratie gefehlt, meinte sie. Sallmutter
sei der Systemerhalter eines veralteten Systems gewesen und habe sich bloß durch Reformunwilligkeit hervorgetan.
Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) warf den Regierungsparteien vor, mit ihrer heutigen Reform demokratische Rechte zu
beseitigen, die ihr im Weg stehen.
Bei der Abstimmung wurde zunächst der Rückverweisungsantrag der Grünen abgelehnt. Die 58. ASVG-Novelle
wurde in der Fassung der Abänderungsanträge der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen. Das Ergebnis
der namentlichen Abstimmung lautete 100 Ja- gegen 79 Nein-Stimmen.
Der SP-Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung über diesen Beschluss wurde abgelehnt.
Mit FP-VP-Mehrheit passierten in Dritter Lesung auch die 25. GSVG-Novelle, die 24. BSVG-Novelle, die 28. B-KUVG-Novelle
sowie die Änderung des Landarbeitsgesetzes das Plenum.
Sämtliche Abänderungsanträge der Opposition blieben in der Minderheit.
Bezüglich der SP-Anträge wurden die negativen Berichte des Ausschusses mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis
genommen.
Ein S-Entschließungsantrag betreffend Dämpfung des Zuwachses bei den Heilmittelkosten fand keine Mehrheit.
Neuordnung der Heimarbeitskommission einstimmig beschlossen
Abgeordneter STAFFANELLER (F) erläuterte, beim vorliegenden Gesetzentwurf gehe es um die Neuordnung der Heimarbeitskommissionen.
Grund für diesen Schritt sei, dass die Zahl der Heimarbeiter in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen
ist. Betriebe, die früher Heimarbeiter beschäftigt hätten, würden nunmehr Teilzeitarbeitsplätze
mit flexibler Arbeitszeit anbieten. Diese Entwicklung komme, so Staffaneller, vor allem auch Frauen zugute. Ihm
zufolge sind künftig nun die Arbeitsinspektorate dafür zuständig, dass Heimarbeiter entsprechend
geschützt würden und zu ihrer Entlohnung kämen.
Die Änderung des Heimarbeitsgesetzes wurde vom Nationalrat einstimmig verabschiedet.
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