Stammzellen gegen tödliche Muskelschwäche
Meldung des Instituts für Physiologie der Universität Bonn
Bonn (04. 07.) - Die Diagnose „Muskeldystrophie“ bedeutet für die
Betroffenen meist das Todesurteil. Einer von Dreitausend männlichen Neugeborenen leidet an der unheilbaren
Erbkrankheit; der Krankheitsverlauf lässt sich durch Krankengymnastik und Medikamente lediglich verzögern.
Wissenschaftler der Universität Bonn und des Kinderkrankenhauses von Pittsburgh, USA, haben nun spezielle
Stammzellen isoliert, die in Mäusen mit Muskeldystrophie die Regeneration der geschädigten Muskelzellen
verbessern können. Die Ergebnisse wurden jetzt im renommierten Journal of Cell Biology (Vol. 157 (5), S. 851-864)
publiziert.
Die Wissenschaftler um den US-Forscher Dr. Johnny Huard und den Bonner Physiologen Professor Dr. Anton Wernig konnten
einen speziellen Typ von adulten Stammzellen aus dem Muskel von Mäusen isolieren. Die Zellen können in
Mäusen mit Muskeldystrophie degeneriertes Muskelgewebe besser ersetzen, als dies mit anderen Zellen bisher
möglich war.
Die Stammzellen wecken Hoffnung auf effektivere Therapien degenerativer Muskelerkrankungen wie der Duchenne‘schen
Muskeldystrophie. Bislang hatten die Wissenschaftler bei Muskelzelltransplantationen vor allem mit der geringen
Überlebens- und Vermehrungsrate der verfügbaren Zelllinien zu kämpfen; zudem rief das Transplantat
meist eine hartnäckige Immunantwort hervor, die schließlich zum Untergang der neuen Zellen führte.
„Wir sollten diese Befunde jedoch nicht überbewerten“, warnt Professor Wernig. „Der in der Maus gefundene
Zelltypus wurde beim Menschen bislang noch nicht nachgewiesen.“ Im Rahmen eines EU-Projekts würden aber bereits
entsprechende Untersuchungen durchgeführt.
An Muskeldystrophie erkranken fast ausschließlich Männer; aufgrund eines Gendefekts können die
Betroffenen wichtige Eiweiße für den Muskelstoffwechsel nicht bilden. Das Muskelgewebe wird mehr und
mehr abgebaut, so dass die Kinder meist schon vor dem zehnten Lebensjahr auf den Rollstuhl angewiesen sind. Schließlich
werden auch Atem- und Herzmuskulatur in Mitleidenschaft gezogen; die Patienten versterben an Herzversagen oder
Atemnot.
Abgesehen von der Bedeutung für Muskelaufbau scheint der gefundene Zelltypus noch viel weiter reichende Eigenschaften
zu haben. „Anders als normale Muskelstammzellen aus Mäusen sind diese Stammzellen pluripotent“, erklärt
Professor Wernig. „Sie können sich zu verschiedenen Gewebetypen entwickeln, beispielsweise auch zu Knorpelzellen.“
Die Zellen verlieren ihre vielversprechenden Eigenschaften auch nach mehreren Teilungen nicht. Auch aus anderen
Geweben, vor allem aus Knochenmark, konnte man bereits derartige pluripotente adulte Stammzellen isolieren. Neben
den embryonalen Stammzellen gelten sie als Hoffnungsträger für zukünftigen Organersatz.
Published Details: Journal of Cell Biology (Vol. 157 (5), S. 851-864) |