Gusenbauer: "Mit der viel gepriesenen Zukunft ohne Schulden ist es vorbei"
Regierungspolitik "fundamental gescheitert" - Gusenbauer fordert Rückkehr
zu Kurs von Wachstum und Beschäftigung
Wien (sk) - Ein "fundamentales Scheitern" der Budgetpolitik der Bundesregierung zeichnet
sich für SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer ab. "Mit der viel gepriesenen Zukunft ohne Schulden
ist es vorbei", stellte Gusenbauer am Montag (15. 07.) in einer Pressekonferenz
fest.
Die Bilanz der Bundesregierung stelle sich folgendermaßen dar: Sie habe das Land "kaputtgespart"
und ihr Ziel Nulldefizit verfehlt - 2002 werde das Defizit des Bundes voraussichtlich 1,15 Prozent des BIP betragen,
was eine Neuverschuldung des Bundes von 2,5 Milliarden Euro (rund 30 Mrd. Schilling) bedeute. Finanzminister Grasser
erhoffe sich nun, dass die Länder nun Überschüsse in der Höhe von 0,75 Prozent des BIP erwirtschaften,
um ein gesamtstaatliches Budgetdefizit im Ausmaß von 0,4 Prozent des BIP erreichen zu können, erörterte
der SPÖ-Vorsitzende. Anstatt neue Spar- und Belastungspakete zu schnüren und in sündteure Kampfflugzeuge
zu investieren, solle die Regierung endlich einen Kurs zu Wachstum und Beschäftigung einschlagen, fordert
Gusenbauer am Montag (15. 07.).
Bei der Erstellung des Budgets 2003 rechnet Gusenbauer mit weiteren Schwierigkeiten, zusätzliche Ausgaben
- Zuschüsse beim Pensionssystem sowie Ausgaben für Kindergeld und Ersatzzeiten - würden auf den
Finanzminister zukommen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit könnte der Finanzminister auch weniger Mittel
aus der Arbeitslosenversicherung abschöpfen, zu dem würden noch "Struktureffekte im öffentlichen
Dienst" kommen. Und: Auch eine versprochene höhere Inflationsabgeltung für den öffentlichen
Dienst sei noch offen. Es herrsche deshalb "absoluter Alarm für das Budget 2003", auch deshalb,
weil der Finanzminister bereits durchscheinen habe lassen, dass ein neues Belastungspaket droht, warnte der SPÖ-Vorsitzende.
Die Bundesregierung habe alles dem Ziel Nulldefizit untergeordnet, kritisierte Gusenbauer weiter. Im Klartext bedeute
das: 18 Prozent mehr Arbeitslose als im Jahr 2000; über 20 Mal seien die Steuern und Abgaben erhöht worden;
geringeres Wachstum der Löhne als im EU-Schnitt; das Wachstum der Wirtschaft in den letzen drei Jahren sei
unter jenes des EU-Schnitts gesunken und die öffentlichen Investitionen seien nur mehr halb so hoch wie der
Schnitt der EU-Mitgliedsländer. Und nun versuche die Bundesregierung "ihren falschen Weg auch 2003 zu
wiederholen", gab Gusenbauer zu bedenken und warnte davor, das es weitere soziale Einschnitten geben könnte.
Gusenbauer verwies darauf, dass Staaten, die über dem EU-Schnitt liegende öffentliche Investitionen getätigt
haben und in Forschung & Entwicklung sowie in den Arbeitsmarkt investieren, auch Budgetüberschüsse
produziert haben. Die Bundesregierung wolle ihren "völlig falschen Weg" dennoch fortsetzen und deshalb
erscheine es auch "umso zynischer", wenn die Bundesregierung für den Ankauf des "Teuro-Fighter"
neue Schulden im Ausmaß von 2,4 Milliarden Euro - ohne derzeit noch nicht absehbarer Wartungs- und Erhaltungskosten
- mache. Gusenbauer kritisierte, dass es "angesichts der Finanzkrise in Österreich", für die
Bundesregierung nichts wichtigeres zu tun gebe als den Ankauf von Kampflugzeugen, durch die nicht nur 2003, sondern
auch in den Folgejahren Budgetdefizite "gesichert" sein würden.
Der SPÖ-Vorsitzende fordert die Bundesregierung auf, sich an Staaten zu orientieren, die erfolgreich die Steuern
gesenkt und kleine und mittlere Einkommen entlastet sowie mit Investitionen erleichtert haben. Damit könnten
positive Signale für Investitionen und eine Stärkung der Kaufkraft gesetzt werden. Das wäre bedeutend
wichtiger, als ein neues Sparpaket und Investitionen in sündteure Kampfflugzeuge, betonte Gusenbauer, die
Bundesregierung solle endlich "einen Kurs zu Wachstum und Beschäftigung einschlagen". |
Pensionen: "Entscheidende Messgröße" ist Beschäftigung
"Eine Steuerreform hat nur dann Sinn, wenn sie zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu Impulsen für
die Wirtschaft führt", so Gusenbauer weiter. Wenn eine Steuerreform nur dazu diene, die Einkommen von
Prinzhorn und Bartenstein zu steigern, so würden die Effekte einer Steuerreform aber "gleich Null"
sein, nur eine Reform, die Kaufkraft stärkt und Investitionen begünstigt, werde zu mehr Beschäftigung
und höherem Wirtschaftswachstum führen, unterstrich Gusenbauer. Hätte man bereits mit 2002 eine
Steuerreform realisiert, hätte sich Österreich "eine Reihe von negativen Auswirkungen ersparen können".
Durch die Politik des Kaputtsparens sei es aber zu einer "Vervielfachung negativer volkswirtschaftlicher Effekte"
gekommen, kritisierte der SPÖ-Vorsitzende.
Auch die österreichische Budgetsituation sei "eine Konsequenz des Kaputtsparens" - wenn man keine
Impulse für die Wirtschaft setze, dürfe man sich nicht wundern, wenn die Arbeitslosigkeit ansteige, so
Gusenbauer. Die Bundesregierung habe ihre Versprechen (Nulldefizit und Vollbeschäftigung) gebrochen. Statt
dessen gebe es nun neue Schulden und massive Arbeitslosigkeit. Der Bundesregierung könne man deshalb nur ein
Negativzeugnis ausstellen, nicht eine einzige Zielsetzung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik sei mit den von
ihr angewendeten wirtschaftspolitischen Instrumenten erreicht worden, stellte Gusenbauer fest.
Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts über einen Konjunkturzyklus solle beibehalten werden, so Gusenbauer
weiter. Um kurzfristig konjunkturbelebende Impulse zu setzen schlug Gusenbauer erneut die Einführung eines
zeitlich befristeten Investitionsfreibetrags vor. Von einer generellen Lohnnebenkostensenkung erwartet sich der
SPÖ-Vorsitzende keine Struktureffekte. Man könnte allerdings gezielt etwa die Lohnnebenkosten für
über 50-Jährige senken, damit diese länger von den Betreiben behalten werden.
Gusenbauer verwies auch darauf, dass es im Maastricht-Vertrag die Zielsetzung sei, dass die Mitgliedsstaaten in
wirtschaftlichen Normalzeiten close to balance bugetieren" müssten und dass in wirtschaftlich schlechten
Zeiten, das Defizit nicht über drei Prozent hinausgehen dürfe. Damit lasse der Vertrag "genug Pragmatismus"
offen um Probleme in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu lösen, erklärte der SPÖ-Vorsitzende.
Finanzierungspotenzial für eine Steuerreform sieht der SPÖ-Vorsitzende etwa in der Verwaltungsreform.
Gusenbauer zieht die Methoden der Bundesregierung dabei aber in Zweifel. Durch die Übertragung der Verwaltung
der Bundesstraßen vom Bund an die Länder würden dem Bund per Saldo 40 Millionen Euro abgehen. Denn
der Bund erspare sich mit der Übertragung zwar 60 Millionen Euro, müsse aber gleichzeitig Steuereinnahmen
in der Höhe von 100 Millionen Euro an die Länder übertragen.
Gusenbauer sieht "selbstverständlich Veränderungsbedarf" bei den Strukturen in Österreich,
es gehe um den effizienteren Einsatz der finanziellen Mittel. "Ho-Ruck"-Aktionen machen dabei allerdings
keinen Sinn. Um tatsächliche Strukturveränderungen in der Verwaltung herbeizuführen, bedürfe
es eines "parteienübergreifenden langfristigen Ansatzes", weil nur dann eine Chance bestünde
auf eine fundamentale Änderung der Bundesverfassung, die mit einer Volksabstimmung ratifiziert werden müsste.
Alle anderen Versuche seien "über Public Relations-Aktionen nicht hinausgegangen", so der SPÖ-Vorsitzende.
Zur Frage der Sicherung des Pensionssystems betonte Gusenbauer, dass dabei "die entscheidende Messgröße"
sei, wie viele Menschen man in Beschäftigung halten könne. Nur wenn man die Arbeitslosigkeit steigen
lasse, habe man ein Einnahmenproblem bei den Versicherungsbeiträgen. Zuwenig investiert die Bundesregierung
für den SPÖ-Vorsitzenden auch in die Aus- und Weiterbildung von Arbeitslosen, worin Gusenbauer auch das
"Hauptproblem" für die hohe Arbeitslosigkeit sieht. Weitere Verschärfungen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen
sowie ein Stopfen von Budgetlöchern auf Kosten der Pensionen lehnt Gusenbauer ab.
Die Praxis in Österreich stellt sich für den SPÖ-Vorsitzenden so dar, dass jeder unter 40-Jährige
eine relativ gute Chance auf Requalifizierung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) habe. Über 40-Jährige
würden aber nur Ausbildungsmaßnahmen bezahlt bekommen, wenn Geld übrig bleibt, was de facto keine
Chance auf Ausbildung und Requalifizierung bedeuten würde.
Die Mittel für Aus- und Weiterbildung von Arbeitslosen müssten deshalb erhöht werden, forderte Gusenbauer,
der zugleich darauf verwies, dass die skandinavischen Länder dafür pro Kopf doppelt so viele Mittel ausgeben
würden als Österreich. Neben einer höheren Beschäftigungsquote und einer Anhebung des faktischen
Pensionsalters brauche Österreich zur Sicherung des Pensionssystems aber auch eine Anhebung der Frauenbeschäftigung:
"Wenn die Frauenbeschäftigung höher ist, entspannt sich auch das Pensionsproblem", kündigte
Gusenbauer für den Herbst ein Pensionskonzept der SPÖ an.
Zu der Frage der ÖBB-Pensionisten merkte Gusenbauer an, dass es hier "nicht um eine Spielzeugeisenbahn
geht, sondern um die wesentliche Frage der Infrastruktur". Der drohende Verkehrsinfarkt müsse verhindert
und Österreich auf die EU-Erweiterung vorbereitet werden. Mittlerweile drei FPÖ-Verkehrsminister würden
sich aber durch Nichtstun und nicht durch Investitionspolitik auszeichnen, kritisierte der SPÖ-Vorsitzende.
Der Finanzminister, der sich dadurch jede Menge gespart habe, werde mit den ÖBB von der gescheiterten Wirtschaftpolitik
der Bundesregierung aber nicht ablenken können.
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