Stammzellenforschung: Körtner kritisiert Ablehnung
Für den evangelischen Theologen ist die Haltung der katholischen Kirche zur embryonalen
Stammzellenforschung "theologisch anfechtbar"
Wien (epd ö) - „Theologisch anfechtbar“ sind nach Meinung des Wiener evangelischen Theologen
und Ethikers Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner die Argumente katholischer Bischöfe und theologischer Fakultäten
gegen die embryonale Stammzellenforschung. In einem „Furche“-Artikel nimmt Körtner kritisch zu der Tatsache
Stellung, dass Österreich das 6. EU-Rahmenprogramm zur Forschungsförderung für die Jahre 2002-06
abgelehnt habe, weil darin auch die Förderung der Forschung an embryonalen Stammzellen vorgesehen ist.
Körtner sieht in dieser Entscheidung wörtlich einen negativen „Einfluss der Österreichischen Bischofskonferenz“.
Für deren Haltung seien „apodiktische Positionen“ kennzeichnend. In derselben „Furche“-Ausgabe befürwortet
der katholische Mediziner, Pharmazeut und Theologe Dr. Matthias Beck, Dozent für Ethik und Recht in der Medizin
an der Universität Wien, die österreichische Entscheidung. Beck forderte eine philosophische Grundsatzdiskussion
über den Beginn menschlichen Lebens.
Die Bischofskonferenz hat nach Meinung Körtners zwar erfolgreich im Hintergrund agiert, aber kaum das Gespräch
mit der Öffentlichkeit oder den anderen Kirchen gesucht. Von der lehramtlichen Meinung abweichende katholische
Moraltheologen verträten ihre Positionen „hinter vorgehaltener Hand“. Deren Angst vor „kirchlichen Repressalien“
sei heutzutage „typisch katholisch“. Dies erschwere das Gespräch in allen Fragen.
Die evangelischen Kirchen in Österreich lehnten hingegen die Forschung an embryonalen Stammzellen nicht grundsätzlich
ab, so Körtner. Selbst wenn man Embryonen als „werdende Menschen“ betrachte, fielen bei der In-vitro-Fertilisation
überzählige Embryonen an. Dem Dilemma der Güterabwägung könne man nicht entgehen.
Gegen gefährliche Schlussfolgerungen
Körtner wehrte sich gegen seiner Ansicht nach „kurzschlüssige und gefährliche“ Schlussfolgerungen
wie: „Erst sind die Embryonen an der Reihe, dann die Behinderten“. Es gehe offenbar gar nicht mehr um den Schutz
des einzelnen Embryos, sondern um „anderweitige Sorgen und Ängste“, allgemeine Prinzipien würden verteidigt.
Die moralische Verpflichtung gegenüber Kranken und die Pflicht zur medizinischen Grundlagenforschung trete
in den Hintergrund. Faktum sei jedoch, dass die Wissenschaft international zweigleisig forsche - nämlich sowohl
an adulten wie an embryonalen Stammzellen.
Matthias Beck erinnerte in seiner Entgegnung an die strittige und ungeklärte Frage, ob Embryonen in frühesten
Stadien schon „Menschen“ sind, oder ob sie sich erst zum Menschen entwickeln. Der Wissenschafter kritisierte auch
den seiner Ansicht nach bei Körtner offen zu Tage tretenden „Dominus-Iesus-Reflex“. Evangelische Theologen
setzten sich jetzt gerne bewusst von katholischen Positionen ab, weil sie glaubten, ihnen werde in dem Vatikan-Dokument
von September 2000 „das Kirchesein abgesprochen“. Beck erinnerte auch an die Negativ-Sicht der philosophischen
Ethik bei Luther, weil nach seiner Auffassung die menschliche Vernunft durch den Sündenfall grundsätzlich
gestört sei, schreibt Beck.
Während die reformatorische Auffassung der Vernunft misstraue und nur auf den Glauben („sola fide“), die Gnade
(„sola gratia“) und die Heilige Schrift („sola scriptura“) baue, könne der Mensch nach katholischer Ansicht
mit Hilfe der Vernunft und der Philosophie Gott und die Welt (in Grenzen) erkennen. Die katholische Position sei
daher, argumentiert Beck, philosophisch begründeter als die protestantische. Wenn Embryonen zur Forschung
verzweckt würden, werde eine Schwelle überschritten, die die menschliche Würde antaste. Der Mensch
würde zum Gegenstand und schließlich zur Ware.
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